piwik no script img

Vulkanausbruch in NeuseelandElite-Team birgt Leichen

In einer gefährlichen Mission haben Einsatzkräfte sechs Todesopfer von der Insel geholt. Sie suchen weiter, doch der Vulkan könnte erneut ausbrechen.

Bergungsaktion in toxischer Luft: Nach dem Vulkanausbruch sucht ein Team nach Leichen Foto: dpa

SYDNEY taz | Eine der aufwendigsten und risikoreichsten Bergungsaktionen der jüngeren Geschichte Neuseelands ging am Freitag vorläufig zu Ende. Angehörige der Opfer des Vulkanausbruchs von White Island brachen in Tränen aus, als sie hörten, dass eine Bergungsmannschaft die Leichen von sechs Vermissten gefunden hatte. Der Polizeipräsident der Stadt Whakatane, Mike Bush, erklärte, der Einsatz sei nach Plan verlaufen. „Aber er ist noch nicht vorbei.“

Nach zwei Opfern – wahrscheinlich den beiden lokalen Reiseführern Hayden Marshall-Inman und Tipene Maangi – wurde am Freitagnachmittag Ortszeit weiter gesucht. Taucher suchten die Gewässer um die Insel ab. Die Leichen wurden per Hubschrauber auf ein in benachbarten Gewässern liegendes Schiff der neuseeländischen Marine geflogen. Es dürfte sich um Australier handeln, unter ihnen eine vierköpfige Familie aus Sydney.

Der Vulkan White Island – oder Whakaari in der Sprache der Maori-Urbewohner – war am Montag ausgebrochen, als sich 47 Touristen und Begleiter für eine Besichtigungstour auf der Insel befanden. Mindestens 16 Menschen starben. 17 Verletzte wurden in Krankenhäuser gebracht.

13 weitere wurden mit Verbrennungen von bis zu 80 Prozent der Körperoberfläche ins benachbarte Australien evakuiert. Unter den Touristen hatten sich 24 Australier befunden, die mit einem Kreuzfahrtschiff angereist waren. Die weiteren Opfer stammen aus Neuseeland, Malaysia, China, Großbritannien, den USA und Deutschland. Einem Vulkanologen zufolge könnten sie einer pyroklastischen Druckwelle zum Opfer gefallen sein – einem sich schnell ausbreitenden Dichtestrom aus sehr heißen Gasen und Gestein.

Ein Atemzug kann tödlich sein

Angehörige hatten die Behörden seit Tagen gedrängt, die Toten von der rund 50 Kilometer vor der Küste liegenden, 321 Meter hohen Vulkaninsel an Land zu bringen. Sie hatten befürchtet, die Leichen könnten bei einem erneuten Ausbruch komplett verschüttet werden. Premierministerin Jacinda Ardern meinte, Neuseeland habe die Pflicht, die Leichen zurückzubringen, obwohl „wir wissen, dass die Wiedervereinigung die Trauer nicht lindern wird“.

Die Bergungsaktion war von der neuseeländischen Armee, der Polizei und anderen Spezialkräften akribisch geplant worden. Laut dem geologischen Gefahrenüberwachungssystem Geonet bestand auch am Freitag eine Wahrscheinlichkeit von bis zu 60 Prozent, dass der Vulkan erneut ausbricht.

Die zuständige Behörde GNS Science erklärte am Freitag, es sei seit dem Ausbruch am Montag zwar zu keiner weiteren Eruption gekommen. Die Gefahr bestehe aber weiterhin. Der Vulkan befinde sich in einem „volatilen Zustand“, wie sich aus anhaltenden Erdbewegungen schließen ließe.

Die Luft auf der Insel sei nach dem Vulkanausbruch so giftig, dass ein einzelner Atemzug tödlich sein könnte

Trotzdem wagte sich ein im Umgang mit Sprengstoffen geschultes Elite-Team aus sechs Männern und zwei Frauen auf die Insel. „Wir dürfen das Risiko des Einsatzes nicht herunterspielen“, so Rian McKinstry, Oberst der neuseeländischen Armee. Zuvor hatten Experten gewarnt, die Luft auf der Insel sei nach dem Vulkanausbruch so giftig, dass ein einzelner Atemzug tödlich sein könnte.

Insel bleibt Todeszone

White Island ist der aktivste Vulkan Neuseelands. Das Land liegt auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring. In diesem rund 40.000 Kilometer langen Vulkangürtel, der den Pazifischen Ozean von drei Seiten umgibt, kommt es regelmäßig zu schweren Erdbeben und Vulkanausbrüchen.

Die Insel bleibt vorerst als Todeszone gesperrt. Die Polizei hat eine Untersuchung eingeleitet. Sie wird unter anderem der Frage nachgehen, weshalb trotz vermehrter vulkanischer Aktivität und einer Erhöhung der Gefahrenstufe im November weiterhin Touristen auf die Insel gelassen wurden. White Island ist in Privatbesitz. Rund 10.000 Menschen besuchten den Vulkan pro Jahr. Beobachter schätzten die Chance als gering ein, dass der Vulkan je wieder touristisch genutzt werden darf.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!