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NS-Morde in KonzentrationslagernAuch Frauen unter den Tätern

Sie waren WegbereiterInnen des Massenmords. Trotzdem wurden SchreibtischtäterInnen der NS-Zeit lange nicht strafrechtlich verfolgt.

Hildegard Lächert (4.v.l) auf der Anklagebank vor einem Gericht in Krakau 1947 Foto: PAP/picture alliance

Hermine Braunsteiner, so beschrieben es Zeugen, warf die aus dem Warschauer Getto deportierten Kleinkinder unter den Augen ihrer Mütter wie Müll auf Lastwagen, damit diese so schnell wie möglich in die Gaskammer des KZ Majdanek gebracht werden konnten.

In Düsseldorf erhielt die frühere Aufseherin im Juni 1981 als einzige der Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe. Hildegard Lächert, von den Häftlingen die „blutige Brygida“ genannt, die bei Gelegenheit eine schwangere Gefangene von ihrem Hund zerfleischen ließ, kam günstiger davon: 12 Jahre Haft.

Der Massenmord an Juden, Sinti und Roma war keineswegs nur eine Angelegenheit von männlichem Personal. Die Historikerin Andrea Rudorff schätzt, dass allein in den Konzentrationslagern im besetzten Polen etwa 3.500 Frauen beschäftigt waren. In Auschwitz etwa arbeiteten neben etwa 6.000 SS-Männern auch rund 170 SS-Aufseherinnen. Manche von ihnen waren nicht weniger grausam als ihre männlichen Mittäter.

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs ergingen gegen Nazi-Frauen harte Schuldsprüche. Die polnische Justiz verurteilte im zweiten Majdanek-Prozess 1948 eine Aufseherin zum Tod. Schon im Mai 1946 waren fünf Aufseherinnen des KZ Stutthof bei Danzig zum Tod verurteilt worden.

Im ersten Prozess gegen TäterInnen des KZ Ravensbrück, in dem vorwiegend weibliche Häftlinge inhaftiert waren, erging von einem britisches Militärgericht gegen fünf Aufseherinnen ein Todesurteil. Und 1966 erhielten die Aufseherin Ulla Jürß und zwei Mitangeklagte durch ein DDR-Gericht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Erst im Mai 1991 kam sie frei.

Manche von ihnen waren nicht weniger grausam als ihre männlichen Mittäter

Die allermeisten KZ-Täterinnen allerdings entgingen einer Bestrafung. Gar nicht erst ermittelt wurde in der Bundesrepublik gegen weibliches (und männliches) Lagerpersonal, das in der Telefonzentrale, in der Küche oder der Verwaltung dafür sorgte, dass die KZ-Mordmaschine arbeiten konnte. Damals vertrat die Justiz die Auffassung, dass auch zu einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord der Nachweis einer individuellen Tötung nötig sei.

Das hat sich vor wenigen Jahren durch­ ein Urteil des Bundesgerichtshof geändert. Seitdem bemüht sich die Justiz meist vergeblich darum, die letzten noch lebenden KZ-WächterInnen dingfest zu machen. Doch die meisten mutmaßlichen TäterInnen sind verhandlungsunfähig.

2016 lehnte das Landgericht Kiel die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen Christel M. ab. Sie hatte als Funkerin in Auschwitz gearbeitet. Doch die 93-jährige erblindete und fast taube Angeklagte, so befand das Gericht, sei nicht mehr verhandlungsfähig. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelte 2017 gegen die 92-jährige Christel R., die als Telefonistin im KZ Stutthof eingesetzt war. Doch noch vor einer Anklageerhebung verstarb diese.

Mittlerweile vernehmungunfähig

Derzeit laufen Ermittlungen gegen vier ehemalige Nazi-Aufseherinnen. Eine von ihnen war in Ravensbrück eingesetzt, doch eine Verfahrenseinstellung gilt als wahrscheinlich. Gleiches gilt für eine 97-Jährige, die in den letzten Kriegstagen einen Todesmarsch nach Bergen-Belsen begleitete.

Zwei Beschuldigte arbeiteten als Schreibkräfte im KZ Stutthof, darunter eine heute 97-Jährige. Gegen sie wird in Lübeck ermittelt. Der zweite, in Itzehoe anhängige Fall soll nach Auskunft der Staats­anwaltschaft „demnächst abgeschlossen“ ­werden.

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5 Kommentare

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  • Ok Ok - mal wg @FAVDERNOs Hinweis -

    Zur Kontinuität post WK II - Auschnitt -



    Mit “Kampfanzug unter der Robe -



    KRIEGSgerichtsbarkeit des DRITTEN Weltkriegs“ - buntbuch 1984 -



    Blätterte Kollege&Weggefährte -



    Ulrich Vultejus - auf - “Aus den Schubladen des Bundesjustizministeriums“



    Daß unter IX1 - Vorläufiger Referentenentwurf - Stand 15. August 1975 - wieder - Gerichtsverfassung - Wehrstrafgerichte - Wehgerichte - Oberwehrgerichte & the whole shit anvisiert waren.



