piwik no script img

Die WahrheitGladiator für Kiwis

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Verhaltensauffällig gewordene Aotearoaner schiebt Australien gern ab: Ins Land der langen weißen Wolke.

D er Dauerzwist, ob Australien oder Neuseeland die nach einer russischen Ballerina benannte Baiser-Torte Pavlova erfunden hat, ist nichts gegen das Zerren beider Nationen um Russell Crowe. Der „Gladiator“-Star wurde 1964 in Aotearoa geboren und wanderte als Vierjähriger mit seiner Familie ins Nachbarland aus. Der Neidkampf darum, ob er Aussie oder Kiwi ist, geht gerade in die nächste Runde.

Weltweit kennt man Crowe als australischen Star. Nach Nicole Kidman gilt er als größter Hollywood-Export aus dem Reich der Kängurus. Sein Gesicht ziert dort sogar eine Briefmarke. Aber Australier ist er nicht. Er hat lediglich – wie alle Kiwis – eine unbegrenzte Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Mit der darf man aber weder wählen noch ein Studienstipendium kassieren.

Crowes Anträge auf Staatsbürgerschaft wurden beide Male abgelehnt. Der Grund: Er war zwischen 2000 und 2002 kaum auf dem roten Kontinent, weil er woanders drehte – doch diese Jahre zählen für die Staatstreue. Im Januar beklagte er sich darüber in einem Interview mit der Huffington Post: „Sehr merkwürdig“ sei das alles. „Es ist eine ungerechte Situation, die 250.000 Neuseeländer belastet, die sich ein Leben in Australien aufgebaut haben.“

Rund 500 benachteiligte Kiwi-Expats streben jetzt eine Sammelklage an und hoffen, dass Crowe mit dabei ist. Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern legt sich parallel dazu ebenfalls mit dem Nachbarstaat an. Denn seit einem Jahr landen verstärkt Kriminelle bei uns, die in Australien aufwuchsen. Mit Neuseeland verbindet sie nur ihr Geburtsort im Pass. Auf die schiefe Bahn gerieten sie erst drüben. „Deportiert nicht eure Leute und eure Probleme!“, wetterte Ardern letzten Freitag in Sydney.

Bikerkrawalle statt Gladiatorenkämpfe

Nach einer Gesetzesverschärfung von 2014 soll jeder Kiwi, der ein Jahr oder länger im Aussie-Knast gesessen hat, in die alte Heimat abgeschoben werden – auch wenn er niemanden mehr dort kennt. Zweitausend Menschen, die mit australischem Akzent sprechen und seit der Kindheit keinen Fuß mehr über die Tasmanische See gesetzt haben, werden seitdem wie Sondermüll zu uns entsorgt.

Die neuen Sozialkontakte dieser doppelt Bestraften stammen meist aus den Abschiebelagern. Der Rückimport landet daher oft auf der Straße oder in Gangs. Da einige von ihnen bereits zu australischen Gangs gehörten, machen sie den einheimischen Banden auch noch Konkurrenz. Nicht Gladiatorenkämpfe, sondern mehr Bikerkrawalle drohen dem friedlichen Land der langen weißen Wolke.

Anfang Februar entschied Australiens höchstes Gericht, dass ein in Neuseeland geborener Mann, der wegen Körperverletzung zu achtzehn Monaten verknackt wurde, jedoch nicht abgeschoben wird. Er ist nämlich Aborigine, vom Gunggari-Volk. Ein anderer Aborigine in Haft, der in Papua-Neuguinea geboren wurde, darf ebenfalls bleiben. Gute Nachrichten. Aber nicht für Russell Crowe.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!