piwik no script img

„Heimatabend“ im Schloss BellevueSteinmeiers Nächte sind lang

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt zum „Heimatabend“ mit migrantischen Künstlern. Auch Almancı tanzen begeistert zu Musik von DJ Ipek.

Adam Bousdoukos, Cymin Samawatie, Ersan Mondtag diskutieren mit Moderator Ijoma Mangold Foto: Christoph Soeder / dpa

Dass der Gassenhauer „Kreuzberger Nächte sind lang“ im Schloss Bellevue ertönt, kommt auch nicht alle Tage vor. Insofern war es gewöhnungsbedürftig, als Sultan Tunc am Donnerstagabend die kleine Bühne des dortigen Festsaals bestieg.

Im weißen Nadelstreifen-Anzug, mit coolen Sneakers gab der deutschtürkische Rapper mit dem Rasta-Zopf die arabeske Version eines Erfolgshits zwischen zwei cremefarbenen Kissengemälden des deutschen Malerfürsten Gotthard Graubner zum Besten. Das Publikum tobte.

Der Zeitpunkt für den „Heimatabend“, zu dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinen Amtssitz geladen hatte, hätte nicht besser gewählt sein können. Während sich in Erfurt die parlamentarische Speerspitze des Neovölkischen über ihre gelungene Wahl-Scharade freuen durfte, entfaltete sich in den Sälen des früh­klassizistischen Baus im Tiergarten demonstrativ eine Heimat, wie sie diverser nicht sein könnte.

„Heimat gibt es auch im Plural“, leitete Steinmeier betont programmatisch eine Soirée ein, die von einer Pionierin der Diversität wie der Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar über das Berliner Quartett „Cyminology“ bis zu Ersan Mondtag, dem Shooting-Star der postmigrantischen Dramatik, reichte. Schnipsel aus Fatih-Akin-Filmen sorgten für ein paar hübsche Verfremdungseffekte.

Längst nicht nur entspannte Multikultur

„Vor zehn, fünfzehn Jahren wäre das so noch nicht vorstellbar gewesen“, staunte Ijoma Mangold über das bunte Setting. Der Zeit-Kritiker, selbst Deutscher mit nigerianischem Hintergrund, moderierte eine Gesprächsrunde, die der schleichenden Veränderung der deutschen Heimat von den „Gastarbeitern“ bis zu den Tücken der Identitätspolitik nachspürte.

In dem vielfältigeren Deutschland, das seitdem entstanden ist, wollen Menschen mit migrantischem Hintergrund wie die in Deutschland geborene Sängerin Cymin Samawatie („Cyminology“) oder der in Berlin geborene Ersan Mondtag einfach nur gute Kunst machen. Sie sind es leid, irgendwelchen von außen an sie herangetragenen Rollenklischees gerecht werden zu müssen.

Längst ist da aber noch nicht die entspannte Multikultur entstanden, die alle gern beschwören. Es stimme etwas nicht, wenn seinem Vater „der Gang auf das Amt mehr Angst ­einjage als eine Waffe im Gesicht“, goss der Schauspieler Dimitrij Schad, der mit acht Jahren vom kasachischen Almaty nach Deutschland zog und 2013/14 zum Nachwuchsschauspieler des Jahres gekürt worden war, Wasser in den Wein des deutschen Selbstbildes von der Willkommenskultur.

Er sei einmal Zeuge gewesen, als die kasachische Mafia seinen Vater im Auto mit der Waffe bedrohte und ihm Lösegeld abpresste. Da habe er ihn cooler erlebt als an den Tagen, wo der Vater in Deutschland aufs Amt musste.

Alles in allem ein gelungener Abend, selbst wenn es nur Symbolpolitik war. Die deutsche Xenophobie beseitigt ein solcher Heimatabend sicher nicht. Doch das Zeichen kam an.

„Uns gehört der Serail“, begeisterte sich eine Almancı zu vorgerückter Stunde, als der offizielle Empfang unter der Vinylführung von DJ Ipek (İpek İpekçioğlu) in eine Disco ausartete, die dem SO36, in dem die queere Musikantin und antirassistische Aktivistin sonst die Kreuzberger Nächte aufheizt, jede Ehre machte. „Könntest du dir vorstellen, dass Erdoğan so einen Abend in seinem Palast macht?“, fragt mich die Freundin. „Ich nicht!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • &!Däh&Zisch - Mailtütenfrisch -

    “ btw.: "Kulturschaffende" werden offensichtlich durch Einladung zu "Mächtigen" stärker korrumoiert als durch Geld. Hätte ich einen Hund, würde ich ihn "Wü" nennen.“

    kurz - Das ist ja glatt zum Bellen - 🎭 -



    &



    Ha no. Schöne Aussichtèn. Na denn.

  • &!Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - Da capo

    “ Glückauf! Da wiederhole ich mich gern. Henning Venske nahm sich auf seiner Abschiedstournee "Summa summarumm" "Größen" aus der deutschen Politik vor, Präsidenten und Kanzler:innen. Zu Steinmeier sagte er: "Dem wünsche ich fünf Jahre Guantanamo." Ich war der einzige, der "Bravo!" gerufen hat. Das linkslastige Publikum von Lerer:innen war etwas konsterniert. "Summa summarum" - auch als Buch erhältlich:



    www.buecher.de/sho...prod_id/54344783/“

    kurz - Liggers. Das 🐖chen - erkennste.



