Inga-Staudamm in Kongo: Megadamm? Megaproblem!
Präsident Tshisekedi reduziert Ausbaupläne für die Inga-Staudämme am Kongo-Fluss. Firmen aus Europa machen einen Rückzieher.
Der Strom fließt zumeist durch eine Hochspannungsleitung nach Katanga im Süden des Landes, wo er teils den industriellen Bergbau versorgt, teils nach Südafrika exportiert wird. Für Kongos nahe Hauptstadt Kinshasa mit 11 Millionen Einwohner bleibt kaum etwas übrig.
Ein dritter Staudamm, Inga III, ist seit Jahrzehnten geplant. Unter Präsident Joseph Kabila, von 2001 bis 2019 an der Macht, wurden dazu mehrere Vereinbarungen getroffen: das südliche Afrika würde Strom kaufen und damit den Bau finanzieren. Doch eine solche Konstruktion setzt Vorfinanzierung durch Banken voraus, und 2016 zog sich die Weltbank aus dem Projekt zurück. So passierte nichts. Nun hat der neue Präsident, Felix Tshisekedi, seit einem Jahr im Amt, eine folgenschwere Entscheidung getroffen: Damit überhaupt etwas passiert, schrumpft Inga III deutlich von 11.000 auf 4.800 MW.
Die Entscheidung fiel auf einer Tagung der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) in Abidjan in der Elfenbeinküste am 13. und 14. Januar. Die Teilnehmer, darunter Kongos Regierung, sprachen sich für das bereits 2013 von der AfDB gebilligte Modell eines kleineren Kraftwerks aus. 2.500 MW Strom sollen nach Südafrika gehen, 1.300 nach Katanga, wo der Kupfer- und Kobaltbergbau dringend mehr Strom braucht, 1.000 verbleiben für das nationale Stromnetzwerk. Die AfDB soll nun die Beratungen für eine Ausschreibung organisieren.
Viel Erklärungsarbeit
Nun wird Tshisekedi viel Erklärungsarbeit zu leisten haben. 2018, gegen Ende der Amtszeit von Joseph Kabila, hatte die Grand-Inga-Agentur des Kongo, die direkt dem Präsidenten untersteht, den Bau von Inga III ohne Ausschreibung an ein europäisch-chinesisches Konsortium vergeben. Zwei bisher in Konkurrenz miteinander auftretende Firmengruppen, eine geführt von der spanischen ACS (Actividades de Construccion y Servicios) des Real-Madrid-Präsidenten Florentino Perez und eine andere des chinesischen Staudammbauers Three Gorges International, hatten sich dafür zusammengetan. Doch ein Jahr später verkrachten sich die beiden ausländischen Rivalen. Und an Inga III im Kleinformat sind sie bisher nicht interessiert.
Am 21. Januar wurde bekannt, ACS ziehe sich aus dem Projekt zurück. Man „wird sich nicht an der Umsetzung beteiligen“, so ein von der Wirtschaftsagentur Bloomberg veröffentlichtes Firmenschreiben.
Der Rückzieher betrifft auch den zum ACS-Konsortium gehörenden Turbinenhersteller Andritz aus Österreich. Für die Österreicher ist nicht alles verloren: Andritz saniert aktuell mit General Electric aus den USA das Kraftwerk Inga II und könnte auch beim neuen Projekt Inga III zur Lösung des größten technischen Problems beitragen: Lauf AfDB muss für Inga III ein Teil des Flusswassers, das Inga I und II nährt, umgeleitet werden, und damit wird Kongo während der Bauzeit noch weniger Strom produzieren als heute.
Ein anderes Problem kann bisher niemand lösen: Das Kraftwerk soll auch in seiner verkleinerten Form einschließlich Leitungen nach Südafrika 14 Milliarden US-Dollar kosten, mehr als Kongos Staatshaushalt. Nach den gültigen Inga-Verträgen zahlen die Stromabnehmer – aber bei viel weniger Strom als einst geplant könnte das unwirtschaftlich werden.
Finanzierung extrem ungünstig
Angola, das bislang bis zu 5.000 MW Inga-Strom wollte, hat eigene Wirtschaftsprobleme. Südafrikas staatliche Stromfirma Eskom, laut geltenden Verträgen der Hauptabnehmer, steht mit 30 Milliarden US-Dollar Schulden am Rande der Pleite. So sind die Finanzierungsbedingungen der Banken extrem ungünstig. Die Alternative einer Finanzierung durch China-Kredite würde in einer Zeit, wo Kongos neue Regierung massive Ausgabensteigerungen zur Armutsbekämpfung plant, den internationalen Finanzinstitutionen große Probleme bereiten. So oder so: Auch in Kleinformat wirft Inga III massive Fragen auf.
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