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„Corona in der Welt“ – KambodschaCorona und die Diktatur

Kambodschas autoritärem Langzeitherrscher Hun Sen verhilft die Viruspandemie zu einem Notstandsrecht, das ihm sehr gelegen kommt.

Hun Sen spielte zunächst das Virus herunter, bevor er dessen Nützlichkeit entdeckte Foto: Heng Sinith/ap
Von Nop Vy

PHNOM PENH taz | Seitdem Kambodschas Regierung Anfang April die Notwendigkeit für ein Notstandsgesetz mit der Coronakrise begründet hat, fürchten Menschenrechtsaktivisten, dass Premierminister Hun Sen es missbrauchen könnte, um seine Macht über die Pandemie hinaus auszuweiten.

Denn der Entwurf gibt der Regierung nahezu unbegrenzte Befugnisse, die Versammlungs- und Redefreiheit bei Bedrohung der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung wie auch in Zeiten einer Gesundheitskrise einzuschränken. Damit erhalten die Behörden weitreichende Befugnisse, Menschen nach Gutdünken festzunehmen.

Der Regierung wird so auch ermöglicht, die Informationsfreiheit einzuschränken und Telefone und Internet zu überwachen. Berichte, die nach Meinung der Regierung „Angst in der Öffentlichkeit, Chaos, einen Schaden für die nationale Sicherheit oder Missverständnisse über den Staat verursachen“, können verboten werden.

Human Rights Watch (HRW) nannte am 2. April das Notstandsgesetz eine Rezept für eine Diktatur. „Die Covid-19-Krise ist ein Vorwand für Hun Sen, sich für die Zeit nach der Krise unbegrenzte Befugnisse zu sichern“, heißt es in einer Erklärung der Menschenrechtsorganisation. Laut Brad Adam, dem Asiendirektor von HRW, wird das Gesetz Hun Sens „diktatorische Herrschaft legal und offiziell machen“.

Vorwurf Verbreitung von „Fake News“

In Kambodscha haben die Behörden bis Ende März mindestens 17 Social-Media-Nutzer festgenommen, beschuldigt oder eingeschüchtert, Fake News über Covid-19 verbreitet zu haben. Darunter waren mindestens vier Aktivisten der oppositionellen Nationalen Rettungspartei (CNRP), die verhaftet wurden. Andere wurden belehrt und verwarnt.

Der im Exil lebende Politologe Kim Sok erklärte auf Facebook, das Notstandsgesetz würde dem Premierminister unbegrenzte Befugnisse geben. „Dieses Gesetz ist ein Instrument, um die Macht der Familie Hun Sen zu stärken“, sagte Kim Sok. „Hun Sen drängt auf den Ausnahmezustand, um auch mit Waffengewalt vorgehen zu können.“

Dabei muss die Regierung der Nationalversammlung und dem Senat dann regelmäßig über den Gebrauch der Notstandsbefugnisse berichten. Beide Gremien können von der Regierung Informationen fordern, um so eine Kontrolle auszuüben.

Aber die seit mehreren Jahrzehnten regierende kambodschanische Volkspartei (CPP) hält seit der letzten und von der Opposition boykottierten Wahl 2018 alle 125 Sitze in der Nationalversammlung. Und Hun Sen ist bereits seit 32 Jahren Premierminister.

Menschenrechtsorganisationen unter Druck

Kambodscha hat 2017 den Weg zur Demokratie verlassen. Seitdem wurden ein Dutzend unabhängiger Medien geschlossen. Mehrere lokale Menschenrechtsorganisationen wurden beschuldigt, mit Anführern von Massenprotesten im Ausland in Kontakt zu stehen und gezielt die oppositionelle CNRP zu unterstützen.

Daraufhin hat der Oberste Gerichtshof im November 2017 die Auflösung der Partei angeordnet. Deshalb durften 118 CNRP-Politiker nicht mehr an Wahlen teilnehmen und 5.007 gewählte Gemeinde-, Bezirks- und Provinzräte der CNRP wurden durch Vertreter der Regierungspartei ersetzt. CNRP-Führer flohen ins Exil, wurden ins Gefängnis gesteckt oder unter Hausarrest gestellt.

Doch Chin Malin, der Sprecher des Justizministeriums, forderte jetzt gegenüber einem Reporter von Voice of Democracy (VOD) die Bevölkerung dazu auf, den staatlichen Maßnahmen zur Sicherheit und zur Stabilität zu folgen. „Die Menschen und die Zivilgesellschaft brauchen sich keine Sorgen zu machen. Dieses Gesetz kommt der gesamten Gesellschaft zugute“, sagte er.

Aus dem Englischen Sven Hansen

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