Kommentar von Benno Schirrmeister über Kritikunfähigkeit: Theater braucht Transparenz
Nichts Gutes verheißt die Reaktion des Bremerhavener Kulturdezernenten Michael Frost auf die Kritik an der Intendantenwahl: Rasend schnell hat man Lars Tietje, in Schwerin gerade krachend an seinem eigenen Führungsstil gescheitert, als Nachfolger des Glücksgriffs Ulrich Mokrusch installiert. Auf die erwartbare Kritik darauf nur zu reagieren, indem man sie als persönliche Attacke verunglimpft, nährt den Verdacht, dass es an sachlichen Argumente für die Personalentscheidung mangelt.
Dabei ist nicht unerheblich, wer sie infrage stellt: Man hat es hier weder mit einem Querulanten-Kartell noch mit einer Kombo Betroffener zu tun, obwohl es in Schwerin wohl genügend Tietje-Geschädigte gäbe, die gerne Rache üben würden. Stattdessen haben Branchengrößen unterzeichnet wie Ludwig von Otting, der langjährige Geschäftsführer des Thalia-Theaters Hamburg, wie Lisa Jopt, die Initiatorin des Burning-Issues-Festival und wie Thomas Schmidt, der Direktor des Theaterstudiengangs in Frankfurt am Main. Dass die es für nötig halten, in Bremerhaven mit einem Offenen Brief nach „den wesentlichen Kriterien“ der Personalentscheidung zu fragen, ist demnach so ungewöhnlich wie angesichts des Hopplahopp-Verfahrens und des verblüffenden Resultats dringend geboten.
Allerdings nur, solange man an einer demokratischen Theaterkultur interessiert ist, zu der eine transparente Besetzungspolitik gehört. Nur dann. Wenn nicht, ist selbstverständlich schon der Gedanke an nachvollziehbare Berufungen eine Art Majestätsbeleidigung. Gegen die muss verbal aggressiv vorgegangen werden, wie gegen alle revolutionären Umtriebe. Sonst landen wir noch in einem System, in dem Verdienste und Fähigkeiten entscheiden und nicht Hinterzimmerrunden. Das will in Bremerhaven derzeit niemand: Für die Kunst kann das nur ein Nachteil sein.
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