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Schnell abgeurteilt

Als „Erfolgsmodell“ preist Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) beschleunigte Gerichtsverfahren an. Kritiker glauben, dass hier vor allem Armen und Ausländern der kurze Prozess gemacht wird

Von Nadine Conti

In zwei Jahren hat sich die Anzahl mehr als verdoppelt: 2017 wurden an den niedersächsischen Amtsgerichten noch 748 sogenannte „beschleunigte Verfahren“ durchgezogen. 2019 waren es bereits 1675. Sie richten sich vor allem gegen Kleinkriminelle: Ladendiebe, Drogendealer, Schwarzfahrer. Nach dem Motto „heute ertappt, morgen verurteilt“ soll hier die Strafe auf dem Fuß folgen.

Zum einen, weil man sich davon einen erzieherischen oder abschreckenden Effekt verspricht. Zum anderen, weil es sich häufig um Täter handelt, die sonst nicht mehr greifbar sind, weil sie aus dem Ausland kommen oder obdachlos sind.

Und genau da beginnt das Problem, findet Holger Nitz von der Vereinigung Niedersächsischer und Bremer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger (VNBS). „Das riecht schon nach Klassenjustiz. Meiner Erfahrung nach werden da Menschen in Rekordzeit abgeurteilt, die weder die Sprache können, noch unser Rechtssystem verstehen.“ Und zwar häufig ohne Rechtsbeistand: Ein Pflichtverteidiger muss erst bestellt werden, wenn die zu erwartende Freiheitsstrafe ein halbes Jahr überschreitet. „Da werden rechtsstaatliche Standards unterlaufen“, sagt Nitz.

Das sieht Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchtlingsrat Niedersachsen ähnlich. Bei vielen Ausländern schließt sich an das kurze Verfahren und die kurze Haft nahtlos die Abschiebungshaft an. An der nachhaltig abschreckenden Wirkung hat Öztürkyilmaz allerdings so seine Zweifel: „Wir sehen hier zum Beispiel viele junge Männer aus Albanien oder Georgien, die vermutlich systematisch angeworben und nach Deutschland geschickt werden, um Drogen zu verkaufen oder zu stehlen. Diese Hintergründe werden im beschleunigten Verfahren aber überhaupt nicht beleuchtet.“ Wer clever genug ist, könne die Verurteilung auch umgehen: „Wenn man Rechtsmittel einlegt, wird die Berufung so gut wie nie verhandelt, weil die Abschiebung vorher erfolgt. Dann gelten sie hier nicht als vorbestraft.“

In seinen Augen, sagt Öztürkyilmaz, gehe es hier vor allem um den Showeffekt. „Man sollte sich aber vielleicht einmal überlegen, ob der das Aufgeben von rechtsstaatlichen Prinzipien aufwiegt.“ Das sieht Strafverteidiger Nitz genauso: „Mir ist keine wissenschaftliche Studie bekannt, die eine Wirksamkeit belegt.“

Niedersachsen macht unverdrossen Werbung für das Modell, das gesetzlich überall möglich ist. Mit zusätzlichen Stellen für die Amtsgerichte und Staatsanwaltschaften in Hannover, Osnabrück, Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg wurden diese Verfahren massiv befördert. Erst Anfang Februar waren sechs Justizstaatssekretäre aus anderen Bundesländern in Hannover zu Gast. Baden-Württemberg plant jetzt Modellversuche.

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