Streit um „Bleiburg-Gedenkmesse“ in Sarajevo: Mit dem Segen der Kirche
Jedes Jahr erinnert die kroatische Rechte an gefallene Ustascha-Anhänger. Dieses Jahr will auch die katholische Kirche in Bosnien teilnehmen.
So wird im Stadtteil Marindvor dieser Tage mit an Laternenpfählen und Bäumen aufgehängten Puppen drastisch an die 55 Widerstandskämpfer erinnert, die kurz vor der Befreiung der Stadt am 6. April 1945 von der kroatischen Ustascha-Diktatur und der deutschen Besatzungmacht hingerichtet worden waren. Insgesamt wurden von 1941 bis 1945 mehr als 10.000 Menschen aus Sarajevo ermordet.
Auf dem Vraca-Hügel südlich von Sarajevo gibt es für sie ein Denkmal. Auf Steinplatten sind alle Namen der Ermordeten eingraviert – die Mehrheit davon Juden. 7.500 jüdische Bürger der Stadt sind ab 1941 in das kroatische Vernichtungslager Jasenovac und nach Auschwitz deportiert worden. Insgesamt sollen es mehrere Hunderttausend Menschen gewesen sein, die dem Ustascha-Regime zum Opfer gefallen sind.
Nach der Befreiung Sarajevos durch Partisanentruppen am 6. April 1945 mussten sich die deutschen und die Ustascha-Truppen nach Norden zurückziehen. Der Krieg war für sie verloren. Gemeinsam mit anderen mit den Deutschen kollaborierenden Truppen wie serbischen Tschetniks und slowenischen Heimwehrleuten, wollten sie sich in Bleiburg in Österreich den dort schon befindlichen britischen Truppen ergeben.
Tod durch Schnellgerichte
Was dann geschah, ist zum Teil noch nicht vollständig aufgeklärt. Tatsache ist, dass nicht nur der harte Kern der Ustaschen und Tschetniks, sondern auch Mitglieder der kroatischen und slowenischen Heimwehren, deren Mitglieder zum Militärdienst eingezogen worden waren, und auch Zivilisten sich dem Tross angeschlossen hatten.
Am 14. Mai erreichten sie Bleiburg, wo sie von den Briten auf einer Wiese interniert wurden. Einigen Führern gelang sogar die Flucht, so Ante Pavelić, Gründer der Ustascha-Bewegung, der 1959 in Spanien starb.
Am 16. Mai 1945 begannen die Briten, die verbliebenen, inzwischen entwaffneten Ustaschen und Tschetniks an die Partisanen auszuliefern – nach britischen Quellen bis zum 31. Mai genau 12.196 Kroaten, 8.263 Slowenen, 5.480 Serben und 400 Montenegriner. Als der noch jugendliche Partisan Mustafa Kapidžić nach Bleiburg einrückte, konnte er beobachten, wie Schnellgerichte der Partisanen bekannte Persönlichkeiten der Ustaschen und Tschetniks zum Tode verurteilten und die Urteile auch vollstreckten.
Andere Quellen berichten, dass der Großteil der Gefangenen auf einen Marsch durch Slowenien, Kroatien bis nach Mazedonien geschickt wurde. Auf dem Weg sollen Gefangene Racheakten zum Opfer gefallen sein, viele seien an Erschöpfung gestorben. Die Körper der Toten wurden in Slowenien teilweise in Karsthöhlen geworfen, wo ihre Überreste erst nach Jahrzehnten entdeckt wurden.
„Die Partisanen haben Rache geübt“, sagt der in Zagreb lebende Politikwissenschaftler und Philosoph Žarko Puhovski. Es war eine blutige Rache, geben auch heute noch lebende Partisanen zu. Doch sie verwehren sich gegen den kroatischen Geschichtsrevisionismus, der die Ereignisse von Bleiburg als eine Art Genozid an den Kroaten verklärt.
„Es war eine Rache an den Kollaborateuren mit den Nazis, eine Rache an den Feinden, nicht aber nationalistisch definiert“, sagt auch Puhovski. Der Kommandeur der Partisanen, Josip Broz, genannt Tito, war selbst Kroate, die Partisanen kämpften für einen multinationalen Staat und gegen jeglichen Nationalismus.
Nationalisten leugnen Verbrechen
Waren es anfänglich vor allem Angehörige, die trauerten, so ist das jährliche Totengedenken in Bleiburg in den letzten Jahren immer mehr einer verengten Erinnerungskultur gewichen.
Heute manifestiert sich dort kroatischer Nationalismus, monieren kroatische und bosnische Intellektuelle. Dagegen werden von den gleichen nationalistischen Kreisen die Untaten der Ustaschen geleugnet, die Gedenkfeiern in Jasenovac gestört und überlebende Opfer diffamiert, bedauern jüdische Gemeinden und serbische Opferorganisationen. Der Gruß der Ustaschen – „Für die Heimat bereit“ – wird von rechtsgerichteten Kreisen öffentlich benutzt.
Und die katholische Kirche? Seit der Unabhängigkeit Kroatiens ist sie immer mehr nach rechts gerückt, auch in Bosnien. Zwar kämpfen die Franziskaner in Sarajevo gegen den nationalistischen Chauvinismus der bosnischen Kroaten unter Führung von Dragan Čović, doch der hat offenbar die Oberhand gewonnen und den Kardinal für seine Kampagne eingespannt. Čović warf Kritikern vor, die freie Religionsausübung zu behindern.
Sein Gegenspieler, der sozialliberale Vertreter der Kroaten im bosnischen Staatspräsidium, Zelko Komšić, konterte: „Für Faschisten zu beten ist ein Akt, der allen zivilisierten Werten widerspricht.“
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