piwik no script img

Deutsche SchuldenpolitikGefährliches Versprechen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Finanzminister Olaf Scholz verspricht, der Staat werde neu aufgenommene Schulden zurückzahlen. Doch das würde in eine Wirtschaftsflaute führen.

Mit Wumms in die Schulden: Bundesfinanzminister Olaf Scholz Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago

D ie Summen sind gigantisch, die Finanzminister Olaf Scholz mit seiner „Bazooka“ in die deutsche Wirtschaft schießt, um die Coronakrise zu bewältigen. Allein im Jahr 2020 rutscht der Bundeshaushalt mit 218,5 Milliarden Euro ins Minus.

Es ist richtig, mit der Finanz-Bazooka zu ballern, um die Konjunktur zu stabilisieren. Trotzdem ist eine Idee des Finanzministers extrem gefährlich: Scholz verspricht, die staatlichen Coronaschulden in den nächsten zwanzig Jahren wieder zurückzuzahlen.

Auf den ersten Blick mag es zwar einleuchtend klingen, dass der Staat seine Schulden tilgt. Wenn eine Familie eine Hypothek aufnimmt, um ein Haus zu kaufen, muss sie diesen Kredit schließlich auch abstottern. Dennoch wäre es fatal, den Staat mit seinen Bürgern zu vergleichen.

Es würde eine schwere Wirtschaftskrise drohen, wenn die Bundesregierung tatsächlich anfinge, ihre Schulden zurückzuzahlen. Denn der deutsche Staat könnte seine Kredite nur tilgen, wenn er die Steuern erhöht. Doch sobald die Bürger mehr Geld ans Finanzamt abführen müssten, hätten sie weniger Mittel, um zu konsumieren. Die Nachfrage würde einbrechen, was dann in eine Wirtschaftsflaute führte. Die Coronakrise würde sich endlos verlängern. Es wäre auch keine Lösung, wenn der Staat versuchen würde, bei seinen eigenen Ausgaben zu kürzen, und beispielsweise beim Straßenbau sparte. Denn wieder würden Betriebe und Arbeitnehmer dadurch Einkommen verlieren, mit einer Wirtschaftsflaute als Resultat.

Staaten sind eben keine normalen Bürger. Sie zahlen ihre Schulden nicht zurück, sondern setzen darauf, dass die Kredite langsam bedeutungslos werden – indem die Wirtschaft wieder wächst.

Dieser Trick funktioniert bestens, wie bereits die Finanz- und die Eurokrise gezeigt haben. Zwischen 2008 und 2012 musste der deutsche Staat ebenfalls viel Geld in die Wirtschaft und die Banken pumpen. In der Folge stiegen die deutschen Staatsschulden um knapp 500 Milliarden Euro und lagen 2012 bei mehr als 2 Billionen Euro, was 80 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung entsprach. Doch danach ereignete sich ein „Sparwunder“: 2019 entsprachen die deutschen Staatsschulden nur noch 59 Prozent der Wirtschaftsleistung – obwohl der deutsche Staat in Wahrheit fast gar nicht gespart hatte. Von 2012 bis 2019 waren die Schulden nur um minimale 15 Milliarden Euro gesunken. Da aber die deutsche Wirtschaft unterdessen deutlich gewachsen war, machten die immer gleichen Schulden plötzlich nur 59 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.

Ein Staat wächst aus seinen Schulden heraus, statt sie zurückzuzahlen. Dies muss jetzt nur noch Finanzminister Scholz verstehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Aber was wären die Folgen im Inland, in der EU und an den Finanzmärkten wenn Scholz freimütig erklären würde, dass eine Rückzahlung der Kredite der er aufzunehmen beabsichtigt gar nicht geplant ist?

    • @Ingo Bernable:

      Keine, nichts, völlig egal.