    Am Ringelschwänzchke & bei Henning Venske.

    & Däh! unvergessen -



    Wolfgang Nešković im BT. - …Und auch kein Bedauern?“ - “Nein!“ Bodenlos kalt.



    & deswegen - ins BellevueStammbuch:



    “An ihren Klempnern! - nicht an ihrem Auf-Dufte-Grinsen - Sollt ihr die Silbern des Grauens - wa! Erkennen - 😱 - “

    So geht das

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Wenn die Mündung einer Waffe im Gesicht als weniger bedrohlich als ein Gang auf eine deutsche Behörde aufgefasst wird, wie oben behauptet, dann ist etwas fürchterlich im Argen. Entweder wir werden hier instrumentell angelogen oder wir müssen allen Betroffenen raten, fürderhin nicht mehr ohne Anwalt oder geeignete Zeugen deutsche Amtsstuben aufzusuchen.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      &Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - betroffen

      “ "oder wir müssen allen [Betroffenen] raten, fürderhin nicht mehr ohne Anwalt oder geeignete Zeugen deutsche Amtsstuben aufzusuchen."







      Ich rate es allen, damit sie hinterher nicht betroffen sind.



      "Geh nie allein zur Polizei!"

      kurz&frisch - anschließe misch - 😱 -

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Das Roll-back läuft doch längst etwa seit Mitte der 90er - & ein einst Vertrauter des Hausherrn - äußert sich doch nicht überraschend grad so -

      “Hans-Georg Maaßen freut sich. „Die Wahl von Thomas Kemmerich ist ein Riesenerfolg“, sagte der konservative CDU-Mann und Ex-Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz am Mittwoch dem Tagesspiegel. „Ich habe in Thüringen die Wende unterstützt. Hauptsache, die Sozialisten sind weg.“ Aber er äußert auch harte Kritik an der eigenen Partei.

      Die Wahl von Kemmerich mithilfe der AfD sei „ein Schlag ins Gesicht derjenigen Parteifreunde in der CDU, die lieber eine sozialistische Regierung Ramelow dulden wollten als einen eigenen CDU-Kandidaten bei der Ministerpräsidentenwahl aufzustellen“. Er hoffe, sagte Maaßen, „dass die CDU in Thüringen begreift, dass sie mehr auf ihre Wähler hören muss. Zehn Prozent sind bei der vergangenen Landtagswahl weggelaufen. Viele zur AfD, andere sind zuhause geblieben. Jetzt heißt es, die Wähler zurückzugewinnen. Zum Beispiel mit einer anderen Migrationspolitik, in der endlich ausreisepflichtige Zuwanderer abgeschoben werden.“



      www.tagesspiegel.d...-weg/25511440.html

      kurz - Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf & Nix - “… oder wir müssen allen Betroffenen raten, fürderhin nicht mehr ohne Anwalt oder geeignete Zeugen deutsche Amtsstuben aufzusuchen.“



      Nö. Kein - 'oder'! •

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        .



        Angesichts der Anschuldigungen werde ich Folgendes tun:



        Ausländer_innen und Migranten werde zukünftig vermehrt nach ihren Erfahrungen eben diesbezüglich fragen und auch anbieten, sie gerne zu Behördengängen zu begleiten.

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Gelobet seien gute Taten but entre nous:

          Ha no. Daßse nur nicht in Verdacht geraten. Dess is - Koa Schmus.



          Wies auf sojet dreist usus unlängst hin.



          Se wollte stikum btw nur mal absahnen



          & in Wahrheit - ja so bei Gelegenheit -



          Hättens Ehanbahnen - frech im Sinn. 😱

  • Was ist eine Almanci?

  • Klar - Heimat ist - anlaß&rechtsgrundlos - Newahr!



    Für Murat Kurnaz für 5 - in Worten fünf Jahre - .



    Weggeschlossen in Guantanamo.•



    & Normal -



    Steinmeiers Klempner - Hans-Georg Maaßen.



    “ Maaßen zur Wahl von Thomas Kemmerich „Hauptsache, die Sozialisten sind weg“



    Der konservative CDU-Mann und Ex-Verfassungsschutzchef empfiehlt der Thüringer CDU eine Minderheitsregierung mit der FDP – und lobt die Taktik der AfD.“



    www.tagesspiegel.d...-weg/25511440.html

    Noch Fragen? Kurzes Geächtnis! Gellewelle&Wollnichwoll!

    kurz - Erbärmlich •

    • @Lowandorder:

      > Für Murat Kurnaz für 5 - in Worten fünf Jahre - .



      Weggeschlossen in Guantanamo. <

      Gerade klicke ich hierher, um in diese tazi- und präsidialer Heimatlichkeit und Selbstbesoffenheit mal den Namen Kurnaz zu werfen. Aber der omnipräsente Herr Amtsgerichtsrat hat schon "Ick bin all hier" gerufen.

      Fein + recht so! :-)

      • @Marzipan:

        Liggers. But. Auf den solcherart so verluderten Seminarjungspund - hab ich immer ein besonderes Auge. Unsäglich.

        • @Lowandorder:

          Ernst Bloch - “Heimat - wo noch niemand war.“