piwik no script img

Pilger müssen zu Hause bleiben

Die Stadt Köln wappnet sich vor einem Flüchtlingsansturm beim Weltjugendtag. Visa-Regelungen wurden für afrikanische Länder verschärft, die für „hohen Missbrauch“ bekannt sein sollen

VON ISABEL FANNRICH

Kurz vor dem Weltjugendtag (WJT) in Köln häufen sich die Beschwerden über Visaprobleme bei Besuchern aus afrikanischen und asiatischen Ländern. So hat das Bistum Limburg den deutschen Botschaften im Ausland jetzt vorgeworfen, bei der Visa-Vergabe an WJT-Gäste zu restriktiv vorzugehen.

Beispielsweise habe die Botschaft in Manila einer Gruppe von rund 600 philippinischen Pilgern die Einreiseerlaubnis ohne Angaben von Gründen verweigert. Auch aus zahlreichen ostdeutschen Bistümern gebe es Berichte über eine restriktive Visa-Praxis gegenüber Pilgern, berichtete Bistumssprecher Michael Wittekind. Auch Vertreter katholischer Jugendorganisationen klagen darüber, dass Jugendliche aus Senegal, Kamerun, Togo oder der Elfenbeinküste nicht zu dem vom 15. bis zum 21. August stattfindenden Event kommen könnten, weil sie keine Einreiseerlaubnis erhielten.

Das Weltjugendtagsbüro zeigte sich „überrascht“ von dieser Wendung, hatte es doch eigentlich mit dem Auswärtigen Amt ein vereinfachtes Visaverfahren vereinbart. Nach dieser Vereinbarung gibt es für die WJT-Besucher einige Erleichterungen. So entfällt die Gebühr für ein auf den WJT begrenztes Visum. Statt einer individuellen Einladung übernimmt der WJT eine pauschale Verpflichtungserklärung für alle registrierten visapflichtigen Besucher. Danach kommt er für Unterkunft, Verpflegung und mögliche Krankheitskosten auf, und – nach Aussage des Auswärtigen Amtes – „im Ernstfall“ auch für die Kosten einer Rückführung nach einem illegalen Aufenthalt in der Bundesrepublik.

Während des WJT in Toronto sollen 800 Asylanträge gestellt worden sein, nach dem in Rom reisten angeblich allein 200 Kameruner nicht zurück. Deshalb bereitet sich das Kölner Ordnungsamt mit verlängerten Öffnungszeiten und „entsprechendem Personal“ auf einen möglichen Ansturm von Antragstellern vor. Auswärtiges Amt und WJT haben versucht, sich abzusichern und stellen für das erleichterte Visaverfahren zwei Bedingungen: Der Pilger muss sich beim WJT registriert haben und der jeweiligen deutschen Botschaft ein Empfehlungsschreiben des örtlichen Bischofs vorzeigen. Neben Pass und Reiseunterlagen überprüft diese „wie in einem ganz normalen Visaverfahren“ anhand bestimmter Kriterien die Rückkehrbereitschaft, so ein Außenamtssprecher: Wer weder einen Arbeitsvertrag noch ein Konto hat, nicht verheiratet ist und keine Kinder im Land zurücklässt, hat schlechte Karten.

Von solchen Fällen berichtet der Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung, Christian Schärtl, auf der Webseite www.pulitzer.de. Zur taz sagte er, er bange, „ob vier bis sechs Jugendliche aus Togo ein Visum bekommen“. Auch der Landesverband Bayern, der eine Partnerschaft mit dem Senegal habe, könne statt sechs Besuchern nur einen empfangen. Die afrikanischen Jugendlichen müssten bei der deutschen Botschaft Nachweise erbringen, „die für die normale Landjugend in der Regel nicht möglich sind“, kritisiert Schärtl. „Die Jugendlichen arbeiten auf dem Hof ihrer Eltern und können keinen schriftlichen Nachweis über eine Arbeit oder ein Konto erbringen.“ Obwohl man sich teilweise aus der jahrelangen Jugendarbeit kenne, werde dennoch das Visum verweigert.

„Im Einzelfall kommt es zu Härten“, räumt der Sprecher des Auswärtigen Amtes ein. Es gelte, den „Austausch zu ermöglichen und den Missbrauch zu verhindern“. Zwar gebe es nicht generell für afrikanische Länder strengere Regeln, aber für solche „mit hohem Missbrauch“.

Im Falle Kameruns, bei dem das Fischer-Ministerium von „einer hohen Missbrauchssituation von 80 Prozent“ spricht, hat es einen 15-köpfigen Gospelchor getroffen. Die jungen Kameruner erfuhren erst vor wenigen Wochen, dass sie eine Frist nicht beachtet hatten, nach der sie sich bis zum 18. Juli auf einer Reiseliste für den WJT hätten eintragen müssen. Die deutsche Botschaft und die katholische Kirche Kamerun wollten mehr Zeit für die Visaprüfung. Hubertus Stuhldreie, der für die Kolping-Jugend das Treffen mit den Kamerunern in Winterberg organisiert hat, ist sauer. Die Flugtickets habe er schon im Mai gekauft: „Auf den 15.000 Euro sitzen wir zur Zeit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen