piwik no script img

Österreichs künftige JustizministerinRechte Hasstiraden

Die FPÖ will verhindern, dass Alma Zadić Justizministerin wird. Den Rechtsaußen in Österreich passt ihre Herkunft nicht.

Alma Zadić: übernimmt demnächst das Justizministerium in Österreich Foto: dpa

Wien taz | Die FPÖ hat ein neues Hassobjekt gefunden: Österreichs künftige Justizministerin Alma Zadić. „Es gibt endlich eine muslimische Ministerin! Der restliche Inhalt ist völlig wurscht“, geiferte Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp über Twitter. Die vor 35 Jahren im bosnischen Tuzla geborene Juristin trägt ihr schulterlanges Haar offen, eignet sich also schlecht für die Pflege von Klischees. Deshalb legte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker am Sonntag mit einer Presseaussendung nach.

Er appellierte an Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Zadić am Dienstag nicht zu vereidigen. „Der Bundespräsident wäre gut beraten, in dieser Frage nochmals in sich zu gehen, eine unabhängige und überparteiliche Vorgehensweise zu gewährleisten und Zadić nicht anzugeloben“, heißt es da. Das Staatsoberhaupt hätte ja schließlich auch den Ex-Innenminister Herbert Kickl für die Zukunft von Ministerwürden ausgeschlossen.

Das Argument gegen Zadić: Sie wurde im November wegen übler Nachrede zu einer Zahlung von 700 Euro verurteilt. Dagegen hat sie allerdings Berufung eingelegt. Kläger war ein Burschenschaftler, dessen Foto sie auf den sozialen Medien geteilt hatte. Es zeigt ihn während einer Demo gegen die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung mit hochgerecktem rechten Arm. Ihr Kommentar: „Keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten“.

Dominik Nepps Tweet löste einen doppelten Shitstorm aus: FPÖ-Sympathisanten überziehen die gelernte Rechtsanwältin, die mit ihren Eltern vor dem Bosnienkrieg nach Österreich floh, mit Hasspostings. Auf der anderen Seite geht es etwas subtiler zu. „Herr Nepp, allein die Tatsache, dass diese Frau Ihnen um beschämende Meilen an Eignung voraus ist, sollte Sie eigentlich zum Nachdenken bringen! Was Ihnen eher fehlt: #Mehrsprachigkeit #Doktorat #hochwertigeBerufserfahrung“, schreibt die Schriftstellerin – mit russischem Migrationshintergrund – Julya Rabinowich.

Tatsächlich ist Zadić’ Qualifikation über jeden Zweifel erhaben. Nach dem Jura-Diplomstudium in Wien brachte sie 2010 von der Columbia University in New York noch einen L. L. M (entspricht einem Magister) mit und konnte schließlich 2017 in Wien promovieren. Da arbeitete sie bereits in einer Rechtsanwaltskanzlei und spezialisierte sich auf Völkerrecht und Integrationsfragen. In die Politik holte sie Peter Pilz, der damals die Grünen verlassen hatte und 2017 mit einer eigenen Liste antrat. Erfolgreich. Alma Zadić zog als Abgeordnete in den Nationalrat ein. Dort machte sie sich als Spezialistin für Integration und Vorkämpferin gegen den politischen Islam schnell einen Namen, sodass die Grünen sie rekrutierten.

Alma Zadić stammt zwar aus einer muslimischen Familie, ist aber selbst bekenntnislos. Ihre Ausbildung als Fitness- und Aerobictrainerin und ihre Passion für Beach-Volleyball wären mit muslimischer Sittenstrenge kaum vereinbar. Als Justizministerin erbt sie ein Ressort, das in den letzten Jahren zu Tode gespart wurde. Ihre Gegner hoffen, dass sie sich dort die Zähne ausbeißt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Alma Zadić stammt zwar aus einer muslimischen Familie, ist aber selbst bekenntnislos. Ihre Ausbildung als Fitness- und Aerobictrainerin und ihre Passion für Beach-Volleyball wären mpit muslimischer Sittenstrenge kaum vereinbar"



    Ein Muslim ist nur dann ein gesellschaftlich bzw. politisch tragbarer Muslim, wenn er sich vom islam distanziert oder wie ist diese seltsame Einleitung des Absatzes zu verstehen? Wie wäre der Sympathiefaktor oder das Wohlwollen ihr gegenüber, wenn sie sich zum Islam bekennen würde?



    Entschuldigung, mit Verlaub, aber hier schreibt der Autor des Artikels einen Unsinn, der einzig von Vorurteilen und Klischees a la Bild-Zeitung und westlicher Arroganz getragen wird. Wo bitte steht im Koran, dass Fitness und Aerobic verboten ist? Woher hat der Autor diese Informationen über diese angebliche "islamische Sittenstrenge". Oder hat er doch nur, eine Frauen besonders unterdrückende und schikanierende, patriarchalische Gesellschaftsstruktur, wie die der Saudis mit Islam verwechselt? Kommt ja in der westlichen Welt gerne vor, wenn es um Islam geht, nämlich sich die radikalsten Mullahbärte oder vollverschleierte Wahabiten rauszupicken, um anhand ihrer menschen-und frauenverachtenden Weltbilder, den Islam zu definieren, nur weil Diese genau dies für sich beanspruchen. Eine andere, verdrehte, aber nicht weniger gefährliche Form von Islamfeindlichkeit...



    Vielleicht wird sie das wundern, aber es gibt in muslimisch geprägten Ländern, sogar Frauen-Nationalmannschaften in allen möglichen Sportarten, in der Türkei gibt es im Kampfsport sogar nur eine Nationalmannschaft, ohne Trennung in Geschlechter (die aber bei Wettkämpfen selbverständlich, der Fairness halber, wie auch im Westen, in ihrer eigenen Kategorie und Gewichtsklasse antreten).



    Und zu guter Letzt, wegen der Korrektheit, Alma Zadic ist nicht vor dem "Bosnienkrieg" geflohen, sondern vor dem Genozid an Muslimen in Bosnien. Das war kein Krieg, das war Verfolgung und Abschlachten von Muslimen.

    • @Edda:

      Viel Richtiges und Interessantes in Ihrem Einwurf - allerdings ist die Ausgangs-Schlussfolgerung leider ein Kurzschluss, so dass auch der Rest nicht mehr auf den Autor zutrifft:



      "Alma Zadić stammt zwar aus einer muslimischen Familie, ist aber selbst bekenntnislos" drückt keineswegs aus, dass ein Muslim nur dann ein tragbarer Muslim ist, wenn er sich vom Islam distanziert (wie kommen Sie auf eine derartige Fehlinterpretation?), sondern beschreibt schlicht Almas Einstellung zu der Religion, unter der sie geboren wurde - und nicht weiter.



      Ich wurde z.B. auch christlich getauft und bin heute frei davon, ohne mich deshalb von irgend etwas distanzieren zu müssen. Also "Entschudigung, mit Verlaub, aber.." - nix für ungut - hier schreiben nur Sie einen Unsinn, der von im Kern antiislamischen Vorurteilen und Klischees getragen wird.

  • Go Alma!