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Neues Berliner Polizeigesetz kommtDas Beste daraus gemacht

Kommentar von Plutonia Plarre

Regierungs­koalition findet Kompromiss. Das Berliner werde „das liberalste Polizeigesetz“ aller Länder werden, so die Grünen. Das stimmt nur bedingt.

Wenn die Polizei mithört … Foto: picture alliance / Christian Charisius/dpa

D rei Jahre ist der islamistische Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz jetzt her. 12 Tote und über 70 Verletzte waren die Folge. Diverse Untersuchungsausschüsse sind immer noch mit der Aufarbeitung beschäftigt – die meisten Bundesländer indes haben längst Konsequenzen gezogen und ihre Polizeigesetze verschärft. Berlin allerdings wird bei der Reform seines Polizeigesetzes ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) andere Wege gehen.

Die Verhandlungen über das ASOG waren lange und zäh. Nun haben sich die Innenpolitiker der rot-rot-grünen Regierungskoalition zu einem Kompromiss durchgerungen. Zwar haben die Fraktionen noch nicht zugestimmt, und auch über die Formulierungen wird noch gestritten werden, aber die Richtung ist klar: Das Berliner ASOG werde „das liberalste Polizeigesetz“ aller Länder werden, sagte Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen diese Woche zur taz. „Wir bewegen uns damit eindeutig gegen den Bundestrend“, bestätigte auch der Innenpolitiker der Linken, Niklas Schrader.

Die Bayern haben das repressivste Polizeigesetz der Bundesrepublik. Fortschrittlicher zu sein, ist da keine Kunst. Aber auch im Vergleich zu Brandenburg schneidet Berlin deutlich besser ab. Auch in Brandenburg saßen die Linken in der rot-roten Landesregierung, als das Polizeigesetz im Frühjahr 2019 verabschiedet wurde.

Auch in Brandenburg haben SPD und Linke hart gestritten. Die SPD wollte die Polizei mit Befugnissen ausstatten, die an Bayern erinnern. Der Einsatz des Staatstrojaner etwa war vorgesehen. Den haben die Linken dann zwar verhindert. Erlaubt haben sie aber, dass ein Terrorverdächtiger in Brandenburg bis zu vier Wochen inhaftiert werden kann und das eine Schleierfahndung möglich ist.

Die Kröte der SPD

Auch die Berliner Linken und Grünen – genau gesagt deren Innenpolitiker – haben einen Schwenk vollzogen: Der Telefonüberwachung (TKÜ) zur Gefahrenabwehr haben sie nun zugestimmt. Und auch den IMSI-Catcher (Geräte, mit denen u. a. der Standort eines Mobiltelefons innerhalb einer Funkzelle eingegrenzt werden kann) soll die Polizei beim Abhören verwenden dürfen. In der Vergangenheit hatten beide Parteien das als Grundrechtseingriff bezeichnet und abgelehnt. Offenbar hatten sie keine andere Wahl, als die Kröte der SPD zu schlucken.

Die SPD wollte die TKÜ unbedingt. Auch um den Preis, mehr dafür zu geben als zu bekommen. Wie es scheint, haben Grüne und Linke das Beste daraus gemacht. Berufsgeheimnisträger wie Anwälte und Journalisten sollen von der TKÜ ausgenommen, also abhörfrei, bleiben. Und: Nach vier Jahren läuft der Paragraf über die TKÜ automatisch aus.

Die elektronische Fußfessel ist genauso vom Tisch wie der sogenannte finale Rettungsschuss. Auch die vom Innensenator favorisierte Videoüberwachung an ausgewählten kriminalitätsbelasteten Orten scheint kein Thema mehr zu sein. Und auch das haben Grüne und Linke durchgesetzt: Künftig wird es die Polizei durch Streichungen im ASOG schwerer haben, unter einem Vorwand rassistisch motivierte Kontrollen – „Racial Profiling“ – durchzuführen. Auch der Unterbindungsgewahrsam wird von jetzt vier Tagen auf zwei Tage verkürzt.

Aber reicht das aus, um von einem liberalen Polizeigesetz zu sprechen? Das klingt ja fast so, als würde die Berliner Polizei in Zukunft Blümchen pflücken. Eine Nummer kleiner wäre gut, auch wenn der Blick über den Berliner Tellerrand zeigt: Es geht auch härter.

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Redakteurin taz.Berlin
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