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Koalitionsverhandlungen in ÖsterreichÖVP und Grüne kurz vor Einigung

Österreich könnte Anfang Januar eine neue Regierung haben. Kommenden Samstag soll der Bundeskongress der Grünen den Koalitionsvertrag absegnen.

Offenbar erfolgreich: Ex-Kanzler Kurz (ÖVP) und Grünen-Chef Kogler (r.) Foto: dpa

Wien taz | Österreich bekommt eine neue Regierung. Jedenfalls, wenn der Bundeskongress der Grünen mit seinen über 270 Delegierten kommenden Samstag dem Bund seinen Segen erteilt. Grünen-Chef Werner Kogler hat Samstag kurz vor Mitternacht die Einladungen ausschicken lassen – ein untrügliches Zeichen, dass ein Abschluss mit Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP unmittelbar bevorsteht. Man rechnet mit einer Präsentation des Koalitionspapiers gleich nach Neujahr und mit der Vereidigung der ersten türkis-grünen Bundesregierung am 7. Januar.

Dass die Einigung nach sechswöchigen Verhandlungen unmittelbar bevorsteht, haben Kurz und Kogler selbst in einer schriftlichen Mitteilung Sonntagfrüh bekannt gegeben. „Viele scheinbar unüberbrückbare Hürden wurden bereits überwunden. Einzelne wichtige Fragen sind noch offen und sollen in den nächsten Tagen geklärt werden“, so Grünen-Chef Werner Kogler. Es gehe noch darum, „diese letzten offenen Punkte zu lösen“. Für Sebastian Kurz sind „die großen Steine auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung“ aus dem Weg geräumt worden.

Zur Ressortverteilung wollen die Salzburger Nachrichten belastbare Informationen haben: Danach sollen die Grünen über ein durch die Bereiche Umwelt und Energie aufgewertetes Infrastrukturministerium die Klimapolitik steuern können.

Besetzt wird es demnach voraussichtlich mit der ehemaligen Leiterin der Umweltorganisation Global2000, Leonore Gewessler. Mit dem Sozial- und Gesundheitsministerium werden die Ökos nach diesen Informationen eine Wende gegenüber der betont ausländerfeindlichen Sozialpolitik der Vorgängerregierung einzuleiten versuchen. Mit dem finanziell ausgehungerten Justizressort bekämen die Grünen ein weiteres Schlüsselministerium.

ÖVP behält drei Schlüsselministerien

Das gilt auch für die Kultur, wo unter Gernot Blümel ein eher provinzieller Geist wehte. Sport und öffentlicher Dienst, die zuletzt bei Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) angesiedelt waren, bleiben laut Salzburger Nachrichten beim kleineren Koalitionspartner, konkret beim künftigen Vizekanzler Kogler.

Die machtbewusste ÖVP soll aber weiterhin über Finanzen, Innen- und Außenministerium gebieten können. Auch Bildung und Landwirtschaft, zwei Bereiche, wo ÖVP und Grüne programmatisch weit auseinanderliegen, bleiben demnach türkis. Bekannt ist, dass die Grünen sich ein möglichst detailliertes Arbeitsprogramm wünschten, um künftigen Konflikten über Interpretationen von Überschriften vorzubeugen.

Noch vor ihrem Antreten gilt die türkis-grüne Paarung als beliebteste Koalitionsvariante. Zuletzt hatten Umfragen etwa 40 Prozent Zustimmung signalisiert.

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4 Kommentare

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  • In Wirklichkeit passen Die Grünen und die ÖVP vielleicht nicht schlecht zusammen. Ideologisch gehen Die Grünen auf Naturbündche Jugend und die Wandervogelbewegung zurück, aus denen schon die Braunen hervorgingen. Hjalmar Schacht, der schon Hitlers Aufstieg erfolgreich finanziert hatte, war Gründungsmitglied der AUD, aus der 1980 erstmals Die Grünen hervorgingen. Die vom Verfassungsschutz damals als rechtsextrem eingeschätzte Bewegung absorbierte Teile der APO und die Umweltschutzbewegung und würde so Die Grünen. Kurz hat es einfach mit den Rechten, die ja auch linke Ansichten haben. Historisch ist die AfD der AUD Schächte ähnlich. Die Blauen sind die ÖVP, Die Grünen die ehemalige AUD, die AfD blau oder grün? Wie viel Rechtsextremismus die Grünen historisch auch gespeichert haben, reden können sie nicht davon.

  • Die Grünen siegen vor sich hin. Gut zu wissen, daß die Arbeitsplätze künftig von Windrädern und Solaranlagen kommen sollen. Elektromobilität ist auch ein großes Thema. Der öffentliche Nahverkehr ist weit weg davon, eine Autoalternative wie in Benelux zu sein, die Preise sind zu hoch. Belgien war einmal das Traumland für gutes Bahnfahren, bis die Politik auch dort begann, die Bahn zu einem Luxusresort für Reiche umzubauen. Der ICE beeindruckt die Erde, nur fliegen ist billig. Wie wir hier einen grünen Arbeitsmarkt aufbauen können? Saisonarbeiter in der Oekolandwirtschaft, Feldarbeit und Ernte, die Verteilung der ökologischen Lebensmittel, das Verpackungsrecycling, Arbeitsplätze im Biosupermarkt und beim Altpapiersammeln, Müllabfuhr und Müllrecycling, Plastikmüllfischer und Fahrradkurierre, Fahrradwerkstätten, Biobrotladen, Projektbüros, grüne Kitas, Solardachputzer und Fahrradpensionen. Mit ein bisschen Geduld hat die Zukunftsbranche doch Konturen. Solaranlagen und Windräder fallen gerade aus, Fahrräder sind nicht Diebstahlssicher, bleiben Müllabfuhr, Landarbeit und Biobaecker. Automatisiert die Industrie auch den Biobaecker und die Müllabfuhr, bleibt fast nur die Landarbeit, die Rückkehr ins Biotop. Mit dem Hecker Unkraut hacken, statt Glyphosat zu versprayen, schließlich brauchen wir Trinkwasser. Landkomunen und neue Wohnformen, Holzhäuser und Höhlenwohnungen, die Rückkehr zum Pferd als Transport- und Arbeitsmittel. Irgendwie wird die grüne Welt das machen. Leider basieren alle Umverteilungen auf den Profiten der Industrie. Hannover wird Modellstadt für grünen Wandel. Der Untergang der Industrie dort, bindet das Land wieder ein. Erstmal wird die Fahrradstadt realisiert, im nächsten Schritt kommen mehr Parks. Irgendwie wird die Stadt mit der neuen Arbeitslosigkeit umgehen und da ist saisonnale Feldarbeit besser als rumhängen. Ernteeinsätze auf dem Land. Arbeiterbrigaden, die die Stadt aufräumen. Leihpartisanen für wichtige Konflikte. Neues oder Grünes Deutschland?

  • Programmatische Inhalte der Einigung sind noch nicht bekannt. Fuer erste grundlegende Kritik reicht es trotzdem...

  • Ich wusste nicht, dass auch die Grünen in Österreich genau so flexibel und nach allen Seiten offen sind wie ihre deutschen Freunde.