: „Ein Festival braucht Auseinandersetzung“
Kein Ersatz um jeden Preis: Auch die Hamburger Dokumentarfilmwoche wurde gerade Pandemie-Opfer. Die Macher*innen wollen einen Teil des Programms im Kino zeigen – irgendwann
Von Wilfried Hippen
taz: Frau Strohkark, wie haben Sie erfahren, dass Ihr Festival, die Dokumentarfilmwoche Hamburg, in diesem Jahr ausfällt?
Antje Strohkark: Ich war gerade dabei, unserer Anzeige zu schalten, bei den Fahrgastnews in den Hamburger U-Bahnen. Da wurde am 16. März bekannt, dass alle Kinos in Hamburg geschlossen würden. Wir hatten schon so etwas befürchtet, aber noch gehofft, zumindest in unserem Festivalzentrum, den Fux-Lichtspielen mit 25 Plätzen, ein paar Filme zeigen zu können. Aber auch das war danach unmöglich.
Wie viel Arbeit hatten Sie und Ihr Team da schon in die Vorbereitung gesteckt?
Wir sind ein 12-köpfiges überwiegend ehrenamtlich arbeitendes Kollektiv und haben schon im Laufe des letzten Jahres etwa 150 Filme gesichtet. Im späten Herbst begann dann der Kuratierungsprozess. Wir haben uns auf mehreren Treffen auf das Programm mit 43 Veranstaltungen geeinigt. Dann mussten Text und Grafik für das Programmheft erarbeitet werden, ein Trailer wurde produziert, die Website gestaltet, Gäste eingeladen und Tickets gebucht …
Hat die Absage Konsequenzen für den veranstaltenden Verein?
Wir waren in der glücklichen Position, dass wir mit allem schon fertig waren, als die Nachricht kam. Die Förderung der Hamburger Kulturbehörde wurde voll ausbezahlt. Auch bei den Mitteln von der Hamburgischen Kulturstiftung gibt es meines Wissens keine Ausfälle.
Eine Alternative wäre gewesen, das Programm online zu stellen was zum Beispiel das Dokumentarfilmfestival “CPH:DOX“ in Kopenhagen gemacht hat. Konnten oder wollten Sie so was nicht?
Technisch wäre das sicher machbar gewesen, doch wir haben uns sehr schnell dagegen entschieden.
Warum?
Weil für uns das Festival ein Ort der Auseinandersetzung sein soll, und die kann nur gemeinsam mit den Gästen an dem sozialen Ort Kino stattfinden. Dieses diskursive Format wollten wir nicht aufgeben.
Eine schöne Idee war es, eine abgespeckte Version des Festivals stattfinden zu lassen – in einem Autokino.
Anfang April wurden in anderen Städten Vorführungen in Autokinos organisiert. Wir dachten, das wäre auch für uns genau das Richtige: Wir wollten für drei Tage im gleichen Zeitraum wie unser Festival ein Pop-up-Autokino veranstalten. Das zuständige Bezirksamt Hamburg-Altona hat unsere Anträge dazu auch sehr wohlwollend geprüft. Die technischen Probleme – etwa mit den Frequenzen für die Autoradios – hatten wir schon gelöst.
Warum ist daraus trotzdem nichts geworden?
Die Wirtschaftsbehörde hat das Projekt abgelehnt, weil in Hamburg eine strenge Eindämmungsverordnung zur Nichtdurchführung von Veranstaltungen gilt. Und nach deren Meinung gab es ein Problem mit den sanitären Anlagen. Aber wir haben noch nicht aufgegeben.
Was heißt das genau?
Sofern es zu Lockerungen kommt, wollen wir im Mai ebenfalls an drei Tagen jeweils einen Film aus unserem Programm zeigen.
Antje Strohkark 56, ist ehrenamtliche Sprecherin der Dokumentarfilmwoche Hamburg, macht aber auch hauptberuflich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Planen Sie das Festival selbst nachzuholen, zumindest teilweise?
Da gibt es mehrere Optionen. Eine Möglichkeit besteht darin, im Herbst in einem unserer Partnerkinos – B-Movie, Lichtmeß und Metropolis – einmal im Monat Filme aus unserem Programm zu präsentieren, bei denen die FilmemacherInnen dann auch anwesend sein könnten. Außerdem hat das Filmfest Hamburg uns zu einer Kooperation eingeladen.
Wie bereitwillig machen Sie derzeit Pläne?
Das Filmfest beginnt ja erst Ende September und hat bis jetzt noch nicht abgesagt. Wir haben uns sehr über das Angebot gefreut. Aber es ist uns wichtig, dass wir bei solch einer Zusammenarbeit unsere Eigenständigkeit behalten.
Zwar wird das Festival in der ursprünglichen Form nie stattfinden. Aber Sie haben das geplante Programm online gestellt.
Unser Newsletter hat mehr als 1.000 AbonnentInnen, was zeigt, dass sich viele Menschen für unser Programm interessieren. Sie sollten die Möglichkeit haben, es sich anzusehen. Außerdem sind wir unseren GeldgeberInnen verpflichtet. Vor allem haben wir es aber aus Respekt getan: vor der Arbeit des Kollektivs, der FilmemacherInnen und der Partnerkinos. Wir gehen ja auch davon aus, dass wir Teile des Programms noch zeigen können.
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