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Start der KarnevalssessionWider den männlichen Ernst

Der Aachener Karnevalsverein, Platzhirsch des Kamellehumors vor Ort, nimmt nach 160 Jahren nun auch Frauen auf.

Der Elferrat Foto: Michael Strauch

Aachen taz | In Aachens Karneval wird 2019 mit einem Brauchtum gebrochen, das man seit Erfindung des Tusches für unantastbar hielt: Die Session (restdeutsch: Saison, vulgo „Fünfte Jahreszeit“) beginnt in diesem Jahr offiziell am 10. statt am 11.11. Denn, so die Begründung: Sonntags hätten die Menschen mehr Zeit zu feiern, vulgo: zu saufen. Eine Zäsur, ein Erdrutsch.

Noch fassungsloser machen einen die Änderungen im Aachener Karnevalsverein AKV. Dieser Jeckenklub, 160 stolze Jahre alt und damit prägend für die Humor-DNA der Stadt, hat viele wichtige Funktionsträger: Elferrat, Elferrats-Präsident, Senatoren, Ehrensenatoren, Ehrenhüte, dazu jedes Jahr Ritter oder Ritterin Wider den tierischen Ernst. Und man hat viele sehr langjährige treue Vereinsmitglieder: ausschließlich Männer. Aber das ist jetzt anders.

Die Jahreshauptversammlung Ende August wird dafür in die Annalen eingehen: Tatort Quellenhof, ein plüschig-biederer Übernachtungstempel mit fünf Sternen, Aachens feinste Hoteladresse. Es gibt viele Ehrennadeln für 25- oder 65-jährige Mitgliedschaft, dann hat Cilly Schumacher, 91 Jahre alt, ihren Auftritt.

Man wird einmal sagen: Sie war die erste, als damals, 2019, tatsächlich leibhaftige Frauen in seine Reihen aufgenommen hat. Cilly, die mit dem würdevollen Lächeln einer gerührten Dame nach vorne geführt wird, erhält sogar gleich die Ehren-Mitgliedschaft. Es setzt prasselnden Applaus von den fast hundert anwesenden Vereinsmitgliedern. Oche Alaaf!

AKV-Präsident Werner Pfeil, 53, Rechtsanwalt und FDP-Landtagsabgeordneter, spricht von einem „historischen Moment“. Cilly hatte, ganz Frau, jahrzehntelang ihren verstorbenen Gatten bei seiner Humorarbeit im Verein unterstützt und sich so für die Mitgliedschaft qualifiziert. Nach ihr kommen noch sechs weitere Frauen nach vorn, alle sind neue Mitgliederinnen im Alaafistenzirkel.

Das Finanzamt ist schuld

Wie konnte es so weit kommen mit dem feinen Kamelleklub, dessen Herren sich, angeblich mit Selbstironie, seit jeher Lackschuhkarnevalisten nennen? Feministische Lichtblicke?

Es war profaner: Die Finanzbehörden drohten mit Entzug der Gemeinnützigkeit, falls der diskriminierende Passus, „jede unbescholtene männliche Person“ könne Mitglied werden, nicht geändert würde. Das Wort männlich musste raus. Der Satzungsänderung stimmten im Mai immerhin 80 Prozent des Herrenclubs zu. Nach Lackschuhen jetzt halt auch Stöckelschuhe, hatte damals wer tuschwürdig gesagt.

Zudem, erklärt jetzt Kolja Linden, Sprecher des Elferrates, hätten auch die Ordensritterinnen Kramp-Karrenbauer und Klöckner zuletzt gefragt, warum denn nur Männer… ? „Da war es Zeit“, sagt er.

Begeistert klingt das nicht. Nein, es habe keine Ablehnungen bei weiblichen Eintrittsbegehren gegeben. Und nein, es gab auch keine Austritte derer, die sich für einen weiteren reinen Männerverein ins Zeug gelegt hatten. Immerhin gab es einige freche Nein-Stimmen bei den Wiederwahlen zum Elferrat. „Wir hatten mehr befürchtet.“

Kaum sind Frauen dabei, geht es schon schief

Neu-Mitglied Claudia Cormann

Bei den Wahlen, ebenfalls auf der Hauptversammlung, kommt es dennoch zu einem kleinen Eklat wie es ihn nie zuvor gab, sagten nachher jahrzehntelange Mitglieder: Der erste Wahlzettel einer der Neunärrinnen wurde vergessen einzusammeln. „Kaum sind Frauen dabei, geht es schon schief“, spottete nachher die übersehene Claudia Cormann, 56, Redakteurin beim ARD-Morgenmagazin. Sie sei „die Erste gewesen, die noch am Abend der Satzungsänderung den Mitgliedsantrag abgegeben“ habe. Stöckelschuhe trägt sie nicht. Auch keine der anderen, von denen eine sich freut, jetzt könne der AKV „Aachen in ein noch besseres Licht setzen“. Allerdings, sagt Werner Pfeil nachher, das werde nicht mit einer Prinzessin Karneval statt eines Prinzen passieren. „Das wollen wir so beibehalten.“

Karnevalisten beugen sich dem Klima

Das sei doch „umwerfend und grandios“ mit der Öffnung für Frauen, sagt Cormann hinterher strahlend: „Wir haben Geschichte geschrieben.“ Ein Gschmäckle hat ihr Eintritt dennoch, als sich herausstellt, dass sie FDP-Politikerin ist: Erste Nachrückerin in spe für den Landtag und mit Pfeil und einem anderen alten AKV-Fahrensmann zusammen in der Parteifraktion des Rates der Städteregion Aachen. Der AKV, eine Unterabteilung der FDP? Oder umgekehrt?

Wie auch immer: Pfeil hat inzwischen den nächsten Brauchtumsbruch angekündigt, im nächsten Sommer werde die traditionelle AKV-Oldtimerrallye wohl erstmals ausfallen. Aachen hat den Klimanotstand erklärt, da dürfte es für Spaßfahrten der betagten Abgasschleudern keine Erlaubnis mehr geben.

Stattdessen, so Pfeil, plane man jetzt etwas mit Elektromobilität. Und dann unterzeichnen beide noch den Radentscheid Aachen und halfen, dass das Bürgerbegehren mit über 38.000 Stimmen der erfolgreichste Radentscheid Deutschlands wurde. Zwei prominente FDP-Stimmen – das war fast so sensationell wie Frauen im Alaafistenzirkel. Entschuldigung: jetzt auch Alaafistinnenzirkel.

Am vergangenen Mittwoch nahm der Stadtrat das Bürgerbegehren dann an, fast einstimmig. Allein die drei Abgesandten der Autofahrerpartei FDP votierten aufrecht dagegen, gemeinsam mit einem aus der rechten „Allianz für Aachen“. Wenigstens auf politische Borniertheit bleibt in Aachen Verlass.

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1 Kommentar

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  • Ach herm. High Chaparral - vulgo Aken

    Printe quer - hilft sehr. Oche Alaaf.



    &



    Dat Ullalla Schmidt - gleich mit.

    Na Mahlzeit