: Leo Varadkar will es wissen: Wahlen in Irland
Selbst eine neue Regierung brächte nach den vorgezogenen Neuwahlen am Samstag keinen Politikwechsel
Am Samstag wählt Irland eine neue Regierung. Zwei Themen dominieren den Wahlkampf: die Krise des Gesundheitssystems, mit dem es seit zwanzig Jahren stetig bergab gegangen ist, sodass Hunderte von Patienten in den Gängen der Krankenhäuser auf Notbetten liegen und so mancher auf lebensnotwendige Operationen Monate warten muss; und die große Wohnungsnot in Dublin, die mit astronomischen Miet- und Immobilienpreisen zu tun hat.
Eigentlich wäre der Urnengang erst im nächsten Jahr fällig gewesen, aber die Minderheitsregierung der liberalkonservativen Fine Gael ist nach nur zweieinhalb Jahren im Amt am Ende. Sie hätte ein von der Opposition angekündigtes Misstrauensvotum gegen Gesundheitsminister Simon Harris nicht überstanden. Um dem zuvorzukommen, hat Premierminister Leo Varadkar nun vorgezogene Wahlen angesetzt.
Fine Gael ist in den Umfragen auf 20 Prozent abgesackt. Die ebenso konservative Fianna Fáil liegt bei 23 Prozent. Vor den beiden großen konservativ-nationalistischen Kräften steht die linksoppositionelle Sinn Féin mit 25 Prozent. Doch weder Fine Gael noch Fianna Fáil wollen mit Sinn Féin koalieren.
Fianna Fáil moniert, dass Sinn Féin nach wie vor vom Armeerat der eigentlich aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), der in Irland wie auch in Großbritannien als Terrororganisation verbotenen bewaffneten Untergrundarmee der nordirischen Katholiken, beaufsichtigt werde. Historisch gesehen war die IRA der bewaffnete Arm von Sinn Féin. Mit solch zwielichtigen Figuren könne man keine Regierung bilden, sagte Parteichef Micheál Martin. Sinn Féin sei „keine normale Partei“, konstatierte auch Premier Varadkar.
Eine Koalition zwischen Fine Gael und Fianna Fáil kommt für beide Parteien jedoch auch nicht infrage, weil die Wähler dann merken würden, dass es kaum Unterschiede zwischen den beiden Kräften gibt, die Irlands Politik seit der Staatsgründung 1922 beherrschen. Beide großen Parteien haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie unfähig sind, die Probleme des Landes zu lösen. Und dennoch wird eine der beiden wohl wieder an die Regierung kommen.
In Aufwind befinden sich die Grünen, die aber nur bei 8 Prozent liegen, sowie unabhängige Kandidaten als Königsmacher. Das irische Wahlsystem begünstigt Parteilose. Die Wähler machen in Irland nämlich kein Kreuz auf dem Stimmzettel, sondern nummerieren die Wahlkreiskandidaten in der Reihenfolge ihrer Präferenz. Wenn Nummer eins eines Stimmzettels aus dem Rennen um das Mandat ausscheidet, weil sie insgesamt zu weit hinten liegt, werden stattdessen die Kandidaten zweiter und dritter, im Bedarfsfall auch zehnter Wahl gewertet. Nach den letzten Wahlen bestand das Parlament zu fast einem Drittel aus unabhängigen Abgeordneten.
Von links ist wenig zu erwarten. Es gibt 15 verschiedene Parteien. Irlands Labour Party, die zu den konservativsten sozialdemokratischen Parteien in Europa zählt, dümpelt bei 4 Prozent. Ralf Sotscheck, Dublin
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