: EU-Verkehrswende:Massive Investitionen
Europäische Umweltagentur präsentiert Verkehrsstudie mit Vorschlägen, wie ÖPNV zum Rückgrat des städtischen Transportsektors werden kann. E-Roller der falsche Weg
Von Reinhard Wolff, Stockholm
Sie zieren das Titelbild einer am Montag veröffentlichten Verkehrsstudie der Europäischen Umweltagentur (EEA): schicke gelbe E-Roller. Doch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kann sich in seiner Auffassung, E-Roller würden eine wichtige Rolle spielen können, um die Verkehrswende voranzubringen, nicht bestätigt fühlen.
Im Gegenteil konstatiert der Bericht „Die erste und letzte Meile – der Schlüssel zu nachhaltigem städtischen Transport“: Der beste Weg zu nachhaltiger Mobilität in den Städten seien „Gehen, Radfahren und öffentlicher Nahverkehr“. Und wolle Europa seine langfristigen Nachhaltigkeits- und Klimaziele erreichen und den Gebrauch von Autos und damit Staus und Emissionen verringern, müsse das Angebot für „die erste und letzte Meile“ so gestaltet werden, dass diese Strecken bequem zu Fuß, per Rad oder mit dem ÖPNV zurückgelegt werden könnten.
Busse, Züge, U- und S-Bahnen deckten zwar die weitesten Strecken des täglichen Pendelverkehrs zwischen Wohnung und Arbeitsstelle ab, so der Rapport, aber solle dieses Angebot wahrgenommen werden, müsse nicht nur die Anbindung an die öffentliche Verkehrsinfrastruktur verbessert, sondern für die ÖPNV-BenutzerInnen auch der Weg zum nächsten Bahnhof oder zur nächsten Haltestelle einfacher gemacht und attraktiv gestaltet werden. Wobei eine solche Umstellung von entscheidender Bedeutung sein werde, damit der von der EU-Kommission im Dezember vorgeschlagene „Green Deal“ eine Chance auf Realisierung habe.
Eine von der EEA ebenfalls am Montag veröffentlichte Bestandsaufnahme der Klima- und Umweltauswirkungen des Verkehrs bekräftigt die zentrale Rolle, die der Transportsektor für das Ziel der „Klimaneutralität“ hat. Und zeigt auf, wie er seine Nachhaltigkeitsziele bisher verfehlt. Dieser Sektor beruht weiterhin nahezu vollständig auf fossilen Brennstoffen. Er ist für ein Viertel der europäischen Treibhausgasemissionen verantwortlich und eine Hauptquelle von Luftverschmutzung und Umgebungslärm. Die CO2-Emissionen dieses Sektors seien nicht gesunken, sondern trotz aller Verbesserungen der Effizienz in der Fahrzeugtechnik seit 1990 um 29 Prozent gestiegen, wird vorgerechnet. Auch und gerade in den vergangenen fünf Jahren. Dabei müssten diese Emissionen bis 2050 um 90 Prozent reduziert werden.
Im individuellen Autoverkehr sei der Trend bislang sogar gegenläufig: Nachdem sie zwischen 2010 und 2016 gesunken waren, seien die durchschnittlichen CO2-Emissionen neu zugelassener Pkws 2017 und 2018 gewachsen. Um das für 2021 gesetzte Ziel einer Durchschnittsemission von 95 g CO2/km zu erreichen, müsste dieser Wert um 21 Prozent sinken. Auch die Umstellung des Transportverkehrs auf erneuerbare Energiequellen gehe zu langsam: Hier werde das Ziel eines Anteils von 10 Prozent bis 2020 verfehlt. Nur zwei EU-Staaten hätten es erreicht: Finnland und Schweden.
Seit eineinhalb Jahrzehnten stagniere der Anteil des Bus- und Schienenverkehrs am gesamten Aufkommen des Personenverkehrs bei 8 beziehungsweise bei 9 Prozent, stellt die EEA fest. Und warnt: Einen unterentwickelten ÖPNV durch Dienste wie Uber oder das Angebot von E-Rollern ausgleichen zu wollen, sei der falsche Weg. Die Umweltverträglichkeit von E-Rollern zum Beispiel müsse sowohl bei deren Materialien als auch beim Betrieb in Frage gestellt werden.
Zentral für eine umfassende, europaweite Verkehrswende seien neben Maßnahmen wie der Verringerung des Angebots an Parkplätzen und neuen Straßenbenutzungsgebühren in Form von City-Maut oder Roadpricing massive Investitionen in die Attraktivität des ÖPNV. Dessen Angebote müssten eine „faire Chance“ bekommen, um mit dem individuellem Autoverkehr mithalten zu können. Beispielsweise dadurch, dass sich in den Pkw-Haltungskosten auch die von der Benutzung ausgehenden Umwelt- und Gesundheitsschäden widerspiegeln. Bisher reflektierten die Kosten eines Pkws für die Benutzer nämlich gerade nicht die gesellschaftlichen Kosten. Grundlagen für die Berechnung solcher Kosten gebe es bereits, konstatiert die EEA abschließend unter Verweis auf das von der EU-Kommission herausgegebene „Handbuch der externen Transportkosten“.
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