Rücktritte, gebt uns Rücktritte!: Die K-Frage
Es sind Chaostage in good old Deutschland. Einige immerhin können noch Verantwortung übernehmen und hauen in den Sack.
Kaum hat sich „Sabine“ hinter die Gardine zurückgezogen, da erschüttern Rücktrittsmeldungen unser anscheinend noch nicht genug gezaustes kleines Land: Die drei Ks, Klinsmann, Kramp-Karrenbauer, Kardinal Marx – sie wollen alle drei nicht mehr.
Der Münchener Erzbischof Kardinal Marx verkündet seinen Rückzug vom Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Nach außen gibt er Altersgründe an, doch letztlich dürfte ihn der Kampf mit dem Rapistenflügel um den Kölner Kardinal Woelki zermürbt haben.
Annegret Kramp-Karrenbauer wiederum verzichtet auf die Kanzlerkandidatur und mittelfristig auch auf den CDU-Vorsitz. Zeitlich verbunden wirkt der Entschluss mit ihrem Unvermögen, in der Affäre Kemmerich die Thüringer CDU zu bremsen.
Deren Fraktionsvorsitzender Mike Mohring hat die offizielle Linie und damit auch seine Vorsitzende verraten. Allerdings ist es derart untypisch für diese Partei, dass ihre Leute die Verantwortung dafür übernehmen, was unter ihnen, geschweige denn über, neben oder auch nur in ihnen vorgeht, dass man automatisch nach den echten Gründen weiterforschen will.
Schwabe-Kalifornier-Gemisch
Hohe Frustration mit dem nachfolgenden Gefühl der Überforderung möchte man sowohl bei Kramp-Karrenbauer als auch bei Marx kurzdiagnostizieren. Ganz anders unser dritter Rücktritt der Woche: Jürgen Klinsmann, der Trainer des Fußballbundesligisten Hertha BSC. Der Wahl-Weddinger hinterfragt andere kaum und sich selbst schon mal gar nicht.
Da mischt sich der Schwabe ungut mit dem Kalifornier; gierige, provinzielle und rechthaberische Kleinbürgerlichkeit mit oberflächlichem und angesichts der Umstände (Jahrhundertwaldbrände, Jahrtausenderdbeben, Tabellenvierzehnter) notorisch unangebracht wirkendem Sunnyboy-Optimismus. Alles in allem ergibt das eine Mentalitätskombination aus der Hölle.
Sie beinhaltet auch den festen Glauben, man könne jederzeit und alles ohne jeglichen Kompetenzerwerb vollbringen, wenn man es denn nur wolle: Schauspieler, GröFaZ, Maler, Drehbuchautor oder Trainer einer Bundesligamannschaft. Scheißegal, anything goes, Traumfabrik Reichssportfeld.
Spätestens jetzt drängen sich natürlich die Parallelen zu Adolf Hitler auf. Zwar zögerte der Österreicher vergleichsweise allzu lange mit dem Rücktritt. Doch hier wie dort wurden verdiente Player geschasst (Salomon Kalou – Erwin Rommel), fremde (Lars Windhorst – IG Farben) Millionen verbrannt (Santiago Ascacibar – V1), Entscheidungsschlachten verloren (Heimniederlage gegen Mainz 05 – Kesselschlacht von Halbe).
Und die Konsequenzen?
Auch Vereinsikonen wie SA-Chef Ernst Röhm oder Torwarttrainer Zsolt Petry wurden aus persönlicher Eitelkeit unfein entsorgt. Und beide Leitfiguren forderten bis zum Ende für ihre erwiesene Inkompetenz uneingeschränktes Vertrauen, dessen Fehlen in ihren Augen natürlich der einzige Grund für ihr Scheitern war.
Sehr unterschiedlich sind jedoch die Konsequenzen. Während Kramp-Karrenbauer immerhin Verteidigungsministerin bleibt, Marx Erzbischof bleibt und Klinsmann sich mit seiner Frau Debbie im Führerbunker entleibte, zog sich Hitler lediglich auf seinen Posten als Aufsichtsratsmitglied zurück, um von dort aus weiter sein Unwesen zu treiben. Oder war es umgekehrt?
In diesen Chaoswochen kennt sich wirklich keiner mehr aus. Es ist, als hätte „Sabine“ nicht nur die Natur, sondern auch im ganzen Land die Posten, Pöstchen und Verantwortungen durcheinandergewirbelt. Nur Christian Lindner bleibt, wo er ist. Doch wen interessiert es? Aber das ist wahrscheinlich gerade sein Glück.
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