Forscher über Konflikt um Berg-Karabach: „Politische Lösung nicht in Sicht“
Der Kaukasus-Experte Uwe Halbach hält die Gefahr eines erneuten Kriegs zwischen Armenien und Aserbaidschan für ein durchaus realistisches Szenario.
taz: Herr Halbach, worin unterscheidet sich der Berg-Karabach-Konflikt von anderen Konflikten im postsowjetischen Raum, wie zwischen Südossetien und Georgien oder in der Ostukraine?
Uwe Halbach: Bis zum Ausbruch des ukrainischen Konfliktes in der Ostukraine, im Donbass, wurden alle diese Konflikte als eingefroren bezeichnet. Berg-Karabach hat aber gezeigt, dass man sich darauf nicht verlassen kann. Der Konflikt flackerte immer wieder auf, wie zum Beispiel im April 2016. Das ist auch jetzt wieder der Fall. Auch zwischendurch hat es an der Waffenstillstandslinie Schießereien gegeben. Daher kann der Berg-Karabach-Konflikt nicht als eingefroren betrachtet werden. Ein weiterer Unterschied zu anderen Konflikten im post-sowjetischen Raum ist, dass die Interessen der äußeren Mächte unterschiedlich gelagert sind.
Wie beurteilen Sie die Rolle Russlands in diesem Kontext?
Russland unterhält zwar eine Militärbasis in Armenien und liefert Waffen an beide Seiten. Moskau ist jedoch, anders als in Abchasien und Südossetien, in Berg-Karabach nicht direkt präsent. Meiner Meinung nach nimmt der Kreml in diesem Konflikt eher eine neutrale Position ein. Das zeigt sich auch daran, dass Russland während der jüngsten Eskalation beide Seiten ermahnt hat, sich in Zurückhaltung zu üben.
Wie positionieren sich die anderen Mächte in der Region?
Die russische Position im Berg-Karabach-Konflikt ist nicht so weit entfernt von den Positionen der USA oder anderer westlicher Akteure wie Frankreich. Das heißt, im Berg-Karabach-Konflikt haben wir es mit einer geringeren geopolitischen Konkurrenz zwischen Russland und dem Westen zu tun, als sie in Georgien oder der Ukraine zutage tritt.
Und die Türkei?
Sie ist in Bezug auf Berg-Karabach der einzige externe Akteur, der nur einseitig Position bezogen hat. Ankara hat sich ganz klar auf die Seite Aserbaidschans gestellt und erklärt, Aserbaidschan im Kriegsfall unterstützen zu wollen.
71, ist Kaukasus-Experte der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Wo sehen Sie Perspektiven für eine mögliche Konfliktlösung?
Zunächst einmal gilt es, Schlimmeres zu verhindern. Das heißt, die Seiten konsequent aufzufordern, Zurückhaltung zu üben und sich nicht in einen Krieg zu begeben. Diese Gefahr besteht jedoch durchaus. Eine politische Lösung des Konflikts zeichnet sich aber nach wie vor nicht ab. Zwischen beiden Seiten gibt es erhebliche Gegensätze. Aserbaidschan macht den Rückzug armenischer Truppen zumindest aus den sieben Provinzen um Berg-Karabach herum zu einer Voraussetzung für eine Lösung des Konflikts. Die armenische Seite besteht auf Sicherheitsgarantien für Berg-Karabach. Die aber sind derzeit nicht gegeben.
Aserbaidschan wehrt sich dagegen, dass auch Berg-Karabach mit am Verhandlungstisch sitzt. Armenien wiederum fordert aber genau das.
Ich kann die armenische Forderung durchaus nachvollziehen. Denn Berg-Karabach ist eindeutig Konfliktpartei und daher selbst betroffen. Berg-Karabach war ja auch bis 1998 mit am Verhandlungstisch. Dann wurde die Region jedoch ausgeschlossen. Die Minsk-Gruppe hat sich nicht dafür starkgemacht, dass sich das ändert.
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