    Entblödet hatte sich dazu alsBundesJustizminister - ausgerechnet der von mir geschätzte Hans-Jochen Vogel - SPD - .



    (Der - “…Klar Kriegsrichter Prof Erich Schwinge. Mensch - da hatten wir doch keine Ahnung von - als ich mit 17 in Marburg mit Jura anfing!“)*



    &



    Besonders brisant als Anlage - wie drangekommen ließ Ulrich offen - eine Liste “Kriegsrichter - eine Garantie für die berufliche Karriere - “Verzeichnis der ehemaligen aktiven Heeresrichter vom 1. April 1975“ - klar - Erich Schwinge & Hans Filbinger unter den “Furchtbaren Juristen“ (Ingo Müller) ganz vorne dabei. Ein Who is Who? 👹

    unterm—— nochens — grundlegend -



    “Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus - Zerstörung einer Legende“ von Manfred Messerschmidt /



    Fritz Wüllner - 1987 !! -



    Die in der Tat - die bis dato ausgerechnet von dem besonders schlimmen Finger Prof Erich Schwinge aggressiv & kaltschschnäuzig gestrickte - Legende - nachhaltig zerstörten.



    Fazit: “…die Wehrmachtjustiz, die ihre juristische Dogmatik dem Nationalsozialismus anpaßte und



    ca. 50 000 Todesurteile verhängte, war keineswegs eine “aristokratische Form der Emigration“ (Filbinger), sondern Stabilisator und Verlängerer der NS-Herrschaft…“



    (die anderen Kriegsparteien kamen mit ca. 300 - 600 - aus!)



    & - entre nous - *



    “Der Prof. - '17?! - bisschen jung für die Uni - hm?“ - “Naja - für die Wehrmacht hat‘s gereicht!“ - “Auch wieder wahr!“



    (bei - “Wer hat uns… & Der Verrat“ - kriegte er im Kloster Freising tonn Sündach morgen ☕️ - aber doch rote Flecken!;)(

    • @Lowandorder:

      & kl aber wichtige Ergänzung -

      Wie kackfrech unverfroren Exekutive -



      Bereit ist - Vorzugehen - genehme Startfakten zu schaffen.

      Es blieb nämlich nicht bei dem später dann doch (?) “beerdigten“ Entwurf.



      Nein. Wir Unfrisierten - ließen bei den Seriösen dazu beiläufig des ein oder abdere Wörtlein en passant fallen.



      & Däh!



      “Ja. Ja klar. Ich bin da schon dabei. Da gab’s ne richtige Fortbildung vom BMJ - dazu!“ - bundesweit!!!

      kurz - Na da schau her. Wie! - allein! diese sauberen Herrn Kollegen - & von Wem? - dazu ausgewählt - bestimmt & hingeschickt! worder & alle anderen bis dato nichts davon mitbekommen hatten.



      Ja - Da Schweigts allenthalben & des Sängers Höflichkeit. Newahr.



      Normal.

      & Trotzalledem&alledem - 🗽 🗽 🗽

  • Ja wie^?^ & Däh!

    & - Ich dacht noch - als ich -



    “NS-Täterin auf der Wannseekonferenz“ - las!

    “Wo bleibt Hille?“ - wa.



    Na bitte. Geht doch. Gellewelle.

    unterm——- servíce —



    taz.de/NS-Taeterin...onferenz/!5654203/

  • Ist es ein Wunder, dass Frauen beteiligt waren? Sicher war die Anzahl der Nazi-Verbrecher von Männern größer, aber überzeugte Gehilfinnen waren genug da. Die 'gröbsten' und schlimmsten Arbeiten verrichteten die SS-Manne, aber auch die ließen ja bestimmte Dinge von speziellen Gefangenen 'erledigen, die sie dazu zwangen und später auch umbrachten.

    Wirklich unverzeihlich sind die Urteil und sparsamen Urteile der Justiz in der NAchkriegszeit. Aber das waren ja meist genauso belastete Nazi-Schergen. Man muss jüngeren Leuten immer wieder klar machen, was für Verbrecher damals wieder in Amt und Würde kamen. Das ging bis hinauf in hohe Staatsämter. Da gab es etwa einen Marine-Todesrichter, der es bis ins Amt des Ba-Wü-Ministerpräsidenten schaffte. Danach wurde er von einem Nachfolger noch wie zum Hohn als 'Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus' bezeichnet!!

  • Im Westen wurden durch britische Militärgerichte doch zahlreiche KZ Aufseherinnen hingerichtet???