piwik no script img

Drogenpolitik in BerlinGroße Mengen, viel Attraktivität

Bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität im Görlitzer Park setzt die nicht regierende CDU auf kleinste Dosen beim Cannabis.

Kiffen geht immer Foto: dpa

Die Diskussion im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses hatte ein bisschen was von einem Déjà-vu. Fünf Jahre ist es her, dass der damalige rot-schwarze Senat den Görlitzer Park in Kreuzberg zu einer Nulltoleranzzone für Drogen erklärt hatte. Treibende Kraft war der frühere CDU-Innensenator Frank Henkel, die SPD trug das Vorhaben mit. Der Drogenhandel in dem Park und dessen Umgebung florierte danach munter weiter. Außer Publictiy für Henkel hatte die Maßnahme nichts gebracht.

Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher und Fraktionschef der CDU, sieht das anders. Der rot-rot-grünen Landesregierung warf er am Montag im Innenausschuss vor, den Drogenkonsum zu verharmlosen. Die hatte die Nulltoleranzvorschrift 2017 gekippt. Die Eigenbedarfsmenge für Cannabis, so Dreggers Forderung, müsse deutlich gesenkt werden. Geändert werden müsste dafür eine Verfügung, die besagt, dass der Besitz von Cannabis strafbar ist, die Staaatsanwaltschaft das Verfahren aber bei einer Menge von bis zu 15 Gramm für den Eigenverbrauch einstellen kann.

Laut Dregger ist Berlin mit dieser Menge deutschlandweit führend. Das sei der Grund, warum die Hauptstadt für Rauschgifthändler und Konsumenten „so attraktiv“ sei. In zwölf Bundesländern liege die Eigenbedarfsgrenze bei 5 bis 6 Gramm. Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz würden bis zu 10 Gramm tolerieren. Die Berliner Eigenbedarfsgrenze müsse deutlich unter den Bundesdurchschnitt abgesenkt werden, forderte Dregger.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) hielt Dregger entgegen, die Nulltoleranzlinie sei eine „gescheiterte Strategie“. Die Dealer hatten sich seinerzeit ganz schnell angepasst, indem sie weniger Cannabis am Körper gehabt, es dafür aber in Bunkern deponiert hätten. Auch eine Verdrängung in die Seitenstraßen sei durch die Nulltoleranzstrategie befördert worden.

Brennpunkteinheit bewährt sich

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Frank Zimmermann hielt Dreggers Ansinnen für ein „Spiel mit Begriffen“. Die 15-Gramm-Verfügung sei eine Kann-Vorschrift. Die Staatsanwaltschaft könne das Verfahren einstellen, müsse es aber nicht. Die Verfügung bedeute keinen Schutz für Dealer, meinte auch Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen. Jeder, der zum zweiten Mal mit 15 Gramm erwischt werde, habe mit einem Strafverfahren zu rechnen.

Von Neuerungen wie der Brennpunkteinheit, die im Görlitzer Park und an anderen sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten seit Anfang des Jahres zum Einsatz kommt, verspricht sich die Regierungskoalition mehr als von einer Senkung der Eigenbedarfsmenge. Von jetzt 65 Beamten soll die Einheit bis April auf 125 aufgestockt werden.

