: Radler sicher in die Spur
Die Koalition plant sichere Fahrradwege auf großen Straßen, Autofahrer müssen dafür Platz machen. Die Umsetzung hängt deshalb auch an Verteilungskämpfen in den Beiräten
Von Lotta Drügemöller
Fahrradfahrer*innen sollen auf großen Bremer Straßen ihre eigenen Wege bekommen – geschützte Spuren von mindestens zwei Meter Breite, die nicht nur durch etwas Farbe markiert sind, sondern durch Poller, Blumenkübel oder ähnliche Hindernisse tatsächlich vom Autoverkehr getrennt. Das sieht ein Antrag der rot-grün-roten Koalition in der Bürgerschaft vor.
Autofahrer*innen müssten dafür in einigen Fällen eine Spur oder Parkplätze abgeben. Fußgänger*innen sollen aber profitieren: Vielerorts würden alte Fahrradwege den Fußwegen zugeschlagen.
Bisher sei die Infrastruktur in der Stadt ungerecht zugunsten der Autos verteilt, meint Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. „Wir brauchen eine Debatte um Flächengerechtigkeit.“ Das sieht auch Albrecht Genzel vom Bremer ADFC so. „Die Platzsparsamkeit von Fußgängern und Radfahrern wurde immer damit belohnt, dass sie die Räume bekommen haben, die noch übrig waren“, erklärt er. Doch heute werden in Bremen immerhin 25 Prozent der Strecken mit dem Rad zurückgelegt – mehr als in jeder anderen deutschen Großstadt ab 500.000 Einwohnern. Der Platzbedarf ist schlicht gestiegen.
Wie schnell ein erster geschützter Fahrradweg Realität wird, mag keiner sagen. Bisher hat sich Bremen nicht immer mit der schnellen Umsetzung seiner Pläne hervorgetan. „Wir sind sehr enttäuscht, dass in den letzten vier Jahren kein Meter der geplanten Premiumrouten umgesetzt wurde“, bemängelt etwa Genzel. Es hapert nicht nur am Geld, sondern auch an Personal für die Planung. Immerhin: Saxe glaubt, dass der Planungsaufwand für die sicheren Fahrradspuren geringer ist als bei anderen Vorhaben: „Wir müssen nicht so viel Infrastruktur schaffen, wir müssen sie nur umwidmen.“
Eine große Hürde sind Konflikte mit Autofahrern, die programmiert scheinen – entweder es verschwinden Fahrspuren oder Parkplätze. Der Antrag der Koalitionäre ist dementsprechend zurückhaltend formuliert. Man wolle Autospuren umwandeln, „dort, wo die Flächen für den motorisierten Individualverkehr überproportioniert sind“. Wo das sein könnte, verriet eine alte Version des Antrags – die aber hat es nicht durch die koalitionsinterne Abstimmung geschafft.
Saxe nennt dennoch schon mal Straßen, die er für geeignet hält: Die Martinistraße zwischen Brill und Wilhelm-Kaisen-Brücke und die Friedrich-Ebert-Straße in der Neustadt etwa. Wenn erst einmal die A281 fertig sei, könne auch die Neuenlander Straße eine Autospur an Radler*innen abgeben.
Alle drei liegen in Stadtteilen, die schon heute einen hohen Radverkehrsanteil haben. Mehr Platz dafür ist hier besonders nötig. Genauso wichtig: Auch die Akzeptanz für das Vorhaben könnte hier gegeben sein. In beiden Stadtteilen gibt es eher fahrradfreundliche Beiräte; in der Neustadt wurde erst vor Kurzem das erste Fahrradmodellquartier Deutschlands eingeweiht. Und in Bremens Mitte plant man bis 2030 ohnehin eine autofreie Innenstadt – die Martinistraße soll den Rand dieser Zone bilden.
Ralf Schumann, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion
Die neuen Radwege aber sollen eben nicht nur in der Innenstadt entstehen. „Wir wollen, dass das gesamte Stadtgebiet dabei ist“, so Anja Schiemann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD. Das heißt, dass man sich überall zunächst mit den Beiräten einigen muss, mit all ihren unterschiedlichen politischen Mehrheiten. Die Stadtteilparlamente sind bei Verkehrsprojekten in ihren Gebieten zu beteiligen – und könnten so zum Nadelöhr für den Ausbau werden.
In einzelnen Beiräten stand das Thema zumindest schon mal auf der Tagesordnung. So hat der Verkehrsausschuss Schwachhausen kürzlich beim Amt für Straßen und Verkehr angefragt, welche Straßen im Beiratsgebiet für die neuen Fahrradspuren infrage kämen. „Sicher sagen kann ich es nicht“, meint Beiratssprecherin Gudrun Eickelberg (Grüne), „aber ich könnte mir vorstellen, dass wir in Schwachhausen einen Beschluss für eine geschützte Fahrradspur fassen könnten.“ In der nördlichen Parkallee etwa könne eventuell noch Raum von der Fahrbahn abgezwackt werden.
Diese zumindest theoretische Bereitschaft bezieht sich auf Straßen mit mehreren Spuren. Die Alternative, auch Parkflächen zu Fahrradstreifen umzuwandeln, wird es dagegen schwer haben: „Der Parkdruck hier ist real. Ich denke nicht, dass es dafür eine Mehrheit gäbe“, so die grüne Stadtteilpolitikerin.
Zusätzliche Infrastruktur für Autofahrer*innen – etwa Park-and-Ride-Plätze weiter außerhalb – könnte die Konflikte entschärfen. Ohne eine geänderte Einstellung aber werde es am Ende nicht gehen, glaubt Ralf Schumann. „Meine Generation ist sehr autoaffin durchs Leben gegangen“, so der 63-jährige verkehrspolitische Sprecher der Linken. „Wir müssen uns klar machen, wie sehr Autos uns belasten. Wir müssen für Gerechtigkeit auf den Straßen sorgen.“
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