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Antirassimus-Demo in HamburgWie die Polizei für Ordnung sorgt

Am Ende der „Black Lives Matter“-Demos in Hamburg werden Dutzende, vorwiegend migrantisch aussehender junger Leute festgesetzt – stundenlang.

Einkaufstüte dabei: Inobhutnahmen am Hauptbahnhof Foto: Sebastian Peters/imago

Hamburg taz | Die Hamburger Polizei hat nach dem Ende der beiden Antirassismus-Demonstrationen am Sonnabend 35 Jugendliche und Jungerwachsene in Gewahrsam genommen – viele davon offenbar mit Migrationshintergrund. Bis zu zweieinhalb Stunden lang mussten sie, zeitweise mit erhobenen Händen, an einer Wand des Hauptbahnhofs stehen, bis sie auf mehrere Wachen verfrachtet und schließlich mitten in der Nacht auf freien Fuß gesetzt wurden.

„Es ist ein Skandal, dass Jugendlichen, die in Hamburg gegen rassistische Polizeigewalt demonstrieren, genau das angetan wird“, kommentierte Emily Laquer von der Interventionistischen Linken. Laquer hat Videoaufnahmen von der Szene am Hauptbahnhof bei Twitter veröffentlicht.

Die beiden Demonstrationen am Nachmittag – „Nein zu Rassismus! Gemeinsam sind wir stark!“ und „Solidarität mit den Geflüchteten und Lampedusa in Hamburg – Solidarität mit der Protestbewegung und der Black Community in Minneapolis!“ – waren mit 525 und 300 Teilnehmern angemeldet. Auf der Straße waren zwischen Rathaus, Jungfernstieg und Hauptbahnhof 14.000 vor allem jugendliche Demonstranten, davon viele mit Migrationshintergrund. Viele von ihnen nahmen zum ersten Mal an einer Demonstration teil.

Wegen der zu hohen Teilnehmerzahl zog die Polizei die Genehmigung für beide Kundgebungen zurück, bevor sie überhaupt begonnen hatten. Die Polizei teilte das wiederholt über Lautsprecher mit, was aber Zeugen zufolge viele Demonstranten gar nicht mitbekamen. „Die Versammlungsteilnehmer verhielten sich friedlich und kooperativ, sodass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und des Infektionsschutzes von Seiten der Polizei auf eine Auflösung verzichtet wurde“, teilte die Polizei mit.

Kooperative Demonstranten

Das sollte sich im Laufe des Nachmittages bei einem Teil der Demonstranten ändern. Um 16.45 Uhr seien Beamte aus einer Gruppe von rund 200 Leuten heraus mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen worden, teilte die Polizei mit. Auch ein Video auf Twitter zeigt eine solche Szene. Polizisten rannten auf die Demonstranten zu, sprayten Pfeffer und ließen Wasserwerfer vorrücken. Solche Szenen spielten sich an dem Nachmittag mehrfach ab.

Zu einem seltsamen Finale kam es laut Polizei um 20.15 Uhr am Hauptbahnhof. Bis dahin sei es wiederholt zu Angriffen auf Polizisten gekommen und es seien Hindernisse wie Baumaterial auf die Straßen gezogen worden. Im Zuge dessen nahm die Polizei 35 Menschen in Gewahrsam, darunter 13 Jugendliche und einen 13-Jährigen. „Nachdem diese Gruppe festgesetzt worden war, herrschte schlagartig Ruhe in der Innenstadt“, schreibt die Polizei.

Wie Passanten berichten und Videos zeigen, mussten sich die 35 in einer Reihe an der Südseite des Bahnhofs aufstellen. „Die Umstehenden reagierten sehr aufgebracht“, erinnert sich Carola Ensslen, Bürgerschaftsabgeordnete der Linken. Auf einer Videoaufnahme der Szene skandieren Umstehende mit hohen Stimmen „Aussageverweigerung“ und „no justice, no peace“.