Schon jetzt sei erkennbar, dass sich die Dealer durch den erhöhten Kon­trolldruck gestört fühlten, sagte Geisel. Auch Anwohner und Gewerbetreibende würden auf das Konzept positiv reagieren. Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die aus Angehörigen diverser Senatsverwaltungen, Polizei, Ordnungsamt und BVG besteht, soll nach Angaben des Innensenators im März erste Ergebnisse für ein Maßnahmenpaket vorstellen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Halloho! Liebe Vertreter des Volkes : Seid Ihr echt so doof oder tut Ihr nur so? Der EINZIGE Weg zu einem längst überfälligen Verbraucherschutz, der Euch nebenbei Staatskassen voll Geld beschert und gleichzeitig die Drogenmafia entmachtet geht über Entkriminalisierung und kontrollierte Abgabe ! Die Polizei, Staatsanwälte und Richter dürfen sich dann endlich wieder um die wirklich bösen Jungs kümmern, statt um harmlose Kräuterfreunde oder Psychonauten. 256185460 Euro kosten im Bundesdurchschnitt 6506 weggesperrte BTM Freunde pro Jahr. (12,6 % aller Inhaftierten -Stand 2017). In Deutschland brachte die Polizei 2017 laut Bundeskriminalamt mehr als 198.000 Cannabis-Straftaten zur Anzeige. 84 Prozent davon wegen Konsum, nicht wegen Handel oder Schmuggel. Sogar der Bund Deutscher Kriminalbeamter hat sich Anfang 2018 für eine Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Weitere handfeste und fundierte Infos zum Thema unter www.schildower-kreis.de (vom ärzteblatt empfohlen)



    OK. Mit Vernunft, Mitgefühl und Logik ist Euch nicht beizukommen, vielleicht so: Laut dem amerikanischen Institut für Steuern und Wirtschaftspolitik hat die USA im vergangenen Jahr über eine Milliarde Steuern aus dem Cannabis-Einzelhandel erwirtschaftet. In Zahlen : 1 000 000 000.



    Halloho, liebe Politikdarsteller klingelt da was? Nein? Immernochnicht?

    • @tom cloud:

      Und nicht zu vergessen, mit dem ganzen Geld könnte man dann endlich die psychiatrischen Notfallstationen für die zunehmende Gruppe von Jugendlichen ausbauen, die Cannabis assoziierte Psychosen haben und völlig überlaufen sind. Und auch für Therapieplätze die 14 jährigen, denen von morgens bis abends (einschließlich Grünen Parteiprogramm) erzählt wird, dass das ja alles so unschädlich sei und die nichts mehr auf die Reihe bekommen. Und betreute Wohnplätze, die auch psychisch Kranke aufnehmen, die konsumieren ( in der Regel ein Ausschlusskriterium, wenn sie nicht an ihrer Abstinenz arbeiten). Also das prophezeite Geld wäre schnell weg für die Finanzierung der ganzen Kollateralschäden.

      • @Bär Lauch:

        Auffallend, dass psychotrope Substanzen meistens Paranoias und Wahnvorstellungen bei Leuten erzeugen die sie nie genommen haben und die oft sehr wenig von diesem Thema wissen. Falls sie sich mal informieren wie das Verhältnis ist, von Problemen die sie beschreiben und Problemen die vom Alkohol-, Medikamenten und Nikotinmissbrauch entstehen, werden Sie sich wundern. In ALLEN Ländern (Kanada, USA, Portugal, Niederlande, Uruguay...) zeigen Studien und Erfahrungen dass Konsum durch Entkriminalisierung und kontrollierte Abgabe NICHT anststeigt.



        Nur die Problembewältigung erhöht sich. Mündigkeit, Selbstverantwortung und Qualitätssicherung minimiert Probleme. Dass es jedoch problematisch ist wenn 14 jährige von morgens bis abends kiffen, steht ausser Frage. Dass irgendjemand "von morgens bis abends (einschließlich Grünen Parteiprogramm) erzählt, dass das ja alles so unschädlich sei" - halte ich jedoch für erfunden. ALLE Studien zum Thema sind einstimmig darin, dass Alkohol schädlicher ist als Cannabis. So wird wohl keiner mit gesundem Menschenverstand von Unschädlichkeit reden, sondern von "weniger Schädlich" - was die gesellschaftliche Neubewertung dieses Themas unumgänglich macht.

      • @Bär Lauch:

        Ohje, ein Anhänger der kruden Thomasius-Propaganda. Weshalb ist es in den Niederlanden nicht so, wie du es hier beschreibst?