piwik no script img

Abgelehntes AuskunftsbegehrenReferendarin verklagt Geheimdienst

Eine Rechtsreferendarin möchte wissen, was der Verfassungsschutz über sie gespeichert hat. Der fühlt sich ausgespäht und mauert. Jetzt klagt die Frau.

Unangenehm aufgefallen: Verdächtiger in der Sperrzone im Schanzenviertel Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) weigert sich, einer Frau Auskunft darüber zu geben, ob es Daten zu ihrer Person gespeichert hat. Begründung: Durch eine solche Auskunft drohe „die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise“ des Landesamtes. Dabei sieht das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz einen solchen Auskunftsanspruch in Paragraph 23 ausdrücklich vor. Deshalb hat die Rechtsreferendarin jetzt Klage eingereicht.

Marleen Neuling gehört zu der Hochschulgruppe „Kritische Jurastudierende“ (KJS) an der Uni Hamburg. Im Vorfeld des Kongresses des Bundesarbeitskreises kritischer Jurastudierender (BAKJ) 2019 in Hamburg befasste sich die Hochschulgruppe mit der skandalträchtigen Arbeit des Verfassungsschutzes.

Bei der Veranstaltung in der Roten Flora wurden die Teilnehmer auf den Auskunftsgenerator der Roten Hilfe hingewiesen, mit dem sich auf standardisierte Weise abfragen lässt, ob und welche Daten von sich selbst bei den Sicherheitsbehörden gespeichert sind. Der Generator ist Teil der Überwachungs- und Datenschutz-Plattform datenschmutz.de. Das Wiki soll Leuten helfen, die sich nicht strafbar gemacht haben und bloß in den Datenbanken landen, weil sie zur falschen Zeit auf der falschen Demo waren.

Insgesamt gab es in Hamburg 2019 vier Veranstaltungen der Datenschmutzkampagne. Bei der Auftaktveranstaltung am 11. April in der Roten Flora füllte auch Neuling Online-Formulare mit Anfragen an diverse Behörden aus. Von allen habe sie Antwort bekommen, sagt sie, außer vom Verfassungsschutz.

Wir wollten zeigen, dass es dieses Recht gibt und dass die demokratische Kontrolle funktioniert

Marleen Neuling, Klägerin

Bei der Veranstaltung „Was darf eigentlich der Verfassungsschutz“ hätten 35 Leute gleiche Auskunftsersuchen gestellt, rechtfertigt sich das Landesamt. Das lasse „den Schluss zu, dass es sich hierbei um eine konzertierte Aktion zum Zwecke der Ausspähung des Verfassungsschutzes handele“, steht in dem Widerspruchsbescheid der Behörde an Neuling, der der taz vorliegt.

Warum eine Ausspähung drohe, plausibilisieren die Hamburger ausgerechnet mit dem Versagen einer Schwesterbehörde. In einem Verfahren 2018 vor einem niedersächsischen Verwaltungsgericht habe der dortige Verfassungsschutz Dokumente nicht ausreichend geschwärzt, sodass es der linken Szene gelang, die Identität eines V-Mannes aufzudecken. In der Folge trat die Präsidentin des Landesamtes, Maren Brandenburger, zurück.

„Das Auskunftsersuchen gewann damit in der linksextremistischen Szene als Mittel der Enttarnung von Vertrauensleuten an Bedeutung“, heißt es in dem Bescheid. Konkret wäre es durch eine „koordinierte zeitlich eng beieinanderliegende gemeinsame Abfrage“ zu einem Phänomenbereich möglich, „durch eine Zusammentragung der Auskünfte einen detaillierten Einblick in den Erkenntnisstand des LfV Hamburg zu erhalten“.

Neuling verwahrt sich gegen diesen Vorwurf. „Das ist eine massive Unterstellung“, sagt sie. Den Antrag habe sie, wie die anderen Teilnehmer der Veranstaltung, gestellt, um als Kontrollorgan für den Verfassungsschutz zu wirken. Auch ihre Mutter habe einen Antrag gestellt. Wenn nur Leute anfragten, die befürchteten, dass über sie etwas gespeichert sei, stigmatisierten sich diese automatisch selbst.

„Wir wollten darauf hinweisen, dass es dieses Recht gibt, es zur Anwendung bringen und zeigen, dass die demokratische Kontrolle funktioniert“, sagt Neuling. In diesem Zusammenhang sei es natürlich misslich, wenn der Verfassungsschutz sich verweigere. Der Geheimdienst könne ja auch einzelne Informationen schwärzen. „Aber gar nicht zu antworten“, sagt sie, „das geht nicht.“ Der Verfassungsschutz konnte sich auf Anfrage der taz nicht bis Redaktionsschluss äußern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • @KRISTINA



    Ich muss Sie da korrigieren:



    "nur, wenn man den Anschein erweckt oder in Verdacht gerät einer politisch extremen Gruppierung anzugehören

  • Der Verfassungsschutz ist ein wichtiges Instrument um unsere Demokratie zu schützen. Ausspähung droht nur, wenn man einer politisch extremen Gruppierung angehört.

    • @Kristina:

      "Der Verfassungsschutz ist ein wichtiges Instrument um unsere Demokratie zu schützen."



      Was zu beweisen wäre. Abgesehen davon, dass es schon das Konzept die Demokratie mit geheimdienstlichen und damit nicht-demokratischen Mitteln schützen zu wollen höchst fragwürdig ist, wäre auch die Frage der tatsächlichen Wirksamkeit zu stellen. Da wäre etwa der Umstand, dass der VS - glücklicherweise - keine Exekutivberechtigungen hat, eine Beobachtung also eher indirekte Folgen über die damit verbundene Stigmatisierung hat, oder die Tatsache, dass über den Weg der V-Mann-Gehälter massive Summen in die Finanzierung von Neonazi-Strukturen flossen und Straftaten mit der Begründung des Quellenschutzes gedeckt werden.



      Weiter würde ich dem VS unterstellen an rechte und linke Aktivitäten höchst unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. Während es etwa eine Ewigkeit dauerte den offen rechtsradikal agierenden AfD-Flügel auch nur als Prüffall einzustufen, reicht es auf linker Seite mitunter sich beispielsweise gegen ein eher sachpolitisches Thema wie Gentrifizierung zu engagieren um mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht zu werden.



      Um die Demokratie zu schützen gäbe es weitaus bessere Konzepte als eine Schlapphut-Agentur deren Denken offensichtlich im Kalten Krieg steckengeblieben ist, wie etwa eine politische und finanzielle Stärkung entsprechend engagierter NGOs oder die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung unter zivilgesellschaftlicher Kontrolle.