piwik no script img

Polizei langt zu – ohne Handschuhe

Hamburger demonstrierten mit Schutzvorkehrungen für Geflüchtete. Die Polizei schritt dennoch rabiat ein

Die Versammlungsfreiheit hängt Hamburgs Polizei ein Stück tiefer als die Demonst­rant*­innen in Wilhelmsburg Foto: Jannis Große

Von Sarah Zaheer

Die Hamburger Polizei hat am Wochenende eine Kundgebung im Stadtteil Wilhelmsburg gewaltsam aufgelöst. Auch in Hamburg hatten am Sonntag viele Menschen am bundesweiten Aktionstag „Wir hinterlassen Spuren – Leave No One Behind“ an verschiedenen Orten in der Stadt teilgenommen, um die sofortige Evakuierung der Geflüchtetencamps in Griechenland zu fordern.

Etwa 20 Menschen standen auf dem sonst belebten Wilhelmsburger Stübenplatz, um mit Plakaten und Transparenten auf die Situation von Geflüchteten aufmerksam zu machen. Dabei hielten sie mehrere Meter Abstand voneinander und trugen mehrheitlich Mundschutz. Ein Demonstrant beschreibt, dass nach etwa einer halben Stunde die Polizei kam, um die „verbotene Versammlung“ aufzulösen. Grund dafür ist das geltende Versammlungsverbot aufgrund der Corona-Lage. Er habe Namen und Adresse sagen müssen, habe einen Platzverweis erhalten und daraufhin den Ort verlassen. Die Polizei bestätigt, dass sich ein Großteil der Aktivist*innen nach Eintreffen der Polizei „entfernt“ habe.

Der freie Fotojournalist Jannis Große dokumentierte den nachfolgenden Eingriff der Polizei, der zur gewaltsamen Festnahme zweier Teilnehmer*innen führte. Er berichtet, dass eine Demonstrantin, welche bereits dabei war, zu gehen, aufgefordert worden sei, sich auszuweisen. Nachdem die Frau der Aufforderung nicht nachgekommen sei, habe die Polizei eine Durchsuchung angedroht. Die Demonstrantin habe in Hinblick auf das Kontaktverbot geäußert, dass die Beamt*innen sich ihr nicht mehr als auf zwei Meter nähern sollten. Die anwesenden Polizeibeamt*innen hätten weder Mundschutz noch Handschuhe getragen.

Daraufhin seien ihr mehrere Polizeibeamte hinterhergelaufen, hätten „Zwang angewendet“ und sie festgehalten, so Große. Ein weiterer Demonstrant sei dazwischengegangen. Dieser „versuchte, die Einsatzkräfte durch Gewalt an dieser Personalienfeststellung zu hindern“, so ein Polizeisprecher.

Große beschreibt, dass der Mann lediglich seinen Arm in die Gruppe der Polizist*innen gehalten und sich mündlich eingemischt habe, bevor er schließlich durch die Polizei „rabiat zu Boden geschmissen“ worden sei. Ein Polizeibeamter habe mehrere Minuten lang auf ihm gekniet und die Lippe des Demonstranten habe vom Aufprall geblutet.

Man ermittle nun „wegen versuchter Gefangenenbefreiung“, teilte die Polizei mit. Beide Beteiligten seien nach Aufnahme der Personalien entlassen worden. Am Wochenende war es auch in anderen Teilen der Stadt zu Platzverweisen und Bußgeldern für Aktivist*innen gekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen