Nach der Wahl in Großbritannien: Die BBC zwischen den Fronten

Die Konservativen wollen die BBC zum Teil boykottieren – und die Labour Party ist sauer auf den Sender, weil sie die Wahl verloren hat.

Eine Frau frisiert die Haare von Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, vor seinem Auftritt in der Andrew Marr Show auf dem Sender BBC in Media City in Salford.

Boris Johnson vor seinem BBC-Auftritt in der Andrew Marr Show im September 2019 Foto: PA Wire/Stefan Rousseau

Berlin taz | In Großbritannien dreschen zehn Tage nach der Unterhauswahl die siegreichen Konservativen wie die abgeschmierte Labour Party lautstark auf die BBC ein. Dass nach einer Wahl sowohl Sieger wie Verlierer auf die Medien sauer sind, ist ein alter Hut. Im Allgemeinen gilt so etwas als Beleg, dass die Medien alles richtig gemacht und keine politische Richtung bevorzugt haben. Doch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Brexit Britain ist das ein eher schwacher Trost. Denn die BBC steht klar auf der Umbau-Liste von Boris Johnson und seinem Top-Berater Dominic Cummings, dem innigste Verachtung für diese britische Institution nachgesagt wird.

Die Ankündigungen lassen also nichts zu Wünschen übrig: Johnson und seine Minister werden auf Cummings’ Befehl bis auf Weiteres das „Today Programme“ von BBC Radio 4 boykottieren. Das setzt zwar wie beim Deutschlandfunk die „Politik am Morgen“ gewissermaßen die politische Agenda im (noch) Vereinigten Königreich. Doch die Tories fühlten sich hier zuletzt ein bisschen zu sehr auf den Zahn gefühlt, was ihre übertriebenen Wahlversprechen anging.

Und dann hatte auch noch der BBC-TV-Bluthund Andrew Neil live in seiner Sendung Boris Johnson angezählt. Nur weil der beim geplanten Tête-à-Tête mit Neil kniff, nachdem der knallharte Interviewer alle anderen Spitzenkandidaten und ganz besonders Labours Jeremy Corbyn zerlegt hatte. Von Corbyns „car-crash interview“ war danach zu lesen – und Labour ist seitdem auf die BBC ebenfalls stocksauer.

Dominic Cummings ist politischer Berater von Boris Johnson Foto: ap/Kristy Wigglesworth

Johnson hatte da schon ganz nebenbei fallen gelassen, dass man ja mal über die Finanzierung der BBC nachdenken könne. Zwar plane er „im Augenblick keine Abschaffung aller Rundfunkgebühren, aber wir schauen uns das sicherlich genau an“, hatte der Premier am 9. Dezember bei einem Wahlkampf-Auftritt in Nordengland zu Protokoll gegeben. Seine Kultur- und Medienministerin ­Nicky Morgan hatte schon im Oktober erklärt, sie sei für einen Umbau der BBC zu einem über Abo-Gebühren finanziertes Angebot nach dem Vorbild von Netflix offen.

Mal kurz geadelt

Nun hatte Nicky Morgan eigentlich vor der Wahl auch gesagt, sie wolle als Ministerin und Abgeordnete abtreten, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Sie sitzt auch tatsächlich nicht mehr im britischen Unterhaus. Medienministerin von Johnsons Gnaden bleibt sie trotzdem – vorerst. Man hat Morgan einfach mal kurz geadelt, und mit dem ihr so zustehenden Sitz im House of Lords kann sie im Kabinett bleiben. Bloß Reden im Unterhaus oder Fragen von Abgeordneten beantworten sind nicht mehr drin, weil „Peers“ dort nicht Reden dürfen.

Da dies so gar keinen Sinn ergibt, wird in London damit gerechnet, dass Morgan nach dem EU-Austritt beim geplanten Kabinettsumbau Anfang Februar ausgetauscht wird. Und sicherlich nicht durch eine BBC-freundlichere Person.

Dazu passt, dass im Parteiprogramm der siegreichen Konservativen kaum Aussagen zur Medienpolitik und schon gar nicht zur BBC zu finden sind: Wie in seinem höchst selektiven Umgang mit den Medien im Wahlkampf hält sich der gelernte Skandaljournalist Johnson hier alle Optionen offen. Zwar ist die BBC als „Gesamtkunstwerk“ bis 2027 durch ihre „Royal Charter“ gesichert.

Der Hebel Rundfunkgebühr

Doch auch die ließe sich ändern, und vorher gibt es genügend Mechanismen, um Druck auf den Sender auszuüben: 2022 entscheidet das Parlament, in dem Johnsons Tories eine haushohe Mehrheit haben, beispielsweise über die künftige Höhe der Rundfunkgebühr.

Außerdem lässt Johnson prüfen, ob Gebührenverweigerer künftig sanfter angefasst werden sollen. Wer bislang die „Licence Fee“ nicht zahlt, begeht eine Straftat. Sollte dieses Drohpotenzial wegfallen, rechnet die BBC mit bis zu 200 Millionen Pfund Gebührenausfällen im Jahr.

Dazu kommt, dass sie ab 2020 auch noch die Kosten für die Befreiung aller Menschen über 75 von der Gebühr übernehmen soll. Diese halbe Milliarde zahlte bislang der Staat.

Nun war eigentlich die Labour Party stets der verlässlicher Verteidiger der BBC und ihrer Werte. Doch jetzt ist Andy McDonald, ein Mitglied in Corbyns Schattenkabinett, die BBC ebenfalls hart angegangen. Sie habe „ihren Anteil zum Abschneiden der Labour Party bei den Wahlen“ beigetragen. Das kenne man bislang eigentlich nur von den rechtsgerichteten britischen Zeitungen, so McDonald. Nach natürlichen Verbündeten klingt das nicht.

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