Bremer Handwerk vor Herausforderungen: Ein veraltetes Image
Das Handwerk in Bremen leidet am Fachkräftemangel. Geflüchtete können Lücken füllen und erwünscht sind endlich mehr Frauen in den Betrieben.
Auch im Koalitionsvertrag wird das Problem erkannt: „Gemeinsam mit der Handwerkskammer werden wir prüfen, wie selten gewordene Berufe wieder an Attraktivität gewinnen können. Ziel soll sein, junge Menschen für diese Berufe zu gewinnen“, schreiben dort die Regierungsparteien.
Die seit 2010 laufende Imagekampagne des Deutschen Handwerks visiert aktuell die Zielgruppe der Jugendlichen an: „Bremen braucht Handwerker, nicht noch einen Chief Executive Officer“, heißt eines der Motive – der Hashtag „#einfachmachen“ vereint die verschiedenen trendigen Sprüche.
„Wir versuchen, das Image des Handwerks aufzubessern“, sagte Kurzke. „Wir müssen uns in der Gesellschaft ein anderes Ansehen erarbeiten und die Berufe so darstellen, wie sie vielfach sind.“ Modern und innovativ nämlich, nicht mehr nur aus Muskelarbeit bestehend, wie es klassische Verständnisse des Handwerks vermuten lassen. Eine duale Ausbildung sei zudem ein guter Grundstock für ein späteres Berufsleben.
Thomas Kurzke, Präses der Handwerkskammer
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, spielen Geflüchtete eine wichtige Rolle: „Ohne die Geflüchteten in den Betrieben sähe die Lage noch ein bisschen trauriger aus“, sagte Kurzke. „Die fangen schon einiges ab.“ Es gelte allerdings, verstärkt Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkenntnisse anzubieten und zu begleiten. Betriebe bräuchten mehr Unterstützung bei der Integration. „Die ersten Geflüchteten stehen nun vor ihren Prüfungen – ich bin gespannt, wie diese ausgehen“, sagte Kurzke.
Ob die Imagekampagne des Handwerks auch Frauen anspricht, kann aufgrund der nicht geschlechtergerechten Sprache zumindest angezweifelt werden. Der Tenor der Versammelten war laut Kurzke aber: „Es müssen mehr Frauen ins Handwerk.“ 2018 gab es laut Statistik des Wirtschaftsressorts 1.279 neue, duale Ausbildungsverhältnisse bei der Handwerkskammer im Land Bremen – lediglich 302 waren weiblich besetzt. Hier sei die Branche selbst gefragt, so Kurzke. Allerdings hat er auch eine Bitte an die Politik: eine entsprechend positive Darstellung der Jobs als Chance für Frauen und Mädchen in der Berufsorientierung.
Die Zahlen zu Vertragslösungen im Handwerk lassen zudem vermuten, dass das Berufsfeld ein besonderes Problem mit Abbrecher*innen hat: Lag die Quote zwischen 2013 und 2016 insgesamt bei rund 25 Prozent, wurden im Handwerk rund 40 Prozent der Ausbildungsverträge gelöst. „Die Zahlen werden momentan aber besser“, sagte Kurzke. Zudem gebe es viele Betriebswechsel, die ebenfalls in diese Statistik einflössen. „Woran das liegt, könne man auch diskutieren, aber das Problem der Abbrüche ist nicht so hoch.“
Auch der Klimawandel war Thema der Sitzung. „Es ist mir ein hohes Anliegen, gemeinsam mit den Bremer Handwerksbetrieben nachhaltigen Wohnungsbau zu befördern“, sagte Basu- und Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) in einer gemeinsamen Stellungnahme. Im Handwerk gebe es viele Möglichkeiten, Impulse für Nachhaltigkeit zu setzen: „Häuser, aber auch Gewerbe- und Industriebauten nach Passivstandard, neuartige Baustoffe, begrünte Dächer oder sogar Fassaden, Photovoltaikanlagen“, nennt Schaefer als Beispiele.
Für Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) sind zudem Teilzeitausbildungen eine Chance, neue Zielgruppen für eine Ausbildung im Handwerk zu erschließen. Die Familienfreundlichkeit eines Unternehmens spiele eine immer wichtiger werdende Rolle. „Dazu gehört zum Beispiel die Teilzeitausbildung, damit auch Azubis mit Kind ihre Lehre absolvieren können.“ Vogt hatte der taz bereits letzte Woche gesagt, welche Probleme sie auf dem Ausbildungsmarkt sieht – nicht nur im Handwerk.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!