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Deutschpflicht im Schulhort?Die AfD versteht’s nicht

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

In einem Neuköllner Schulhort sprechen ErzieherInnen Türkisch und Arabisch. Die AfD sieht Deutschenfeindlichkeit, die Stadträtin „ganz normales Leben“.

„Zweite Klasse“ steht hier auf Arabisch und Türkisch an einer Schulwand, allerdings in Istanbul Foto: dpa

E rinnert sich noch jemand an die Diskussion um eine Deutschpflicht auf Schulhöfen? Vor 13 Jahren hatte eine Weddinger Schule ihre Jugendlichen eine Vereinbarung unterzeichnen lassen: nur noch Deutsch in der Schule, auch in den Pausen! Super Maßnahme, Sprache ist der Schlüssel zur Integration, sagten manche Expert*innen. Diskriminierung!, schrien die anderen. Zehn Jahre später flammte die Diskussion erneut auf, als der Türkische Bund von der rot-rot-grünen Landesregierung forderte, sie möge die Schulen anweisen – inzwischen waren einige dem Beispiel der Weddinger Schule gefolgt –, die Deutschpflicht wieder abzuschaffen.

Danach war erst mal Ruhe. Jede Schule machte weiter nach ihrer Fasson. Bis eine Neuköllner AfD-Abgeordnete nun das Thema für sich entdeckte (geradezu ein bisschen verpennt für die Rechtspopulisten angesichts so ultimativer Reizwörter wie „Deutsch“ und „Schulhof“). Die Kommunalpolitikerin Anne Zielisch will nun jedenfalls von Schulstadträtin Karin Korte (SPD) auf der nächsten Bezirksverordnetenversammlung wissen: „Ist der Kleine Fratz deutsch(en)feindlich?“

Der kleine Fratz spricht Türkisch!

Darum geht’s: Die Zürich-Grundschule in Britz wollte die Vereinbarung mit dem Träger der nachmittäglichen Hortbetreuung Kleiner Fratz GmbH kündigen. Der Grund: Die ErzieherInnen hatten mit einigen Eltern in deren Muttersprachen Türkisch und Arabisch gesprochen. Die Schulleitung habe daraufhin kommuniziert, dass sie das nicht gutheiße und über einen Trägerwechsel für den Schulhort nachdenke, sagt Grit Nierich, Geschäftsführerin bei Kleiner Fratz.

Die Eltern wiederum organisierten daraufhin bereits Ende Oktober eine Demo: Sie wollten keinen Trägerwechsel und fanden die Deutsch-Order obendrein diskriminierend. Auch die Antidiskriminierungsstelle soll eingeschaltet worden sein, was sich aber als Gerücht unter den Eltern herausstellte, wie Schulstadträtin Korte sagt.

Das wiederum veranlasste die AfD-Abgeordnete Zielisch zu der besorgten Frage an das Schulamt, ob sich da ein Hortträger in „Einschüchterungsversuchen“ gegenüber dem Schulpersonal versuche.

Man habe sich mit der Schule inzwischen darauf verständigt, dass in kommunikativen „Notfällen“ natürlich Türkisch oder Arabisch gesprochen werden könne, erklärt Fratz-Geschäftsführerin Nierich. Rund 90 Prozent der SchülerInnen sind nichtdeutscher Herkunftssprache. Und natürlich ist es besser, deren Eltern wissen, wann der nächste Ausflug stattfindet. „Das ganz normale Leben eben“, kommentiert Korte trocken. Auch wenn die AfD das wohl weder auf Deutsch noch auf Türkisch versteht.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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7 Kommentare

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  • Na ja, in deutschen Bildungseinrichtungen sollte Deutsch eigentlich auch die Hauptsprache sein.

    Wie die Kinder mit Ihren Eltern reden ist egal. Aber in der Kita/Schule eher nicht.

  • Nein, die AfD versteht´s nicht. Aber die Schulleitung auch nicht, und das ist der wesentlichere Punkt, denn die Kinder und ihre Eltern müssen mit der Schule klarkommen und nicht mit der AfD. Nach dem Artikel war es die Schulleitung, die den Vertrag mit dem Hort kündigen wollte - und zwar nicht etwa, weil dort mit den Kindern Türkisch und Arabisch gesprochen wurde (davon steht im Artikel jedenfalls nichts), sondern weil diese Sprachen mit deren Eltern gesprochen wurden. Offenbar will die Schule neben den Kindern auch gleich die Eltern "erziehen", was eindeutig nicht ihre Aufgabe ist. Und auch jetzt hält die Schulleitung an der "Deutschpflicht" grundsätzlich weiterhin fest. Denn die Verständigung der Schule mit dem Hort lässt nur in kommunikativen "Notfällen" zu, dass mit den Eltern Türkisch bzw. Arabisch gesprochen wird, zu Deutsch also: Nur wenn die Eltern kein Deutsch können, dürfen andere Sprachen gesprochen werden. Da fragt man sich, wieso die Schulstadträtin nicht dafür sorgen kann, dass das "ganz normale Leben" im Jahre 2019 auch für die Schulleitung ganz normal ist. Es kann nicht sein, dass eine staatliche Schule den Erzieherinnen eines Horts vorschreibt, in welcher Sprache sie mit den Eltern sprechen. Zur Erinnerung: Berlin wird von SPD, Grünen und Linkspartei regiert und nicht von der AfD.

