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Corona-Aufregung in BerlinMediales Fieber

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Das unbekannte Virus verunsichert die Menschen, insofern ist Information gut. Nicht hilfreich ist hingegen die Sensationslust von Live-Tickern.

Nur keine Corona-Volte verpassen: Außenaufnahme der DRK-Klinik in Köpenik Foto: picture alliance/Gregor Fischer/dpa

U nbekanntes verunsichert die meisten Menschen. Und im Fall des Coronavirus 2019-nCoV ist das wahrscheinlich auch nur ein vernünftiger Überlebensinstinkt: Immerhin ist man gerade quasi live dabei, wie ForscherInnen versuchen, dieses Virus zu verstehen, das offenbar zudem laut Virologen über recht intelligente Anpassungsstrategien an neue Wirte (uns Menschen) verfügt. Ein Impfstoff ist deshalb auch noch nicht in Sicht, weshalb lediglich die Symptome der Erkrankung – vom Schnupfen bis zur Lungenentzündung – behandelt werden können.

Selbst das grundsätzlich stocknüchterne Robert-Koch-Institut findet „größtmögliche Wachsamkeit geboten“, und stellt geradezu empathisch fest: „Erkrankungen mit neuartigen Erregern sind sehr schwer einzuschätzen, und Neues macht eher Angst als bekannte Risiken (z. B. Influenza).“

Es ist immer ein schmaler Grat zwischen Information der Bevölkerung und Panikmache. Natürlich ist es gut, wenn alle wissen, dass sie sich die Hände waschen und Abstand halten sollen. Natürlich ist es gut, wenn ein Virologe sein Corona-Wissen teilt, und die evakuierten China-RückkehrerInnen in einer Nacht- und Nebelaktion in die Quarantänestation im Köpenicker DRK-Klinikum zu bringen, wäre auch keine gute Idee. Tendenziell gilt: Wissen ist Macht, und je mehr man weiß, desto weniger ausgeliefert fühlt sich die AnwohnerIn der Köpenicker Klinik.

Und dennoch: Müssen diese ganzen Liveticker zu Corona wirklich sein, wo beinahe in Echtzeit jeder Todesfall aus China dokumentiert wird („Jetzt schon mehr Todesfälle als bei Sars vor 17 Jahren“). Wenn als Schlagzeile aus einem eigentlich differenzierten Interview mit einem Wissenschaftler die Schlagzeile bleibt „Das Virus wird leichter übertragen als Sars“, dann wird unter dem Deckmantel der Information vor allem nach der Sensation gefischt. Das befeuert das mediale Corona-Fieber. Hilfreich ist es nicht.

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1 Kommentar

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  • Zitat: „...dann wird unter dem Deckmantel der Information vor allem nach der Sensation gefischt. Das befeuert das mediale Corona-Fieber. Hilfreich ist es nicht.“

    Solche Halbwahrheiten sind auch nicht besser, als Nacht-und-Nebel-Aktionen. Denn: Nur wer weiß, fühlt sich nicht völlig ausgeliefert.

    Es ist einfach nicht wahr, dass die Jagd nach Sensationen nicht hilfreich ist. Sie hilft nur nicht jedem gleichermaßen. Wäre es anders, würde das „mediale Corona-Fiber“ gar nicht grassieren.

    Unter den gegebenen Bedingungen hilft die „Überhitzung“ beim Überleben. Die Konsumenten sind schließlich seit Jahrzehnten konditioniert. Sie erwarten, dass „die Medien“ den Wachhund für sie machen. Weil sie selber weder Zeit noch Lust haben, permanent „dran“ zu bleiben am (Welt-)Geschehen, wollen sie von „den Medien“ rechtzeitig gewarnt werden und im Ernstfall auch gleich noch einen Fluchtweg gezeigt kriegen. „Die Medien“ aber gefallen sich in der Wächter- und Führerrolle. Und zwar um so mehr, je besser sie dafür bezahlt werden.

    Unter anderen Umständen wäre das vielleicht kein Problem. Unter Kapitalismus-Bedingungen aber geht es auch für „die Medien“ jeden Tag neu uns ökonomische Überleben. Nur wer die Forderungen seiner Kundschaft besser befriedigt als die Konkurrenz, darf auf die Gnade von König Kunde hoffen. Unter diesen Bedingungen ist die Gefahr groß, dass aus der Vorsorge Hysterie wird und aus wichtigen Informationen ein kontraproduktiver „Live-Ticker“. Einfach deswegen, weil Angst kein besonders weiser Ratgeber ist.

    Als Zeitungsleser*in sollte man diese Zusammenhänge kennen und wertend einbeziehen in seine Wahrnehmung. Aber dafür braucht es eine gewisse Souveränität. Die ist, auch dank medialer Bemühungen, nicht jedem gegeben. Und ich fürchte fast, „die Medien“ werden auch morgen noch einen Teufel tun, an ihrer autoritären Strategie für autoritäre Kunden etwas zu ändern. Zu sehr fürchten sie die Konkurrenz - bzw. Kunden, die Gutes einfach nicht zu schätzen wissen.