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Französischer Filmpreis CésarPolanski und die Wütenden

„Les Misérables“ wurde am Freitag als bester Film mit dem César ausgezeichnet. Dass Roman Polanski auch einen Preis erhielt, rief scharfen Protest hervor.

Insbesondere Adele Haenel kritisierte die Preisvergabe an Polanski scharf Foto: ap/Christophe Ena

Paris dpa | Das Sozialdrama „Die Wütenden“ hat den französischen Filmpreis César als bester Film gewonnen. Die Produktion von Regisseur Ladj Ly beschreibt den Alltag aus Gewalt und Rassismus in einem Pariser Vorort. Der Preis für die beste Regie ging an „Intrige“ von Roman Polanski. Bei der Verleihung des renommierten Filmpreises am Freitagabend in Paris war der französisch-polnische Regisseur nicht dabei. Wegen der anhaltenden Kritik rund um die César-Nominierungen – das Polanski-Historiendrama war in zwölf Kategorien im Rennen – hatte der 86-Jährige seine Teilnahme an der Zeremonie abgesagt.

Aus Protest gegen den Regiepreis verließen einige Zuschauer*innen den Saal, darunter die Schauspielerin Adèle Haenel. Eine Auszeichnung an Polanski wäre so, als würde man allen Missbrauchsopfern ins Gesicht spucken, hatte Haenel der New York Times vor wenigen Tagen gesagt. Vor dem Erscheinen des Films hatte die Fotografin und Schauspielerin Valentine Monnier Polanski in einem Medienbericht beschuldigt, sie 1975 vergewaltigt zu haben.

Die 31-jährige Haenel wirft Frankreich vor, die „MeToo-Debatte“ verschlafen zu haben. Sie selbst hatte Anklage gegen den Regisseur Christophe Ruggia erhoben. Sie beschuldigt ihn, sie als Minderjährige beim Dreh zu ihrem ersten Film „Les Diables“ (Kleine Teufel) wiederholt sexuell belästigt zu haben.

Vor Beginn der Zeremonie demonstrierten mehrere Hundert Menschen, vor allem Frauen, gegen die Nominierung des Polanski-Films (im Original J'accuse) über den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus, der 1894 zu Unrecht wegen Landesverrats verurteilt worden war. Schon im November war es bei einer Premiere in Paris zu Protesten gekommen. Mehrere Frauen blockierten den Zugang zu einem Kino.

„Parasite“ als bester Auslandsfilm ausgezeichnet

Die oscarprämierte Gesellschaftssatire „Parasite“ des südkoranischen Regisseurs Bong Joon Ho gewann den César als bester Auslandsfilm. Bei der Verleihung war der Regisseur nicht anwesend. Der Film erzählt die Geschichte einer Familie aus der koreanischen Unterschicht, die sich als Hausangestellte in einer reicheren Familie einschleicht.

Der Film wurde schon Anfang Februar mit vier Oscars ausgezeichnet, darunter den für den besten Film, den besten ausländischen Film und die beste Regie. In Cannes gewann die Satire 2019 die Goldene Palme.

Der Streit um Polanski hatte die Akademie für den Filmpreis in eine Krise gestürzt – ihre Direktion trat vor rund zwei Wochen kollektiv zurück. Der César ist Frankreichs nationaler Filmpreis, benannt nach dem Bildhauer César Baldaccini. Der „französische Oscar“ wird seit 1976 verliehen.

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9 Kommentare

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  • Ich denke als Holocaustüberlebender hat Polanski jede Berechtigung, einen Film über Antisemitismus zu machen. Und ein guter Filmemacher ist er sicher auch. Wer seine Filme sehen möchte, kann das ja auch weiterhin tun. Auch mir geht es aber zu weit, einem Mann den etliche Frauen der Vergewaltigung bezichtigen und der zugegeben hat mit einer 13-Jährigen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, mit einem hochdotierten Filmpreis auszuzeichnen oder seine Filme finanziell grosszügig zu fördern. Für sexuelle Übergriffe auf Minderjährige gibt es nun mal keine Entschuldigung, egal wie lange es her ist.

  • Wer gibt dem Typ eigentlich immer wieder Geld?

  • Traurig, dass in erster Linie Frauen protestieren.

    Es wäre schön, wenn mehr Männer verstehen würden, dass es sich hier um Menschenrechte handelt, und sie sich dementsprechend auch angesprochen fühlen sollten.

  • Es bleibt das Problem, ob Werk und Täter zusammen gehören.



    Kann das Werk unabhängig vom Täter betrachtet werden,



    oder überwiegt die Tat auch spüteres Werk?

    Aktuell neigen wir dazu, die Tat höher zu bewerten.



    Meines Erachtens gehört das getrennt betrachtet.

    • @J_CGN:

      Getrennt betrachten, aber mit dem Bewusstsein, was der Künstler sonst noch alles getan hat. Das geht ja. Der Film mag toll sein, es schadet aber nix sich gerade deshalb Gedanken zu Missbrauch zu machen.

      Der Preis geht immer an den Künstler und da sehe ich ein Problem. Das muss nicht sein. Man muss so einen Mann wirklich nicht auszeichnen. Man könnte das Preisgeld einer Hilfsorganisation spenden.

      • @cotta:

        "Man muss so einen Mann wirklich nicht auszeichnen" - wie bitte? Polanski ist ein Regisseur, der über ein halbes Jahrhundert unglaublich gute Filme gemacht hat, der ein sehr schweres Schicksal gehabt hat. Das bereits abgeurteilte Delikt - ein Missbrauchsfall - fand 1977 statt. Was soll denn eine lebenslange Ausgrenzung, wenn sowohl das damalige Opfer verziehen hat, die Justiz gehandelt, Polanski hat einen Teil der Strafe abgesessen und erkannt, dass sein Handeln damals falsch gewesen war. Was ist denn das für ein reaktionäres Verhältnis zum Strafrecht. Mit Feminismus hat das nichts zu tun!

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Monika Frommel :

          Danke.

    • 0G
      09922 (Profil gelöscht)
      @J_CGN:

      Erstens gehört es getrennt betrachtet und zweitens wird immer wieder vergessen, dass nur weil jemand etwas behauptet es nicht automatisch der Realität entspricht.

      • 6G
        65572 (Profil gelöscht)
        @09922 (Profil gelöscht):

        Da haben Sie schon recht. Nur, glauben Sie Polanski hat Amerika fluchtartig verlassen, weil er keinen fairen Prozeß erwartete?