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @Budzylein:

      Wie kommen sie darauf, dass die schule die eltern erziehen will, nur weil vorgegeben wird, dass in öffentlichen Einrichtungen deutsch gesprochen werden soll.

      Das hat auch einen sehr praktischen Vorteil. Die Mitmenschen verstehen - sofern sie denn integriert sind - auch, worum es geht.

      • @08088 (Profil gelöscht):

        Wie ich darauf komme? Sage ich Ihnen gern: Die Schule hat mit der, wie Sie es nennen, "öffentlichen Einrichtung", nämlich dem Hort in privatrechtlicher Rechtsform (GmbH), einen Vertrag über die Betreuung der Schulkinder. Und wenn die Schule darauf hinwirken will, dass die Kinder Deutsch können, dann kann sie dem Hort auch vorgeben, dass dort mit den Kindern Deutsch gesprochen wird. So weit, so gut. Aber hier geht es um Gespräche mit den Eltern. Für diese hat die Schule keinen Bildungsauftrag und der Hort auch nicht. Die Eltern dürfen mit dem Hortpersonal in jeder Sprache sprechen, die sie sprechen wollen, was natürlich nur funktioniert, wenn beide Seiten dieselbe Sprache können. Und wenn eine Erzieherin, die z. B. Türkisch kann, sich mit Eltern, die besser Türkisch als Deutsch können, auf Türkisch unterhält, ist dagegen erst mal absolut nichts einzuwenden. Etwas anderes ist es natürlich, wenn es eine Besprechung mit mehreren Teilnehmern ist, von denen zumindest einer kein Türkisch kann. Aber wenn niemand beteiligt ist, der durch die Verwendung einer anderen als der deutschen Sprache am Verstehen des Gesagten gehindert wird, dann sehe ich beim besten Willen nicht, wieso die Leute nicht auch Dänisch, Englisch, Türkisch oder Arabisch miteinander sprechen sollten, und das gilt auch für öffentliche Einrichtungen. Deutsch als Amtssprache hat gute Gründe, ist aber kein Selbstzweck.

  • 9G
    93441 (Profil gelöscht)

    Ich habe in wenigen Monaten Deutsch gelernt.



    Einfach aus dem Grund, weil außer meinen Eltern niemand meine Sprache gesprochen hat. Wäre ich hier auf eine Community gestoßen, in der alle meine Muttersprache sprechen, hätte ich in der Schule genau die Schwierigkeiten gehabt, unter denen so viele Migranten leiden und die am Ende nicht weit kommen.



    Ich erlebe täglich türkisch- oder arabischstämmige hier geborene Deutsche, denen man anhört, dass Deutsch für sie eine Fremdsprache ist. Meist können sie auch kein richtiges Türkisch oder Arabisch.



    Soll das ein Erfolgsrezept sein?

  • Erst im Text wird deutlich, dass es um die Kommunikation mit den Eltern ging, nicht um die Betreuung der Kinder. Soweit so verwirrend, was die Unterüberschrift betrifft. Da kann ich die Aufregung auch nicht verstehen. Anders läge der Fall, wenn die deutsche Sprache komplett verdrängt worden wäre. Sie ist nun mal der gemeinsame Nenner in unserem Land, gut geeignet auch zur Kommunikation zwischen Türken und Arabern (und den 10% verbleibenden MuttersprachlerN).



    Zur Erinnerung an die AfD: Viele Biodeutsche Eltern zahlen mitunter viel Geld dafür, damit ihr Nachwuchs "bilinguale" Einrichtungen besuchen können. Manchmal gibt es eben noch Arabisch gratis dazu.

  • Wäre auch gut mehr Muttersprachler einzustellen und Intensivkurse Arabisch oder Türkisch für das Personal anzubieten. In der Magdeburger Neustadt wurde auch 200 Jahre lang Französisch gesprochen, gebetet und geheiratet. Da wohnten Hugenotten. Wo ist der Unterschied?