Schwarze Menschen in Deutschland: Mehr Macht und Würde

In Berlin startet die People of African Descent Week für Anerkennung Schwarzer Menschen. Deutschland tue wenig gegen Rassimus, sagen Aktivist*innen.

Aminata Touré spricht in ein Mikrofon, links und rechts von ihr lauschen ihr Männer

Wenn sie redet, hören weiße Männer zu: Aminata Touré, Landtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein Foto: Jens Jeske/imago

Berlin taz | Aminata Touré sitzt mit gefalteten Händen in einem Café unweit des Reichstagsgebäudes in Berlin. „Die Politik braucht eine Zivilgesellschaft, die sich lautstark für ihre Ziele einsetzt“, sagt die Grüne und Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtags. „Das macht es dann auch für jemanden wie mich leichter, mit meinen Forderungen durchzudringen.“

An diesem Donnerstag gibt es jedenfalls keinen Mangel an entschlossenen Aktivist*innen: Touré ist in Berlin, um am Auftakt der People of African Descent Week (PAD Week) teilzunehmen – einer Konferenz mit über 250 Teilnehmenden, die für Anerkennung und Empowerment Schwarzer Menschen eintreten wollen, ausgerichtet von über 35 Organisationen.

Die PAD Week findet zum dritten Jahrestag der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft statt. Diese dauert von 2015 bis 2014 und wurde von der UN-Generalversammlung einstimmig beschlossen. Die Staaten sind angehalten, soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen und gegen Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung vorzugehen, denen vor allem Menschen afrikanischer Abstammung noch immer ausgesetzt sind. In Deutschland wurde die Dekade 2016 feierlich im Bundesfamilienministerium eröffnet.

„Seitdem gab es einzelne Schritte“, sagt Daniel Gyamerah, Vorsitzender des Empowerment-Projekts Each One Teach One (EOTO). „Aber es gibt keine umfassende Strategie, niemanden, der da den Hut auf hat, und schon gar keine interministerielle Gruppe, die sich mit den Forderungen der Dekade befasst.“ Damit sich das ändert, wollen die Aktivist*innen nun Druck machen. Für Donnerstag stehen Treffen mit Politiker*innen im Bundestag auf dem Programm, an den beiden folgenden Tagen soll es um Vernetzung und Empowerment unter Schwarzen Aktivist*innen.

Kein Migrationshintergrund

„Eine UN-Expertengruppe hat 2017 nach einem Besuch in Deutschland festgestellt, dass es hier große Probleme mit Rassismus gibt, zum Beispiel mit Racial Profiling, und dass Schwarze Menschen davon mit am meisten betroffen sind“, sagt Elisabeth Kaneza, UN-Fellow der Dekade. „Trotzdem habe ich hier erst mal sehr verhaltene Reaktionen erlebt, immer stand die Frage im Raum: Ist das für Deutschland überhaupt relevant?“

In Deutschland lebt rund eine Million Schwarzer Menschen – wie viele genau es sind, dazu gibt es keine Zahlen. Denn viele von ihnen leben schon seit Generationen in Deutschland, sie werden von Kategorien wie „Migrationshintergrund“ deswegen nicht erfasst. Rassismus erleben die meisten von ihnen aber trotzdem.

Es brauche Anerkennung dafür, dass antischwarzer Rassismus über Jahrhunderte gewachsen und deswegen strukturell verankert sei. Dass es an Bewusstsein dafür fehle, liege auch daran, „dass es kaum eine Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte gibt“, sagt Aminata Touré.

All das wollen die Aktivist*innen nun angehen. „Unsere Hauptforderung ist die nach einem Beauftragten für antischwarzen Rassismus“, sagt Daniel Gyamerah. „Oder wenigstens einen allgemeinen Beauftragten für Menschen, die von Rassismus betroffen sind.“

Keine „Rasse“ im Gesetz

Weiterhin fordern sie die Umsetzung der Resolution, die das EU-Parlament im März zu den Grundrechten von Schwarzen Menschen beschlossen hat. „Dazu sehen wir nichts in Deutschland“, sagt Gyamerah. Vorgesehen seien darin etwa nationale Aktionspläne. „Im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus stehen Schwarze Menschen seit 2017 endlich überhaupt drin“, sagt Gyamerah. „Inhaltlich ist das aber weiterhin sehr dünn.“

Des weiteren müsse der Begriff „Rasse“ endlich aus deutschen Gesetzestexten gestrichen werden. „Aber nicht ersatzlos“, sagt Gyamerah. „Wir fordern, dass er durch ‚rassistische Diskriminierung‘ ersetzt wird.“ In alle diese Prozesse müssten die Schwarzen Initiativen, die seit Jahren vor allem ehrenamtlich kämpften, unbedingt eingebunden werden.

Dass sich in Deutschland bisher wenig getan habe, hatte zuvor auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby im Interview mit der taz bestätigt: Anders als bei anderen UN-Dekaden gebe es bisher „keine Gesamtstrategie der Bundesregierung und kein Bekenntnis aus dem Parlament“. Man werde die Forderungen aber bald angehen. Diaby ist eine*r der Abgeordneten, mit denen die Aktivist*innen im Laufe der Konferenz zusammentreffen.

Nötige Solidarität

Auch auf Landesebene passiere noch zu wenig, sagt Aminata Touré. In Schleswig-Holstein arbeite sie gerade an der Vorbereitung eines Aktionsplans gegen Rassismus. „Mein Ziel ist es dabei, die Dekade auch dort umsetzen.“ Vorgemacht habe es Berlin: Die rot-rot-grüne Landesregierung hat die UN-Dekade und das Ziel, Diskriminierung Schwarzer Deutscher besser zu erfassen, explizit in ihrem Koalitionsvertrag von 2016 aufgeführt, im kommenden Jahr sollen konkrete Maßnahmen folgen.

Wichtig sei auch, dass es mehr Unterstützung – aber auch Entlastung – für Schwarze Selbstorganisation gebe, sagt Kaneza. „Wir reden hier nicht über Leute, die eben mal Lust haben, sich mit Rassismus zu beschäftigen. Das sind Betroffene.“ Sich für etwas einzusetzen, dass einen selber betreffe, sei immer belastend, ergänzt Touré. „Es bedeutet immer auch Angriffe auf die eigene Person.“ Um so wichtiger sei es, dass auch weiße Menschen sich am Kampf gegen Rassismus beteiligten.

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