: Nachhaltig verrentet
Mut zur Lücke? Lieber nicht. Wer heute nicht riestert oder rürupt, kann als Rentner schnell bei Hartz landen. Dagegen schützen nachhaltige Anlagen
Ein derzeit 30-jähriger Durchschnittsverdiener mit rund 2.000 Euro Nettoverdienst muss bis zur Verrentung im Alter von 67 Jahren jeden Monat etwa 350 Euro zurücklegen, um seine zukünftige Rentenlücke zu schließen – das heißt, um real soviel Rente zu erhalten, dass sie etwa drei Viertel des letzten Einkommens ersetzt. Macht 4.200 Euro private Vorsorge pro Jahr, über den Rest des Arbeitslebens insgesamt mehr als 150.000 Euro. Zur Wahl stehen private Zusatz-Rentenversicherungen, fondsgebundene Varianten und auch Fondsparpläne.
Für die Rendite dieser Produkte sind am Ende der Kette natürlich Unternehmen zuständig, die sich dieses Geld leihen – und damit absurderweise Dinge tun, die den sicheren Lebensabend wieder in Frage stellen könnten: Denn wenn das Geld einfach so „arbeitet“, werden oft auch Waffenschmieden, Atom- und Kohlekraftwerke, Erdölraffinerien und sonstige Industrien aus dem Lande Mordor gefördert.
Das möchten viele Anleger nicht: In einer Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale Bremen sprachen sich noch vor Kurzem 82 Prozent der Befragten für ein Verbot von Investitionen in Streumunition und Landminen bei staatlich geförderten Rentenprodukten aus, 80 Prozent waren für einen Ausschluss von Kinderarbeit, mehr als zwei Drittel forderten zudem ein Verbot für Investitionen in Bereiche, die mit Rüstung und Waffen, Menschenrechtsverletzungen sowie Zerstörung von Wäldern und Naturräumen in Verbindung stehen. In der Praxis passiert aber genau das – denn viele Riester-Rentner in spe wissen überhaupt nicht, wo ihr Geld eigentlich arbeiten geht.
Bis Ende 2016 mussten Finanzdienstleister vor Vertragsabschluss darüber informieren, inwieweit sie ethisch-ökologische Anlagekriterien berücksichtigen. Seit Januar 2017 sind sie dagegen lediglich verpflichtet, einmal pro Jahr allgemeine Auskünfte darüber zu veröffentlichen. Kein Wunder, dass Verbraucherschützer in den letzten Jahren immer wieder bemängelten: „Nachhaltige Riester-Produkte sind Mangelware.“ Staatliche Siegel wie bei Bioprodukten fehlen ohnehin, also muss der Verbraucher sich selbst schlau machen, um nicht im Dunkeln zu tappen. Einen ersten Anhaltspunkt können Produkttests geben, wie sie etwa das gemeinnützige Beratungsportal Finanztip in regelmäßigen Abständen veröffentlicht – gerade, wenn man innerhalb eines Angebots unter verschiedenen Fonds wählen kann, macht das Sinn.
Zu den Ausschlusskriterien des letzten verfügbaren Tests gehörten etwa die Bereiche Atomkraft, geächtete Waffen, Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen, sowie fossile Brennstoffe. Wobei man auch hier wieder das Kleingedruckte lesen muss: Erlaubt war jeweils ein Anteil von unter zehn Prozent der Gesamtinvestitionen. Außerdem handelt es sich dabei um klassische Anbieter aus der Versicherungs- und Bankenbranche von Aachen Münchner und Allianz bis zu Stuttgarter und Zurich.
Inzwischen gibt es aber auch Akteure am Markt, die weiteren Nachhaltigkeitskriterien genügen: Sie arbeiten einerseits selbst ökologisch, etwa beim Gebäudemanagement und Fuhrpark; andererseits handeln sie zudem sozial, etwa in Form eines faireren Umgangs mit den Mitarbeitern und bewusster Familienfreundlichkeit.
Dazu gehören etwa Concordia oeco, Pangea Life oder die Waldenburger Versicherung. Besonders interessant sind zudem auf nachhaltige Angebote auch im Bereich Rentenversicherung spezialisierte Beratungsportale wie Fibur.de oder ver.de, die bei den zur Verfügung stehenden Produkten beziehungsweise den darin enthaltenden Unternehmensbeteiligungen bereits eine entsprechende Vorauswahl treffen.
Nicht vergessen sollte man zuletzt auch die sogenannte dritte Säule des Rentensystems, nämlich die private Vorsorge ohne staatliche Förderung, sprich das angesparte Geld- oder Immobilienvermögen. Dieser Sektor trägt in der Praxis genau wie die Riester/Rürup-Versicherungen etwa ein Viertel zur Absicherung bei. Klassiker in puncto Cash sind dabei in Deutschland immer noch Sparbuch und Tages- sowie Festgeld. Auch hier wäre es eine gute Idee, die Penunze so bald wie möglich in Richtung ethisch und ökologisch wirtschaftender Geldinstitute zu verschieben.
Ansgar Warner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen