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Kenia-Koalition in SachsenMegaressort für Grüne

Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft werden in einem Ministerium zusammengefasst. Die SPD muss das Wissenschaftsressort abgeben.

Die Mappenfarben stimmen schon mal (v.l.): Martin Dulig, Katja Meier und Michael Kretschmer

Dresden taz | Nahezu pünktlich dem Zeitplan folgend haben CDU, Grüne und SPD am Sonntag ihren Vertrag für eine sogenannte Kenia-Koalition in Sachsen vorgestellt. Nach dem Landtagswahlergebnis vom 1. September blieb jenseits von AfD und Linken auch keine andere Möglichkeit der Regierungsbildung.

Die auf 32,1 Prozent geschrumpfte CDU und die auf 7,7 Prozent abgesackte SPD verloren ihre bisherige gemeinsame Regierungsmehrheit. Sie sind auf die Bündnisgrünen mit 8,6 Prozent der Wählerstimmen angewiesen. Sie seien aber nicht als lästiger Dritter in eine bestehende Zweierkoalition eingestiegen, betonte deren zweiter Spitzenkandidat Wolfram Günther. Der am Sonntag vorgestellte Entwurf des Koalitionsvertrages signalisiert sogar, dass die Grünen in dem zum Erfolg verurteilten Dreierbündnis eine gewisse Druckposition aufbauen konnten.

So werden die Grünen nicht nur ein neues Multiressort für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft übernehmen. Sie konnten ein Klimaschutzgesetz und den Ausbau erneuerbarer Energien durchsetzen, Maßnahmen gegen das Artensterben, ein Gleichstellungs- und ein Transparenzgesetz vereinbaren. Die ihnen wichtige Bürgerbeteiligung ist in der Koalition ebenso Konsens wie der konsequente Kampf gegen rechts.

Kennzeichnungspflicht für Polizisten – teilweise

Gemeinsam mit der SPD gehören die Grünen zu den Unterzeichnern des erfolgreichen Volksantrages für längeres gemeinsames Lernen. Zu den wichtigsten Konzessionen, die sie der Union abringen konnten, zählt die künftige Verankerung der Option Gemeinschaftsschule im sächsischen Schulgesetz. Vereinbart wurde auch, dass die ausstehende Entscheidung des sächsischen Verfassungsgerichtshofes über eine Klage von Linken und Grünen gegen die Polizeigesetznovelle von allen Partnern akzeptiert wird. Hier haben die Grünen im Vertrag eine teilweise Kennzeichnungspflicht für Polizisten durchgesetzt, die CDU die ­Body-Cam. Tausend zusätzliche Polizisten sollen eingestellt werden.

Die SPD rechnet sich ein arbeitnehmerfreundlicheres Vergabegesetz, die Gründung einer Landesverkehrsgesellschaft statt der fünf Einzelverbünde und ein Bildungsticket als Erfolg an. Sie wird das Wirtschaftsministerium behalten. Die CDU gibt die drei Ressorts Justiz, Soziales und Landwirtschaft ab, erhält aber das bislang von der SPD-Ministerin Eva-Maria Stange geführte Wissenschafts- und Kunstministerium. Bleiben soll es beim 2013 beschlossenen Schuldenverbot und dem Prinzip ausgeglichener Haushalte. Im anstehenden Fünfjahreszeitraum sind zusätzliche staatliche Investitionen von 1,1 Milliarden Euro vorgesehen.

Jetzt entscheiden SPD- und Grünen-Basis

Grüne und SPD wollen nun ihre Mitgliederbasis zum Verhandlungsergebnis befragen. Dann entscheiden Parteitage abschließend. Der Parteitag der CDU findet bereits am 11.Dezember statt. Nimmt man den erst zwei Wochen zurückliegenden CDU-Parteitag in Markneukirchen zur Regierungsbildung zum Maßstab, dürfte am Koalitionspapier von dieser Seite nicht mehr gerüttelt werden. Die sächsische Union erwies sich dort wie seit 29 Jahren als ein Abnickverein, der sich hinter dem Großen Vorsitzenden versammelt. Die „große Aussprache“ nach der Rede Michael Kretschmers war nach vier unbedeutenden Rednern und 20 Minuten beendet. Man ist froh, mit dem Wahlergebnis noch einmal davongekommen zu sein.

Laut Landesverfassung muss ein Ministerpräsident spätestens am 1. Februar gewählt werden. Es wäre „ein gutes Signal“, sagte Amtsinhaber Michael Kretschmer, wenn dies noch vor Weihnachten geschehen könnte.

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