  • Sehr geehrte Frau Herrmann,



    die Krise hat noch einmal richtig angefangen. Corona war nur der Zündfunke, keineswegs die Ursache. Es werden geschätzt 15% aller Unternehmen, denen es schon vorher schlechtging, jetzt endgültig pleitegehen. Deren Kredite werden ebenso uneinbringlich wie die ehemaligen Beschäftigten arbeitslos, was wiederum zu vielen Privatinsolvenzen führt, was wieder dazu führt, daß all diese armen Hascherl ihre Bankkredite für ihre Eigentumswohnungen nicht mehr zahlen können, was wiederum dazu führt, daß alle diese Immobilien "verwertet" werden. Und der Staat wird in Kürze dann auch noch zusätzlich einige pleitegehenden Banken retten müssen. Wir sehen, daß VW die wiederaufgenommene Produktion sofort wieder auf ein Minimum runtergefahren, weil keiner Autos kauft.Trotz dieser ganzen Coronahilfen gibt keiner Geld aus. Die Leute haben Angst vor Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Der Staat glaubt, daß die heilige Nachfrage durch das Ausschütten von Unmengen von Geld irgendwann mal anspringen muß. Die Anbieter von Waren und Dienstleistungen werden ihre Preise für die, die sich was leisten können, stark erhöhen müssen, um überhaupt was zu verdienen. Und dann werden die Leute was merken: Wer weiß, daß der Sprit morgen teurer wird, kauft heute ein. Und wenn das anfängt, hat es sich ausgebazookat. Dann lösen sich auch die Staatsschulden schnell auf.

    • @Thomas Schöffel:

      Das von Ihnen gezeichnete Modell ist weithin nur in sich selbst logisch, es hat mit der Wirklichkeit nur geringe Schnittmengen.

      Falls Unternehmen die Gunst der Stunde nutzen - u.a. Preise erhöhen, Menschen kündigen -, dann weil u.a. die Einkommens- und Vermögensverteilung in Europa (im Grunde weltweit) schon seit Jahren die Nachfrage schwächt, aber auch Vermögende und/oder Mächtige jegliche Innovation und Transformation behindern.

      • @Gerhard Krause:

        Äh, welche Vermögende und welche Mächtige behindern was? Und was für "Transformationen"? Sie sprechen in Rätseln.

      • @Gerhard Krause:

        Und wo sind da mit der Wirklichkeit keine Schnittmengen?

  • Kein Staat wird seine Schulden jemals zurückzahlen. Die Illusion wird noch ein paar Jahre/Jahrzehnte aufrecht erhalten. Dann kommt irgendwann der grosse Knall/Katastrophe/Supergau oder ähnliches und danach der Reset und Neustart mit dem was übrig blieb.

  • “Ein Staat wächst aus seinen Schulden heraus, statt sie zurückzuzahlen. Dies muss jetzt nur noch Finanzminister Scholz verstehen.”



    Olaf Scholz hat dies mittlerweile verstanden. Grundlage zum Kanzlerkandidaten somit gelegt...

  • Der Scholz versteht das sehr wohl, er will es bloß nicht sagen. Und wiederum 15 Milliarden oder so, die man zurückzahlen könnte, die werden sich in den nächsten Jahren auch noch finden lassen - damit man auch nicht gelogen haben wird.



    Und natürlich könnte der Staat bei seinen Ausgaben sparen bzw. in der Verwaltung effizienter werden und folglich nicht alle durch Pensionierung frei werdenden Stellen nachbesetzen müssen. Das will aber Scholzs Partei des öffentlichen Dienstes (wählt die sonst noch irgendwer?) natürlich erst recht nicht.

    • @Wurstprofessor:

      Bleiben Sie mal bei Ihrer Wurst, Herr Professor. Weder der öff Dienst, noch so ein Quatsch von Scholz&Kollegen hält das Land im Würgegriff, sondern der neoklassische Un-Sinn.

      Aber gern können wir in Ihrem Wohnbereich alles Öffentliche eindampfen. Ich wünsche viel Freude in der Steinzeit.

  • Laut offizieller Statistik ist die Staatsverschuldung Deutschlands gemäß Maastricht-Vertrag zwischen 2012 und 2019 von 2.227 Mrd. auf 2.053 Mrd € gesunken. Wie kommt die Autorin auf eine Reduzierung von nur 15 Mrd.? Was nicht (zur Ideologie) passt, wird passend gemacht....

  • So ein Quatsch, endloses Wachstum kann es nicht geben und das sollte man gerade hier auch nicht anders darstellen.

    Die Grundthese des Artikels - "Besteuerung schadet Wirtschaft" - stimmt nur bedingt, nämlich wenn dem konsumierenden Bürger das Geld weggenommen wird. Schöpft man stattdessen brachliegendes Kapital ab, merkt die Realwirtschaft garnichts davon (außer dem Gejammer im Wirtschaftsteil der FAZ…).

    Schulden sind ein Versprechen, wie alles Geld. Und das kann man brechen, sollte man aber nicht zu oft machen. Die Arbeitskraft der Menschen hingegen ist real und kann nicht aufgespart werden, und selbst Güter und Rohstoffe sind nur begrenzt lagerbar.