Krieg in Libyen: General Haftar verliert Rückhalt

Mit ihrer militärischen Einmischung in Libyen haben Moskau und Ankara klargestellt: Sie entscheiden über die Zukunft des Landes.

Soldaten mit ihrem Fahrzeug zwischen Trümmern

Kämpfer der libyschen Regierung feiern sich am zurückeroberten Flughafen von Tripolis Foto: Hamza Turkia/XinHua/dpa

KAIRO taz | Es kommt Bewegung in die seit Jahren festgefahrene Lage in Libyen – politisch, weil sich militärisch etwas geändert hat. Vor 15 Monaten hatte der abtrünnige General Chalifa Haftar seine Milizen vom Osten des Landes in Richtung Westen geschickt. Sie sollten in einer Blitzaktion die Hauptstadt Tripolis, die Hochburg seiner Rivalen, erobern. Haftar wollte das ganze Land unter seine militärische Kontrolle bringen und sich selbst zum libyschen Alleinherrscher machen.

Haftars Plan ist gründlich in die Hose gegangen. Nachdem er Tripolis monatelang belagern und beschießen ließ, ist seine Offensive in den letzten Wochen total zusammengebrochen.

Nun hat der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, einer der wichtigsten ausländischen Unterstützer des libyschen Generals, die Notbremse gezogen. Er zitierte Haftar und den zweiten starken Mann in dessen Lager, den Sprecher des Parlaments Aguila Saleh, nach Kairo. Am Samstag traten sie zu dritt in der ägyptischen Hauptstadt bei einer Pressekonferenz vor die Öffentlichkeit und verkündeten die sogenannte Kairo-Initiative.

Die beinhaltet zunächst einen einseitigen Waffenstillstand, der am Montagmorgen um sechs Uhr beginnen soll. Dann soll ein Fahrplan für eine politische Lösung anvisiert werden. In einem Präsidialrat sollen Vertreter aus beiden Lagern die Macht teilen. Dieser Rat soll die Geschicke des Landes für eine Übergangsperiode von 18 Monaten lenken, bevor es dann Wahlen geben soll. Die staatlichen Institutionen sollen in dieser Zeit vereint werden.

Haftars Bündnis ist zerbrochen

Das sind Ideen, die teilweise aus früheren Verhandlungen, etwa bei der Libyen-Konferenz in Berlin letzten Januar, kolportiert worden sind. Mit dem Unterschied, dass diese Initiativen immer daran gescheitert waren, dass Haftar sie abgelehnt hatte. Erst letzten April hatte Haftar das von der UNO 2015 ausgehandelte Machtteilungsabkommen, auf dessen Grundlage die Regierung in Tripolis amtiert, endgültig für null und nichtig erklärt.

Dabei wurden aber erste Risse im Machtgefüge im Osten des Landes deutlich. Während Haftar bei seiner unnachgiebigen Linie blieb, streckte Parlamentschef Aguila Saleh vorsichtig die Hände Richtung Westen aus und bot bereits eine ähnliche politische Initiative an, wie sie nun in Kairo verkündet wurde. Damals wurde über einen möglichen Coup im Haftar-Land gemunkelt. Dass Saleh auf der Pressekonferenz in Kairo übrigens vor Haftar sprach, ist aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen.

Die Regierung in Tripolis geht auf die Kairoer Initiative bisher nicht ein. Wer sich auf der Siegerstraße fühlt, wie einst Haftar, ist nicht unbedingt daran interessiert, die bewaffnete Auseinandersetzung schnell zu beenden.

Wie es jetzt weitergeht, hat wahrscheinlich weniger mit den beiden libyschen Machtblöcken zu tun als mit deren auswärtigen Unterstützern. Denn klar ist: Die militärischen Erfolge der Regierung in Tripolis sind vor allem der Türkei geschuldet. Vor allem türkische Angriffsdrohnen wendeten das militärische Blatt. Andererseits hätte Haftar seine Offensive gegen Tripolis gar nicht ohne ägyptische und russische Militärhilfe und ohne umfangreiche Waffenlieferungen aus den Arabischen Emiraten beginnen können.

Der Schlüssel liegt in Moskau und Ankara

Mit den Erfolgen der Türkei war Russland in den letzten Wochen offensichtlich nervös geworden und hatte Kampfjets von Syrien in den Ostteil Libyens verlegen lassen. Damit hat Russland, das ohnehin schon hunderte von Söldnern auf der Seite Haftars in den Konflikt geschickt hat, sein Engagement in Libyen erhöht. Wird der russische Präsident Wladimir Putin Haftar retten, so wie er das zuvor mit Baschar al-Assad in Syrien getan hat? Oder setzen Russland und Ägypten auf Aguila Saleh und lassen Haftar fallen, um zu retten, was zu retten ist?

Wahrscheinlich ist, dass Russland und die Türkei unter sich ausmachen, wie es in Libyen weitergeht. Ein ähnliches Manöver haben sie schon einmal in Syrien vorgeführt, als sie miteinander vereinbarten, wo zwischen dem Assad-Regime und den Rebellen in Idlib eine Linie gezogen wird.

Auch diesmal könnten sie miteinander ausmachen, wie weit sie die Truppen aus Tripolis vorrücken lassen, mit türkischer Unterstützung, ohne dass sie von russischen Kampfjets angegriffen werden. Auch der Einsatz der ägyptischen Luftwaffe wäre denkbar, um die Milizen aus dem Westen aufzuhalten.

Wenn diese Linie gezogen ist, kommt Libyen vielleicht tatsächlich erstmals seit Jahren zu einer relativen Ruhe. Vielleicht beginnt dann endlich der politische Prozess, das Land zu befrieden. Dabei gibt es aber unzählige Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Doch eines ist sicher: Sowohl die Türkei als auch Russland haben sich mit ihrem militärischen Engagement in Libyen einen wichtigen Platz am Verhandlungstisch erobert.

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