piwik no script img

Rassismus in Zeiten von CoronaVon allen Seiten

Menschen mit asiatischem Aussehen werden in diesen Tagen in einem heftigen Ausmaß Opfer von rassistischer Aggression und Hetze.

Erleben viel Rassismus: asiatisch aussehende Menschen wie Ex-Wirtschaftsminister Philipp Rösler Foto: dpa

Hamburg taz | Am Hamburger Hauptbahnhof schreit eine ältere Frau an der Kasse eines Drogeriemarktes eine jüngere Frau an: „Fassen Sie meine Sachen nicht an. Lassen Sie das.“ Die Jüngere hatte die Waren, die die Ältere kaufen wollte, auf dem Waren­band etwas beiseite geschoben, um selbst etwas darauf zu legen, erzählt die Betroffene der taz. Solche Aggressionen im Alltag erlebe sie häufiger, seitdem das Corona-Virus ausgebrochen sei. Denn die Frau ist in Shanghai geboren, und man sieht ihr das an.

Sie ist mit diesen negativen Erfahrungen nicht allein. Viele Menschen mit vermeintlich asiatischem Aussehen werden vollkommen unabhängig davon, ob sie in letzter Zeit in China waren, derzeit ausgegrenzt und angefeindet. Sie werden in der U-Bahn angestarrt und Menschen machen einen Bogen um sie.

Eine Frau erzählte der taz davon, dass sie in einem Hamburger Restaurant beobachtet­ habe, dass andere Gäste lautstark protestierten,­ als eine asiatische Reisegruppe einen Tisch suchte. Nicht so nah bei uns, sei der Tenor­ gewesen.­ Ein Hamburger mit chinesischem Migrationshintergrund berichtet davon, dass seine Tochter von der Kita nach Hause kam und sagte, dass ein Junge sie angeschrien habe, sie sei „ein Virus“­ und sie solle weggehen.

Im Internet machen Betroffene solche Erfahrungen unter dem Hashtag „#JeNeSuisPasUnVirus“ – „Ich bin kein Virus“ – sichtbar. Eine junge Französin mit asiatischem Aussehen hat die Aktion gestartet. Zuvor hatte in Nordfrankreich die Zeitung Courrier Picard auf der Titelseite ein Foto einer Chinesin mit Maske und der Schlagzeile „Alerte jaune“, also „gelber Alarm“, gebracht.

Die Verbindung von rassistischer Hetze und der Angst vor Seuchen hat eine lange Tradition. Den Hashtag aus Frankreich hat Manuel Ochsen­reiter aufgegriffen, um im rechtsextremen­ Magazin „Zuerst!“ gegen in Deutschland lebende­ Chinesen zu hetzen.

In der aktuellen Ausgabe sieht der Chefredakteur in der Kritik an den Anfeindungen, alleine die „Gutmenschen“, die „überall ‚Rassismus‘“ witterten. Er nimmt auch Bezug auf ein vermeintlich satirisches Lied eines Radiosenders mit dem Titel: „Vorbeugen ist besser als Chinesen“, gegen das sich von Diskriminierung­ betroffene Menschen in den Niederlanden wehren. Dieses Lied treffe „des Pudels Kern doch genau“, schreibt Ochsenreiter.

Denn bei den „über 210.000 in Deutschland lebenden Chinesen und schätzungsweise 40.000 chinesischen Studenten ist bekannterweise die Reisefreudigkeit“ groß. Die „tausenden China-Restaurants“ wären zudem ein „riesiges Einfallstor“ für das Virus.

Auch die „Identitäre Bewegung“ und die AfD versuchen die Pandemie politisch für sich zu nutzen. So beklagt der schleswig-holsteinische­ AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis, dass Deutschland nicht längst ein „temporäres Reiseverbot für chinesische Staatsbürger“ verhängt habe.

An den Betroffenen geht es nicht einfach vorbei, wenn solche Ressentiments in der Gesellschaft aufleben. In Hamburg, wo durch den Hafen eine lange wirtschaftshistorische­ Verbindung nach China besteht, gibt es bisher­ nicht so einen lautstarken Protest wie in Frankreich­ oder den Niederlanden. Die hier ansässigen­ chinesischen Vereine, Freundschaftsgesellschaften und Handelsgemeinschaften sind eher zurückhaltend. Ein Interview über Diskriminierung wollten sie der taz nicht geben. Stattdessen lautete bei einem Verein vorsorglich der erste Satz: „Wir haben keine Infizierten.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Was ist denn von kranken Rassistenhirnen anderes zu erwarten?



    Beim Thema Corona könnten Blutsdeutsche doch auf ihre überlegenen arischen Körpersäfte vertrauen!

  • Spannend ist, wie sehr sich das Verhalten von Chinesen, Deutschen und anderen gleicht.



    taz.de/Furcht-vor-.../!5671856&s=china/

    „Sie sind nicht willkommen hier, schließlich haben wir keine Ahnung, woher Sie kommen.“ hätte möglicherweise auch die ältere Dame an der Kasse in Hamburg gesagt.

    Spannend ist allerdings auch der unterschiedliche Maßstab, den die Taz in puncto Rassismus anlegt.



    In dem China-Artikel wird nicht ansatzweise erwähnt, dass es sich irgendwie um Rassismus handeln könnte.

  • 0G
    0371 (Profil gelöscht)

    Man sollte meinen, dass der Bildungsstand über erweiterte Möglichkeiten der Informationsbeschaffung (Internet) zunehmen müsste.

    Statt dessen ist das Gegenteil zu beobachten und vielen Menschen quillt hierzulande dünnflüssige stinkende braune Masse aus dem Mund. Getrieben durch AfD und sonstige Schwachköpfe. Ich kann gar nicht soviel essen wie ich kotzen möchte.

    Wenn ihr wirklich glaubt, das Virus interessierte sich für den Geburtsort eines Menschen: Schämt euch! Steckt euern Kopf in eine Presse! Mann, mann, mann!