Rechte Prepper-Gruppe Nordkreuz: Munition aus ganz Deutschland
taz-Recherche: Wie ein Ex-SEK-Polizist Behördenmunition aus mindestens sieben Bundesländern gehortet hat.
Der 49-jährige Polizist Marko G., wurde Ende 2019 erstinstanzlich auf 21 Monate Bewährung unter anderem wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt. Ermittler hatten bei ihm rund zwei Dutzend Waffen, Teleskopschlagstöcke, eine Machete und rund 55.000 Schuss Munition gefunden. Nicht alles davon war legal. Der Weg der Munition von den betroffenen Behörden zu Marko G. ist bis heute ungeklärt. „Nähere Feststellungen dazu, wie die einzelnen Positionen an den Angeklagten gelangt sind, konnten nicht getroffen werden“, heißt es im schriftlichen Urteil des Landgerichts Schwerin, das der taz vorliegt. Ein mutmaßlicher Diebstahl von Seitens Marko G. spielte vor Gericht keine Rolle.
Offiziell wird noch gegen drei weitere Polizisten ermittelt, die ihm bei der Munitionsbeschaffung geholfen haben könnten. Sie waren in derselben SEK-Einheit wie Marko G. tätig.
Tausende Patronen, die bei Marko G. gefunden wurden, waren direkt an das SEK Mecklenburg-Vorpommern geliefert worden, das jahrelang auf dem Schießplatz in Güstrow trainierte, an das LKA oder – etwas allgemeiner – an die Landespolizeiverwaltung. Zahlreiche weitere Patronen stammen von Polizeibehörden, die auf dem Schießplatz in Güstrow trainierten. Um den Weg der Munition nachzuzeichnen, wurden alle Innenministerien der betroffenen Bundesländer von der taz befragt, Wettbewerbslisten und Munitionslisten aus dem Gerichtsprozess ausgewertet.
Daraus geht beispielsweise hervor, dass mehr als 1900 Patronen aus Nordrhein-Westfalen stammten. Mitglieder mehrer Spezialeinheiten von dort waren immer wieder in Güstrow. 102 Patronen wurden im Mai 2018 an das Polizeiverwaltungsamt Sachsen geliefert. Im Juli 2018 nahmen dann sächsische Polizisten an einem sogenannten Special Forces Workshop teil.
Marko G. war selbst Trainer auf dem Schießplatz
In fast allen Fällen der bei Marko G. aufgefundenen Behördenmunition lassen sich unter den Munitionsempfängern Polizeibehörden finden, von denen danach Beamte in Güstrow waren. Tausende der bei Marko G. gefundenen Patronen können darüber hinaus über ihre Losnummern eindeutig dem Betreiber des Schießplatzes und dessen Firma Baltic Shooters zugeordnet werden.
Auch mehrere Munitionshersteller – darunter Ruag und MEN – brachten in größerem Umfang Patronen zum Special Forces Workshop mit, einer renommierten Veranstaltung, für die einmal im Jahr Spezialkräfte aus mehreren Ländern nach Güstrow reisten. Das LKA Mecklenburg-Vorpommern war Mitveranstalter, der Innenminister des Landes, Lorenz Caffier (CDU), fungierte als Schirmherr. Das Land stellte die Zusammenarbeit erst 2019 ein, als die Vorwürfe gegen Marko G. öffentlich wurden.
Marko G. selbst war noch während seiner Tätigkeit als Polizist als Schießtrainer für zivilen Schießsport für die Firma Baltic Shooters tätig. Und noch etwas verbindet ihn mit dieser Firma: G. fungierte als Administrator für Chats, in denen sich eine Gruppe Prepper austauschte. Diese rund 30 Personen große Gruppe, die als „Nordkreuz“ bekannt wurde, bereitet sich auf einen Tag X vor. Auch Frank T. und mindestens ein weiterer Mitarbeiter seiner Firma waren zeitweise Mitglied bei Nordkreuz. Auf eine taz-Anfrage hat Frank T. nicht geantwortet.
Gegen zwei Nordkreuz-Mitglieder ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, sie sollen Feindeslisten angelegt und geplant haben, am Tag X Menschen aus dem linken Spektrum zu töten. Laut Bundesregierung manifestiere sich bei dem harten Kern dieser Gruppe, dazu zählt auch Marko G., „eine gefestigte rechtsextremistische Einstellung“.
Bislang ungeklärt ist außerdem, wie Marko G. an eine Uzi-Maschinenpistole gelangt war, eine Kriegswaffe, die Zivilisten nicht besitzen dürfen. Sie war bei der Bundeswehr als gestohlen gemeldet worden. Eine Kommission, die untersucht hat, ob bei den mutmaßlich straffällig gewordenen SEK-Polizisten um Marko G. rechtsextreme Auffälligkeiten zu beobachten waren, hat herausgefunden, dass Marko G. 1993 in der Einheit tätig war, in der die Maschinenpistole verloren ging. Das geht aus dem Protokoll einer Sitzung des Innenausschusses in Mecklenburg-Vorpommern hervor.
Trotz rechter Gesinnung in den gehobenen Dienst
Marko G. hatte vor Gericht behauptet, die Maschinenpistole 2009 oder 2010 auf dem Parkplatz vor einer Waffenmesse in Kassel gekauft zu haben, von einem ihm unbekannten Händler. Das Gericht hat das im Urteil als Faktum übernommen.
Die Kommission hat außerdem Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Marko G.s rechtsextremes Gedankengut schon früher als bislang bekannt auffiel. 2009 hatten sich gleich zwei Kollegen mündlich und schriftlich an Vorgesetzte gewandt und Marko G. als “rechts verankert“ beschrieben. Marko G. wurde damals für den gehobenen Dienst fortgebildet.
Die gesamte Recherche über die Herkunft von Marko G.s Waffen und Munition lesen Sie in der taz.am Wochenende vom 04./05. April 2020.
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