Die Wahrheit: Das Teufelstaschentelefon
Noch viel schlimmer als Corona: die um sich greifende Smartphone-Sucht. Da hilft nur ein einziges Gegenmittel: Saufen, saufen, saufen …
Wenn Sie diesen Text gerade auf einem Smartphone lesen, und die Statistik legt nahe, dass Sie das tun, dann hat dieser Text eine schlechte Nachricht für Sie: Sie sind höchstwahrscheinlich drogenabhängig. Glauben Sie nicht? Tja, das sagen leider die meisten Abhängigen.
Wissenschaftler der Universität Heidelberg haben die physiologischen Folgen exzessiver Smartphone-Nutzung untersucht. Die Erkenntnis: Das Gerät ist eine Droge. Denn nicht nur zeigten Smartphone-Nutzer demnach suchtähnliche Verhaltensweisen. Auch bedeutende Teile ihres Gehirns wiesen physische Veränderungen auf und schrumpften, was bedenkliche Auswirkungen zur Folge haben kann. Bei Probanden, die auf ihren Handys die Apps „Bild News“, „Quizduell“ und „Candy Crush“ installiert hatten, war sogar so gut wie gar kein Restbrägen mehr festzustellen.
Nun benutzen bekanntermaßen aber recht viele Menschen ein solches Teufelstaschentelefon. Die Ausbreitung des Coronavirus wirkt dagegen nachgerade lächerlich. Doch schützen kann man sich kaum. Als sicher gilt im Grunde nur, wer sich vorher schon rechtzeitig blödgesoffen hat. Auch darum greifen hierzulande viele vorsorglich zur Flasche. Sie saufen gegen Smartphone-Sucht.
Den Forschern zufolge macht es jedenfalls keinen Unterschied, ob man am Handy hängt, an der Flasche oder an der Nadel: Wie bei gewöhnlichen Junkies fehlt es Smartphone-Süchtigen an grauer Substanz im Denk-organ, zudem führt das Tippen und Texten zum Verlust von Empathie und Emotionen. Deutlich wird das schon, wenn man sich die meist ebenfalls abhängigen Handyverkäufer in einschlägigen Filialen an Bahnhöfen und in anderen finsteren Ecken anschaut.
Einsteigertarife für Neugierige
„Die erste SIM-Karte ist meist günstig zu haben, das Gerät gibt es oft für 0 Euro dazu und mit sogenannten Einsteigertarifen werden Neugierige in die Abhängigkeit getrieben“, verrät Suchtforscher Georg Niegenug. Das Geschäft mit der Sucht lockt zusehends Händler auf den Plan, viele davon mit ausländisch klingenden Namen wie „Vodafone“ oder „Telefónica“. Und mehr und mehr Menschen fallen ihnen zum Opfer.
Was tut die Regierung dagegen? Man kann ihr jedenfalls nicht vorwerfen, das Thema zu ignorieren. Fast nirgendwo auf der Welt sind die Präventivanstrengungen so enorm, ist der Zugang zur Droge Internet so schlecht wie in Deutschland. Dorothee Bär, die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, leistet hier wirklich ganze Arbeit. In ihrem Heimatland Bayern wissen viele Einheimische nicht einmal, was ein Smartphone ist. Durch großflächige Alkoholisierung der Bevölkerung und konsequentes Vorgehen gegen Mobilfunkmasten erzielt Doro Bär im Rahmen der Kampagne „Maß statt Mast“ große Erfolge. Doch das reicht nicht.
Immer häufiger erfährt man von Betroffenen, bisweilen gar im Bekanntenkreis. „Kann ich mal mein Smartphone bei dir an die Steckdose hängen?“, fragen Gäste ungeniert, wenn sie bei Freunden zu Besuch sind. Ein Satz, der harmlos klingt, aber Abgründe offenbart: Sogar soziale Kontakte werden durch Strombettelei aufs Spiel gesetzt, um zu bekommen, was man so dringend braucht.
Längst scheint die Droge überall: Sprüche wie „Hier haben Sie fünf Euro, aber geben Sie das Geld nicht wieder für ein Samsung aus!“, vernimmt man in Fußgängerzonen. In Diskotheken verschwinden Süchtige stundenlang heimlich auf die Toilette, um ihr Gerät zu laden. An Flughäfen werden bereits die ersten Passanten kontrolliert, die versuchen, in Plastik verschweißte iPhones in ihrem Darm zu schmuggeln.
Kommunikation der Analogmänner
Hoffnung auf Besserung macht derzeit wenig. Ein erfreulicher Trend lässt sich immerhin bei der CDU erkennen: Hier setzt man nicht länger auf moderne Kommunikation, sondern voll und ganz auf die Vergangenheit. Auf alte, abgehalfterte Analogmänner wie Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen.
Im Kampf gegen den Fortschritt bleibt die CDU damit die beste Wahl. Mit ihr könnten moderne Süchte bekämpft und alte Sehnsüchte erfüllt werden: Geht es nach den Konservativen, könnten die von der Technik in Zombies verwandelten Bürger anstelle von TikTok und TriCount wieder mit Blasmusik und Bierdeckelrechnungen zueinander finden. Durchaus vorstellbar auch, dass in Deutschlands Nochregierungspartei bald nur noch gefaxt wird. Und davon werde unter Garantie niemand süchtig, versichern die Forscher der Uni Heidelberg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen