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Warten auf den Tag X

Immer mehr Lockerungen des Shutdowns werden in Aussicht gestellt – bloß nicht fürs Theater. Gefährlich werden könnte das vor allem für die Kinder- und Jugendsparte

So sah es vor 15 Jahren am Bremer Theater aus, als das Haus kurz vor der Insolvenz stand. Vielleicht liegt das Transparent ja noch im Fundus – und wird demnächst wieder aufgehängt Foto: Ingo Wagner/dpa

VonJens Fischer

Wie geht es in Bremen weiter beziehungsweise: Wann geht es wieder los mit öffentlichen Konzerten, Lesungen, Filmvorführungen – und Theater? Trotz Anwesenheit des Kultursenators Andreas Bovenschulte (SPD) bei der Senatspressekonferenz am vergangenen Dienstag war dazu nichts zu erfahren.

Unter anderem Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sind da weiter, haben die aktuelle Theatersaison bereits offiziell abgebrochen. Auch das Theater Bremen werde die nächsten vier Monate nicht spielen, vermutet Intendant Michael Börgerding während einer extra einberufenen Pressekonferenz. Er gehe davon aus, „dass das bis 31. August bundesweit geltende Verbot von Großveranstaltungen in Bremen auch auf uns zutrifft“. Und dass dies auch für Aufführungen in der 60-Plätze-Spielstätte Brauhauskeller und für alle anderen Bühnen gelten könnte.

Solange das Kontaktverbot in Kraft sei, mache Theater ja eh kaum Sinn, sagt der kaufmännische Geschäftsführer Michael Helmbold. Denn so dürfe nur jeder dritte Platz verkauft werden und jede zweite Reihe müsse frei bleiben, sodass sich auf den 860 Plätzen des Theaters am Goetheplatz maximal 106 Menschen verlören und auf den 200 Stühlen des Kleinen Hauses nur 26 ZuschauerInnen.

Was tun also? Andere Bühnen stellen derzeit Online-Spielpläne mit Streamings eigener Produktionen bereit, fix geschriebene Stücke zum Leben in Zeiten von Corona werden digital aufbereitet. Zu politisch virulenten Themen gibt es Podcasts und interaktive Erzählungen. Künstlerische Ausdrucks- und Diskursmittel werden also zumindest gesucht.

Die Bremer Bühnen scheinen sich hingegen in Resignation eingerichtet zu haben. Schwankhalle, Theaterschiff, Packhaustheater und GOP sind für die Öffentlichkeit inaktiv, das Fritz hat nur einen Werbetrailer für eine ausgefallene Premiere online gestellt. Christian Aumer und Ralf Knapp zelebrieren fürs Kriminaltheater die Geistesblitze von Sherlock Holmes als gemütliche Lesung. Im Schnürschuhtheater feiert ein Schauspielerduo für die Website einige Pointen aus Sven Regeners „Herr Lehmann“. Das Figurentheater streamt „Die Prinzessin auf der Erbse“. Mit ihrem Hausgott, den eigenen Inszenierungen und der aktuellen Situation setzt sich die Bremer Shakespeare Company (BSC) in Videoclips auseinander.

Wer aber dachte, das Theater würde besonders kreativ mit der Situation um- und mit einer künstlerischen Idee vorangehen, sieht sich getäuscht: Das Haus beschränkt sich auf kurze Videos einiger KünstlerInnen, die Gedichte rezitieren, Bücher vorlesen, Hausmusik und Backrezepte ausprobieren, Yoga-Anleitungen geben oder etwas aus den abgesagten Proben zitieren.

Die Beschränkung auf diese schnell ausgereizten Social-Media-Formate begründet Börgerding damit, dass etwa Aufführungsstreamings nicht die künstlerische Qualität hätten, die er für sein Haus beanspruche. Konkret zur Entwicklung eigener Formate sagte der Intendant auf Nachfrage: nichts. Er spricht nur davon, das Haus werde intern „langsam wieder hochgefahren“. Renate Heitmann vom BSC-Leitungsteam hat kürzlich vorgeschlagen, im Sommer könnten sich Bremer Theater zusammentun und ein Open-Air-Festival organisieren, „nur für eine begrenzte Anzahl an Zuschauern“ an „schönen Orten in der Stadt“. Der Frage, ob das Theater Bremen dort mitmachen würde, begegnet Börgerding mit großer Skepsis.

Die fehlenden Einnahmen des Theaters werden durch das Kurzarbeitergeld kompensiert

Sorgen muss man sich über das Haus aber nicht machen. Denn die monatlichen Einnahmeausfälle von 300.000 Euro seien dank des Kurzarbeitergeldes zu kompensieren, so der Intendant. Helmbold erklärt, von den 440 MitarbeiterInnen seien derzeit 350 in Kurzarbeit. Deren Löhne spart sich das Theater also. Angenommen, bei jedem von ihnen wären das nur 2.000 Euro, hätte man in vier Wochen mehr als doppelt so viel Geld weniger ausgegeben als weniger eingenommen. Aus sozialen Gründen werden übrigens etwa zehn freiberuflichen GastkünstlerInnen weiterhin Gagen gezahlt, obwohl sie nicht auftreten können – derzeit zu 100 Prozent, ab Mai zu 90 Prozent.

Bisher, so Börgerding, war die Spielzeit an der Kasse die erfolgreichste seiner acht Jahre in Bremen. Bis zum Aufführungsverbot konnten 3.000 BesucherInnen und 100.000 Euro mehr gezählt werden als je zu diesem Saisonzeitpunkt in der Ära Börgerding/Helmbold, die mit der nächsten Spielzeit endet. „Vertragsverlängerungsgespräche sind erst mal in den Hintergrund gerückt“, so Helmbold.

Alle Konzentration gelte dem langsamen Umschalten vom Krisen- in den Repertoirespielplanmodus. „Sehr optimistisch planen wir den Start für September“, so Börgerding. Von Schließung bedroht sei aber die Kinder- und Jugendsparte, wenn Verbote für schulische Aktivitäten wie Theaterbesuche über die Sommerferien hinaus gelten würden.

Dass Kulturpolitik in Bremen bald wieder deutlich mehr bedeutet als Kulturverbot, darauf lässt eine Aussage der Staatsrätin Carmen Emigholz hoffen. Die kürzlich vereinbarten Erhöhungen der Kulturausgaben würden „mit ganz wenigen, kleinen Änderungen“ in den Doppelhaushalt 2020/21 eingebracht, der im Juli beschlossen werden soll. Eine Taskforce sei zur Überwachung eingesetzt, damit Ausgaben für Corona-Hilfeleistungen keinen negativen Einfluss auf die Ausgaben gemäß dem Kulturhaushalt haben.

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