Neuer Chef der Eurogruppe aus Dublin: Irland einflussreich wie noch nie
Überraschend wird Paschal Donohoe zum Chef der einflussreichen Eurogruppe gewählt. In Dublin sieht man das als „großen Sieg“ für Irland.
Donohoe und Calviño sowie der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna hatten sich am 25. Juni beworben. Dabei war damals keineswegs klar, ob Irland überhaupt eine Regierung zustande bringen würde. Erst am kommenden Tag stimmten die Parteimitglieder von Fine Gael, Fianna Fáil und den Grünen einem Koalitionsdeal zu. Einen weiteren Tag später wurde Donohoe als Finanzminister bestätigt.
Der 45-Jährige stammt aus Dublin. Er studierte Politik und Wirtschaft am Trinity College Dublin. Danach arbeitete er in England für Procter & Gamble. Nach seiner Rückkehr nach Irland 2003 trat er in die rechtskonservative Partei Fine Gael ein. 2011 wurde er ins Parlament gewählt und bekleidete in den folgenden Jahren verschiedene Ministerposten, bis er 2017 zum Finanzminister ernannt wurde.
In sozialen Fragen ist er liberal, seine ruhige und sachliche Art ist eher untypisch für irische Politiker. Er ist verheiratet mit der Engländerin Justine Davey, die beiden haben einen Sohn und eine Tochter.
„Tag und Nacht arbeiten“
Premierminister Micheál Martin von Fianna Fáil bezeichnete Donohoes Wahl als „großen Sieg für Irland“. Der Posten ist einflussreich, das Gremium berät einmal im Monat über Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Vorsitzende legt die Tagesordnung fest und koordiniert die Gespräche. Bei der Finanzkrise vor gut zehn Jahren spielte die Gruppe eine wichtige Rolle. „Es bedeutet, dass wir dabei sein werden, wenn wichtige Entscheidungen über den Euro getroffen werden“, freute sich Martin.
Soviel Einfluss wie jetzt hatte Irland noch nie. Neben dem Vorsitz der Eurogruppe stellt Irland mit Phil Hogan den EU-Handelskommissar, mit Mike Ryan den geschäftsführenden Direktor der WHO, und außerdem ist Irland im Juni in den UN-Sicherheitsrat gewählt worden.
Er werde „Tag und Nacht arbeiten“, um seiner Rolle als irischer Finanzminister und als Vorsitzender der Eurogruppe gerecht zu werden, sagte Donohoe. Auf die Frage, ob die Tatsache, dass Irland eine Steueroase ist, bei der Wahl eine Rolle gespielt habe, antwortete er, dass die anderen Finanzminister seine Haltung zu diesem Thema kannten, denn er habe sie „sehr, sehr deutlich“ gemacht.
Gramenga war am Donnerstag nach dem ersten Wahlgang ausgeschieden. Bei der Stichwahl stimmten Deutschland, Frankreich und einige Mittelmeerländer für Calviño, aber Donohoe hatte die Unterstützung der konservativen European People’s Party, zu der auch CDU und CSU gehören. Außerdem wählten ihn einige kleinere Länder, damit nicht noch ein wichtiger Posten an die großen Länder fiel.
Donohoe hatte damit geworben, dass Irland die Nord-Süd-Spaltung bei Wirtschaftsfragen überbrücken könne, da Irland in einigen Fragen mit den Mittelmeerländern übereinstimme, in anderen hingegen mit den Ländern im Norden. Darüber hinaus habe Irland Erfahrung mit Krisen, da die Insel zeitweilig unter dem EU-Rettungsschirm war. Das war jedoch ein Klacks im Vergleich zu dem Hilfspaket, das nun im Zuge der Coronakrise aktiviert wird.
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