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Ermittlungen gegen Polizisten in ParisEr sagte sieben Mal „Ich ersticke“

Im Januar starb der Lieferfahrer Cédric Chouviat bei einer Polizeikontrolle. Gegen die vier beteiligten Beamten läuft ein Untersuchungsverfahren.

Dorian Chouviat, die Witwe des verstorbenen Fahrers, bei einer Pressekonferenz Foto: Antony Paone/reuters

Paris taz | „Es ist für uns völlig unverständlich, warum die Technik des Würgegriffs (bei polizeilichen Festnahmen) nicht endgültig verboten wird. Denn es ist diese Methode, die den Tod meines Vaters verursacht hat“, hat Sofia Chouviat am Dienstag bei einer Pressekonferenz erklärt. Ihr Vater, ­Cédric Chouviat, war unter verdächtigen Umständen bei einer Kontrolle durch vier Polizisten am 3. Januar in Paris gestorben. Er war dort angehalten worden, weil er beim Lenken seines leichten Motorrollers telefoniert haben soll. Wie kann eine an sich banale Begegnung eines Motorradlieferanten mit der Polizei so dramatisch eskalieren?

Jetzt gibt es neue Einzelheiten, die den Fall in ein neues Licht stellen. Die Zeitung Le Monde und das Onlinemagazin Médiapart hatten Einblick in die Untersuchungsakten. Aufgrund der Transkription der sichergestellten Tonaufnahmen soll Cédric Chouviat zuletzt sieben Mal den Beamten gesagt haben: „Ich ersticke!“ Wie im Fall George Floyd in Minneapolis reagierten die Polizisten nicht auf diese Worte. Kurz darauf verlor Chouviat das Bewusstsein, die Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.

Urteil gegen Polizist wegen Prügelattacke auf 62-Jährige

Die Videos von der Festnahme Cédric Chouviats dienen jetzt auch der Aufklärung. Gegen die vier Beamten, drei Männer und eine Frau, läuft ein Untersuchungsverfahren. Am Montag mussten sie sich einem Verhör durch die Ermittler der Polizeiinspektion stellen. Die Aufnahmen, von denen eine von der an der Aktion beteiligten Polizistin stammt, belegen laut den Medien auch, dass die Beamten den Lieferanten geschubst und verbal provoziert haben, damit sie ihm als Motiv für eine Festnahme „Widerstand“ oder „Beschimpfung“ anlasten könnten. Chouviat habe sie bloß als „Clowns“ und „Kasper“ bezeichnet und gesagt, sie sollten sich nicht lächerlich machen.

Unter dem Eindruck der weltweiten Solidarität mit George Floyd wollte Innenminister Christophe Castaner den Würgegriff in Frankreich gerade erst verbieten. Wegen Protests der Polizeiverbände und der rechten Opposition hatte der Minister das Verbot aber wieder zurückgenommen.

Derweil ist am Dienstag ein Polizist wegen einer Attacke auf eine Gelbwesten-Demonstrantin zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Straßburger Strafgericht sprach den Mann schuldig, eine 62-Jährige bei einer Kundgebung im Januar 2019 mit seinem Schlagstock traktiert zu haben. Der Polizist darf nun fünf Jahre lang keine Waffe tragen und gilt als vorbestraft.

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4 Kommentare

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  • >Der Polizist darf nun fünf Jahre lang keine Waffe tragen und gilt als vorbestraft.<

    solche Urteile würde man sich auch in D wünschen.....

    im Verlauf der Ermittlungen zum G20 wurde 1 (!) Polizist zu einer geringen Strafe verurteil...



    weil er im Streit um ein Pfefferspray einen Kollegen verletzt hat.

  • Jeder Würgegriff nimmt das erwügen billigend in kauf. Erst recht, wenn, wie in diesem Fall offensichtlich von vornherein die Mißhandlung gewollt war.

  • Ein Teil der französischen Polizei demonstrierte gegen das angedrohte Verbot des Würgegriffs, warf die Handschellen auf den Boden und sang die Marseillaise am Arc de Triomphe.

    Wie soll man auch vernünftige Polizeiarbeit machen, wenn man niemanden mehr würgen darf?

    www.lefigaro.fr/ac...-triomphe-20200614

    • @Jim Hawkins:

      Vielleicht ist die Polizeiarbeit dann nicht vernünftig gelaufen, wenn man glaubt auf einen Würgegriff angewiesen zu sein?!