: Der „Flügel“ flattert weiter
Die rechtsextreme Strömung will zwar nicht auf Konfrontation mit der AfD-Spitze gehen, reklamiert aber einen Führungsanspruch für die gesamte Partei für Höcke, Kalbitz und Co
Von Sabine am Orde
Am Samstag wollte sich die Spitze des „Flügels“ im sachsen-anhaltischen Schnellroda treffen, da wo der neurechte Publizist Götz Kubitschek seinen Kleinstverlag betreibt. Zu bereden hätte es einiges gegeben: Der Verfassungsschutz hat die Bewegung um Björn Höcke (Thüringen) und Andreas Kalbitz (Brandenburg) als rechtsextrem eingestuft. Der AfD-Bundesvorstand hat deshalb am Freitag vom „Flügel“ gefordert, bei der Zusammenkunft die eigene Auflösung zu beschließen. Groß ist die Angst, die AfD als ganze könnte vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Doch das „Flügel“-Treffen wurde abgesagt – vordergründig wegen Corona. Aus dem Umfeld des „Flügels“ aber ist zu hören, dass es auch darum ging, internen Streit über den Umgang mit dem Bundesvorstand zu vermeiden. Die beiden „Flügel“-Chefs wollen den Ball flach halten – andere, meist aus dem Westen, wohl auf Konfrontationskurs mit dem Bundesvorstand gehen.
Höcke ließ im Laufe des Samstags dann an verschiedene Medien durchstechen, der „Flügel“ habe sich aufgelöst, und verwies auf ein Interview, das am Abend online gehe. Darin heißt es: „Nun brauchen wir einen Impuls, der über den Flügel hinausweist und die Einheit der Partei betont.“ Auch von der „Historisierung“ des „Flügels“ ist die Rede. Wie immer bei Höcke: viele Andeutungen. Explizit von einer Selbstauflösung spricht er nicht.
Wenig später sah sich Kalbitz zu einer Klarstellung genötigt: „Ein formaler Beschluss oder eine Entscheidung zur Auflösung des ‚Flügels‘ zum jetzigen Zeitpunkt ist mir nicht bekannt“, sagte er auf Nachfrage der taz. Kalbitz, der Beistzer im 13-köpfigen Bundesvorstand ist, hatte dort als Einziger gegen den Antrag gestimmt.
Inzwischen aber scheint klar: Höcke und Co wollen den Konflikt mit dem Bundesvorstand nicht weiter eskalieren. Man sei bereit, so ist zu hören, die formalen Strukuren herunterzufahren und unter dem Namen „Flügel“ keine Veranstaltungen mehr durchzuführen. In dem Interview, das ausgerechnet Kubitschek, der neurechte Einfüsterer des „Flügels“, für seine Zeitschrift Sezession mit Höcke geführt hat, sagt dieser: „Der Bundesvorstand ist das höchste Exekutivorgan der Partei. Als Konservativer pflege ich die Institutionen.“ Er fügt allerdings gleich an: „Auch wenn ich weiß, welche irrationalen Dynamiken in mehrstündigen Sitzungen solcher Gremien ablaufen können.“
Zudem reklamiert Höcke einen Führungsanspruch für sich und seine Verbündeten: „Unsere Arbeit weist über den Flügel hinaus“, sagt er in dem Interview. „Andreas Kalbitz, ich selbst und alle anderen politikfähigen ‚Flügler‘ werden ihren politischen Kurs im Sinne der AfD weiterführen.“
Und bislang sieht es aus, als würden sie das auch können. Der Bundesvorstand hat am Freitag zwar die Forderungen an den „Flügel“ beschlossen, von Sanktionen aber abgesehen. Höcke muss lediglich Mitte April dem Gremium Rede und Antwort stehen. Kalbitz soll erklären, dass er nie Mitglied in der Neonazi-Organisation Heimattreue Deutschen Jugend (HDJ) war, und juristisch gegen entsprechende Behauptungen vorgehen. Der Spiegel hatte berichtet, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz eine Mitgliederliste von 2007 vorliege, in der die „Familie Andreas Kalbitz“ aufgeführt sei.
Stimmt das, hätte Kalbitz gegen die Aufnahmebedingungen der AfD verstoßen. Der Bundesvorstand könnte ihm die Mitgliedschaft aberkennen – und ein langwieriges Parteiauschlussverfahren umgehen. Bislang hat das Gremium diesen Hebel nicht genutzt.
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