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Prekär und gefährlich

Soziale Träger in Bremen beschäftigen zahlreiche Helfer*innen ehrenamtlich – gegen eine kleine Aufwandsentschädigung. Und für deren Schutz in Coronazeiten sorgen sie auch nicht

„Auch die Betriebsräte können sich nicht für die Helfer einsetzen“

David Matrai, Ver.di Niedersachsen-Bremen

VonLotta Drügemöller

Irmgard J. arbeitet schon lange bei Herrn S., einem über 90-jährigen, hochgradig demenzkranken Mann. Sie macht Frühstück, bringt ihn dazu, aufzustehen, führt den Haushalt. „Ich bin Alltagsassistenz. Klingt gut, oder?“, so J. Vermittelt hat die Stelle ein Dienstleistungszentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO).

Als J. hörte, dass Pflegekräfte bei der AWO aktuell wegen der Coronakrise einen Bonus bekommen sollen, freute sie sich zu früh – für sie gilt der Zuschuss nicht. Schließlich ist J. weder eine richtige Pflegekraft, noch bei der AWO angestellt, sondern im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ehrenamtlich beschäftigt – für 8,50 Euro die Stunde. Mehr als der entgangene Bonus ärgert sie aber etwas anderes: Die AWO stellt ihr keine Schutzmaterialien zur Verfügung.

Das Konzept der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfen hat auf den ersten Blick viele Vorteile: Die Träger können ihren Klient*innen Hilfe vermitteln, ohne knappes Personal dafür einzusetzen; die Nachbarschaftshelfer*innen selbst können über die Aufwandsentschädigung Geld dazuverdienen, das ihnen nicht von der Sozialhilfe abgezogen wird; die Pflegebedürftigen müssen für die Unterstützung zwar zahlen, das Geld bekommen sie aber von der Pflegekasse zurück. Auch die werden durch die Ausgaben nicht allzu sehr belastet: Die Aufwandsentschädigung beträgt 8,50 Euro die Stunde, weniger als der Mindestlohn.

So ist das Konstrukt mit den Ehrenamtlichen in Bremen weit verbreitet. Allein in den sechs Dienstleistungszentren der AWO sind etwa 1.300 Nachbarschaftshelfer*innen organisiert. Auch die Caritas und die Paritätischen Dienste vermitteln diese Ehrenamtlichen.

Jetzt, in der Corona-Krise zeigen sich die Grenzen des Systems – denn die Ehrenamtlichen sind für ihren Schutz selbst verantwortlich. Man habe die Nachbarschaftshelfer*innen angeschrieben und „auf besondere Hygiene- und Schutzmaßnahmen hingewiesen“, so eine Sprecherin der AWO.

Auch J. hat so einen Brief bekommen. Als über 70-Jährige gehört sie selbst zur Risikogruppe. Sie solle mit Schutzmaske und Desinfektionsmittel arbeiten, heißt es. In vier Apotheken habe sie danach gefragt, erzählt J. – vergeblich. Selbst wenn sie etwas bekommen hätte: „Wie soll ich das denn noch bezahlen?“

Bei der Gewerkschaft Ver.di kennt man das Problem. „Wir begrüßen es nicht, dass soziale Dienste über solche Modelle funktionieren“, meint Sprecher David Matrai vom Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. Für die Helfer*innen sei niemand zuständig: „Auch die Betriebsräte können sich nicht für sie einsetzen.“

Die AWO verweist darauf, dass viele Einsätze derzeit ausgesetzt werden und Einkäufe vor die Tür der Klient*innen gestellt werden können. „Aber das geht doch nicht“, empört sich dagegen J., „der Herr S., der kann doch nichts mehr selbst.“

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