Ensslen, die sich anderthalb Stunden am Ort des Geschehens aufgehalten hat, findet, die Polizei habe sich extrem viel Zeit gelassen mit den Festgehaltenen. Weil laut Einsatzleitung nichts Konkretes gegen die Leute vorgelegen habe, hätte es gereicht, deren Personalien festzustellen und sie laufen zu lassen. „Zum Teil standen die ganz schön bibbernd und verschreckt da“, erinnert sie sich.

An die Wand geschubst

Zeit Online berichtet von zwei jungen Women of Color, die nach eigener Aussage die ausfransende Demo längst verlassen hatten und auf dem Weg zu einem Imbiss arglos an den parkenden Polizeiautos vorbei liefen. Sie seien von Polizisten an die Wand geschubst worden und hätten dort mit vielen anderen ausharren müssen.

Viele der Festgehaltenen seien nicht von der Demo gekommen, sondern hätten Einkaufstüten dabei gehabt; eine sei von der Arbeit gekommen. Zu Telefonieren sei verboten worden. Eine der beiden 20-jährigen Frauen berichtet, sie sei ins Polizeipräsidium gebracht worden. Dort habe sie sich bis auf die Unterwäsche entkleiden müssen und sei in eine Einzelzelle gesteckt worden. Die andere wurde in einem Bus ins Kommissariat Billstedt verfrachtet. Beide mussten selbst sehen, wie sie mitten in der Nacht nach Haus kommen.

Die Augenzeugin Laquer resümiert:„Der Abend wäre ruhig verlaufen, hätte die Polizei sich zurückgehalten, statt zu eskalieren.“ Es gebe keine Rechtfertigung dafür Jugendliche durch die Stadt zu jagen und mit erhobenen Händen an die Wand zu stellen und festzunehmen. „Ich will wissen, wer zur Hölle für diesen rassistischen Polizeieinsatz verantwortlich ist. Und warum, verdammt, er noch nicht suspendiert ist.“

Die Vorwürfe hinterließen einen bitteren Nachgeschmack, twitterten die Hamburger Grünen. „Wir nehmen das sehr ernst und werden sie aufklären.“

Laut Polizei wurden an dem Abend weitere 13 Menschen festgenommen. Ihnen werde zum Teil schwerer Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und tätliche Angriffe auf Polizeibeamte vorgeworfen.

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3 Kommentare

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  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    "„Die Versammlungsteilnehmer verhielten sich friedlich und kooperativ, sodass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und des Infektionsschutzes von Seiten der Polizei auf eine Auflösung verzichtet wurde“, teilte die Polizei mit."

    Das war im Pepermölenbek bei der ersten G20-Demo irgendwie ganz anders.



    Obwohl damals genau wie am WE auch nur einige Teilnehmer maskiert maskiert waren.



    Damals war die Maskierung jedoch der Gesetzesbruch, der die Auflösung einer bis dahin friedlichen Demo rechtfertigten sollte.



    Der zehntausendfache Verstoß gegen Abstandsregeln, Maskenpflicht und Demoauflagen am WE war dagegen in den Augen der Polizei tolerabel.



    Obwohl er vermutlich einigen Menschen das Leben kosten wird.

    Wie passt das eigentlich noch zusammen?

  • Nun ja, die Polizeiverhältnisse in den USA sind für sehr viele PolizeibeamtInnen absolut vorbildlich und anstrebsam.



    Gerade auch die sog. "Polizeigegwerkschaften" fordern seit Jahren dass Polizeibeamte allein wegen ihren Standes von Bürgern "respektiert" werden müssten. (Und verweisen bei dieser Forderung auf die USA).



    Faktisch ist das Polizeihandeln gerade auch in Hamburg dabei noch wesentlich schlechter kontrollierbar, als in den USA und die Polizei hat, spätestens seit Schill, ein höchst gefährliches Eigenleben entwickelt.

    • @Wagenbär:

      Und das wird von der Spd gedeckt. Bei den Koalitionsverhandlungen hat sie ja gerade einen unabhängigen Polizeibeauftragten abgelehnt