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Die WahrheitKein leichter Weg nach Tipperary

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Irlands Premier möchte eine Gedenkfeier für die RIC anberaumen, also für den ehemaligen Feind des Vaterlands. Hat der noch alle Pfosten am Tor?

E s war der 21. November vor einhundert Jahren. Im Dubliner Stadion Croke Park sollte trotz des Krieges gegen die britische Besatzungsmacht das Spiel zwischen Dublin und Tipperary im Gaelic Football stattfinden. Kurz nach Anpfiff tauchten englische Söldnertruppen, die der Royal Irisch Constabulary (RIC) unterstellt waren, mit Panzern im Stadion auf und feuerten in die Menge. 13 Zuschauer und der Kapitän des Teams aus Tipperary starben im Kugelhagel.

Aber das war ja nicht böse gemeint, findet Irlands Premierminister Leo Varadkar. Er hatte für nächsten Freitag eine Gedenkfeier im Dublin Castle für die RIC anberaumt. Die Nation fragte sich, ob ihr Regierungschef den Verstand verloren habe. Feiern die USA die englischen Royalisten? Feiert Kenia die Askari? Beide kämpften, wie die RIC, für die Erhaltung der englischen Kolonialherrschaft.

Die RIC war 1836 gegründet worden. Sie ging brutal gegen alles vor, was nach Aufruhr roch. Nach den Wahlen 1919 rief das irische Parlament die Republik aus und erklärte die RIC für illegal. Die britische Regierung wiederum erklärte das Dubliner Parlament für illegal und schickte ihre Söldner, die in die RIC integriert wurden – 7.000 Black and Tans, die wegen der Farbe ihrer Uniformen so genannt wurden.

Ihr Kommandant, Feldwebel Smyth, ordnete im Juni 1920 an, jeden, der verdächtig schien, zu erschießen: „Je mehr ihr erschießt, desto mehr liebe ich euch, und niemand wird jemals Ärger bekommen.“ Die Söldner machten von diesem Freifahrtschein reichlich Gebrauch.

Ein Fahrrad, ein Auto, ein Varadkar

Varadkar war sehr enttäuscht, dass eine ganze Reihe von Abgeordneten und Bürgermeistern zum Boykott seiner Feier aufgerufen haben. Er sah sich deshalb gezwungen, sie zu verschieben – ein peinlicher Start ins „Jahrzehnt der Hundertjahrfeiern“.

Mal sehen, was die Regierung in zwei Jahren zum Gedenken an den irischen Bürgerkrieg ausheckt. Der war im Juni 1922 ausgebrochen, nachdem sich die Irish-Republikanische Armee (IRA) in Befürworter und Gegner des anglo-irischen Vertrags, der die Gründung des Freistaats Irland und die Teilung der Insel festlegte, gespalten hatte. Damals kämpften Iren gegen Iren. Aber welche gedenkfeiert man mehr?

Fine Gael ist aus dem Teil der IRA hervorgegangen, der für das Abkommen war. Die Partei unterstützte später die Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg. Vergangenen Oktober stimmten die Europaabgeordneten von Fine Gael gegen eine Resolution im Europaparlament, die Anstrengungen für die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer zu verstärken. Die Resolution wurde mit zwei Stimmen Mehrheit abgelehnt, und Fine Gael wurde von den rechtsextremen Europaabgeordneten bejubelt.

Zu Ostern wird in Irland gewählt – eine gute Gelegenheit, Varadkar und seine Kumpanen davonzujagen. Am besten ins Mittelmeer.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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2 Kommentare

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  • Jeden, den man nicht aufstehen kann, ins Mittelmeer zu treiben, scheint mir auch keine vernünftige Lösung zu sein.

    • @mowgli:

      Stimmt. Man sollte da variieren. Schwarzes Meer, Rotes Meer, Ostsee, Nordsee, Bodensee.



      Sonst ist das Mittelmeer zu schnell voll.