Bolsonaro entlässt Gesundheitsminister: Beliebter Kollege muss gehen
In Brasilien hat der rechte Präsident Jair Bolsonaro seinen Gesundheitsminister gefeuert. Dieser nahm die Pandemie ernster als der Präsident.
Der Minister hatte sich mehrfach gegen Bolsonaro aufgelehnt und versucht, strikte Corona-Auflagen gegen den Willen des rechtsradikalen Staatschefs durchzusetzen. Aus Protest gegen die Entlassung des beliebten Ministers traten in vielen brasilianischen Städten Menschen an die Fenster und schlugen laut auf Töpfe und Pfannen.
Bolsonaro hat die von dem neuartigen Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 als „kleine Grippe“ bezeichnet und sieht im weltweiten Kampf gegen das Virus eine „Hysterie“. Er selbst setzte sich demonstrativ über Vorsichtsmaßnahmen hinweg.
Mandetta hatte sich dagegen an die internationalen Empfehlungen gehalten und versucht, die Regeln der sozialen Distanz in Brasilien durchzusetzen. Während Bolsonaros Beliebtheit in Umfragen sank, wurde Mandetta bei seinen Landsleuten immer populärer.
Ovationen für geschassten Minister
„Die Wissenschaft ist das Licht“, erklärte Mandetta bei einer Pressekonferenz nach seiner Entlassung. Kurz zuvor war er im Ministerium von seinen Beamten mit stehenden Ovationen begrüßt worden.
Bolsonaro gab seinerseits eine Pressekonferenz, bei der er von einer „Trennung im gegenseitigen Einverständnis“ sprach. „Das Heilmittel darf nicht schädlichere Nebeneffekte als die Krankheit selbst haben“, sagte der Präsident. Für ihn habe in der Corona-Krise die Bewahrung der Arbeitsplätze Priorität.
Mandetta scheint am Sonntag eine rote Linie überschritten zu haben, als er dem Sender TV Globo sagte, die Brasilianer wüssten nicht mehr, „ob sie auf den Minister oder den Präsidenten hören“ sollten.
Die Äußerung zeigte deutlich das Zerwürfnis in der Regierung und kostete den Minister die Unterstützung des Militärs, das bis dahin zu ihm gehalten hatte. In den Medien war schon lange über eine Ablösung Mandettas spekuliert worden.
Das Oberste Gericht und der Kongress kritisierten in Stellungnahmen das Verhalten von Bolsonaro. Dieser warf Mandetta vor, sich als „Star“ der Regierung aufzuspielen.
Zum Nachfolger Mandettas ernannte Bolsonaro den Onkologen Nelson Teich. Bei seiner ersten Pressekonferenz als neuer Gesundheitsminister des südamerikanischen Landes sagte Teich, er werde keine „abrupte Entscheidung“ hinsichtlich einer Lockerung der Corona-Beschränkungen treffen.
Bolsonaro drängt auf Normalisierung
Bolsonaro drängt hingegen auf eine baldige Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten. „Das Leben hat keinen Preis. Aber die Wirtschaft muss wieder zum Normalbetrieb zurückkehren, um die Beschäftigung zu sichern. Nicht so schnell wie möglich, aber wir müssen nun über Lockerungen nachdenken.“
„Die Absichten des neuen Ministers sind nicht klar, aber Bolsonaro hätte ihn nicht genommen, wenn er nicht auf der gleichen Wellenlänge wäre“, sagte der Politikwissenschaftler Vinícius Oliveira von der Universität in São Paulo.
Offiziellen Angaben zufolge starben in Brasilien bislang mindestens 1924 Menschen nach einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus. Mindestens 30.425 Menschen infizierten sich mit dem Erreger, der die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann.
Experten halten diese Zahlen jedoch für viel zu niedrig und gehen von hunderttausenden Infizierten in dem 210-Millionen-Einwohnerland aus. Das Land nur über unzureichende Testkapazitäten. Das öffentliche Gesundheitswesen ist besonders außerhalb von Städten unzureichend. Der Höhepunkt der Pandemie in Brasilien wird für Mai oder Juni erwartet.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen