Pressefreiheit in Schweden: Strafen für „Stimmung gegen Volk“

Die rechtsextremen Schwedendemokraten wollen öffentlich-rechtliche Sender kontrollieren. JournalistInnen könnten mit Lohnabzug bestraft werden.

Ein Mann mit Smartphone filmt zurück

Gestörtes Verhältnis: Jimmie Aakesson, Vorsitzender der rechten Schwedendemokraten, und die Medien Foto: Jonathan Nackstrand/Afp

STOCKHOLM taz | Es werde wirklich immer absurder, kommentiert die Tageszeitung Göteborgs-Posten. Und Dagens Nyheter, überregionales Blatt aus Stockholm, bedankt sich: „Schön, dass ihr uns ungeschminkt zeigt, was wir zu erwarten haben.“ Die rechtsextreme Partei Schwedendemokraten hat zwar schon wiederholt die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten Sveriges Television (SVT) und Sveriges Radio (SR) im Visier gehabt. Beispielsweise will sie ihre Budgets radikal kürzen und die öffentliche Medienförderung abschaffen. Die neuesten Attacken der Rechten stellen aber bisherige Vorstöße in den Schatten.

Als „gleichermaßen wahnsinnig wie faszinierend und erschreckend“ bewertet Tomas Backlund, Vizevorsitzender der Journalistengewerkschaft Journalistförbundet, die Vorschläge, die der Schwedendemokrat Linus Bylund in der vergangenen Woche in einem Interview gemacht hat. Bylund ist der Medienstratege seiner Partei und ihr Vertreter im Verwaltungsrat von SVT und SR. Er möchte ermöglichen, dass unliebsame JournalistInnen und Programmverantwortliche der Öffentlich-Rechtlichen für „parteiische“ Berichterstattung bestraft werden können, beispielsweise mit mehrmonatigem Lohnabzug oder Kündigung.

Ähnlich wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland haben auch Schwedens Öffentlich-Rechtliche Programmgrundsätze. Was die Fernseh- und Rundfunkräte der deutschen Sender sind, an die man sich wegen möglicher Verstöße wenden kann, ist in Schweden der Granskningsnämnden. Dieser Prüfungsausschuss entscheidet unabhängig und selbstständig über Beschwerden gegen Programme und kann dann beispielsweise Rügen wegen des Verstoßes gegen die Gebote der Sachlichkeit oder Unparteilichkeit aussprechen. Dies reicht Bylund offenbar nicht: Seine Partei möchte die „Möglichkeit zu personalisierten Repressalien“ schaffen.

„Ich sage ja gar nicht, dass jeder Journalist entlassen werden soll, der nicht macht, was ich sage“, erklärte Bylund der Zeitschrift Fokus: „Aber verletzt man seine Befugnisse als Angestellter eines Medienkanals des Volkes, täuscht man damit die Menschen […]. Man hat das Geld der Menschen ja nicht bekommen, um Stimmung gegen das eigene Volk zu machen.“ Björn Söder, einer ihrer führenden Politiker und Ex-Vizepräsident des Reichstags, plädierte schon vor Jahren für eine politische Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Sender. Derselbe Söder spricht Juden und indigenen Samen die „schwedische Identität“ ab.

Konservative Nähe zu Rechtsextremen

Neben den personalisierten Strafen forderten die Rechtspopulisten im Kulturausschuss des Parlaments Anhörungen der Chefs von SVT und SR im Reichstag. Dort sollten diese Rede und Antwort für spezielle Sendungen stehen, die den Schwedendemokraten missfielen. „Da denkt man natürlich sofort an Polen und Ungarn“, kritisiert Jesper Bengtsson, Vorsitzender des schwedischen PEN. „Es ist ja kein Geheimnis, dass die Schwedendemokraten sich von der Entwicklung in diesen Ländern inspirieren lassen.“

Die übrigen Parteien grenzen sich von den Rechtsextremen nicht mehr so ab wie früher

In beiden Ländern wurden in den vergangenen Jahren Gesetze verabschiedet, die die Pressefreiheit einschränken. Auch Backlund von der Gewerkschaft Journalistförbundet warnt: Gehe man nur einen Schritt in die von den Schwedendemokraten skizzierte Richtung, „leben wir nicht mehr in einer Demokratie“.

Dass die Rechtsextremen ihre medienpolitischen Vorschläge irgendwann tatsächlich umsetzen können, ist zumindest nicht ausgeschlossen. Laut Umfragen sind die Schwedendemokraten mit 24 Prozent derzeit stärkste Partei des Landes. Vor allem grenzen sich die übrigen Parteien von der aus dem Neonazimilieu stammenden Partei nicht mehr in demselbem Maße ab wie noch vor eineinhalb Jahren.

Die konservative Moderate Sammlungspartei und die Christdemokraten regieren bereits viele Kommunen mit den Rechtsextremen und verstärken auch auf nationaler Ebene die politische Zusammenarbeit. Entscheidend sei die Sache, nicht welche Parteien diese vertreten, sagte Moderaten-Vorsitzender Ulf Kristersson.

Zwar kritisierte auch er die Vorschläge von Bylund, doch Konservative und Christdemokraten übergingen zunächst auffallend still den später von allen anderen Parteien abgewiesenen Antrag, die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender zur Rechtfertigung von Programmen vor das Parlament zu zitieren. Kritik daran, so Anna Sibinska, Kulturausschussmitglied der Grünen, „wäre doch eigentlich wirklich angebracht gewesen“.

Es sei klar, dass die beiden rechtskonservativen Oppositionsparteien mithilfe der Schwedendemokraten an die Macht kommen wollten, kommentiert die Zeitung Expressen. Und Dagens Nyheter erinnert diejenigen, die offenbar kein Problem mehr mit der Nähe zu dieser Rechtsaußenpartei haben: „Extremisten können eine Demokratie nicht zerstören. Das können nur wir anderen, wenn wir das zulassen.“ Je mehr sich Rechtsextreme in Schweden normalisieren und je normaler ihre Beziehungen zu den anderen Parteien werden, umso gefährlicher wird es also für JournalistInnen und die Pressefreiheit.

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