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Kastrieren ohne BetäubungFerkel ziehen vor Gericht

Das Verfassungsgericht soll über das betäubungslose Kastrieren männlicher Schweine entscheiden. Peta klagt im Namen der Tiere.

Im Namen der Ferkel: Tierrechtsorganisation Peta klagt gegen Kastration ohne Betäubung Foto: dpa

Freiburg taz | Die Verfassungsbeschwerde, die die Tierrechtsorganisation Peta an diesem Dienstag einreichen wird, ist mehr als ungewöhnlich. Beschwerdeführer sind nämlich alle männlichen Ferkel, die betäubungslos kastriert werden. Peta würde mit dieser Klage gern Rechtsgeschichte schreiben.

Derzeit werden fast alle männlichen Ferkel kurz nach der Geburt kastriert. Der Grund: Ein kleiner Teil der nicht kastrierten männlichen Schweine entwickelt einen komischen Geruch, den Ebergeruch. Zwar ist inzwischen bekannt, dass die Tiere bei der Kastration Schmerzen erleiden, dennoch wird sie in Deutschland immer noch ohne Betäubung durchgeführt.

Schon 2013 beschloss der Bundestag den Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration, gewährte den Schweinezüchtern aber eine Übergangszeit bis Ende 2018. Kurz vor Ablauf der Frist beschloss der Bundestag auf Druck der Agrarwirtschaft eine weitere Verlängerung bis Ende 2020. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde der betroffenen Ferkel.

Mehr als die Hälfte de 67-seitigen Klage, die der taz vorliegt, befasst sich mit der Frage, ob Ferkel überhaupt Grundrechte haben und diese einklagen können. Bisher sind im Wesentlichen Menschen Träger von Grundrechten. Allerdings hat das Grundgesetz auch juristische Personen, etwa Aktiengesellschaften, für grundrechtsfähig erklärt. Peta will mit der Klage erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht nun auch Tiere als Grundrechtsträger anerkennt. Die Klageschrift wurde von der renommierten Umweltrechtsanwältin Cornelia Ziehm verfasst.

Recht auf Schmerzfreiheit

Bis 1990 galten Tiere in Deutschland noch als „Sachen“. Seitdem heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass Tiere zwar keine Sachen sind, aber rechtlich in der Regel wie Sachen behandelt werden. Tiere haben offiziell bisher keine eigenen Rechte, auch keine Grundrechte.

Anwältin Ziehm ist aber davon überzeugt, dass Tiere durchaus „grundrechtsfähig“ sind. Zum einen hätten Tiere Interessen, etwa auf Wohlbefinden und Schmerzfreiheit. Zum anderen seien Tiere jetzt schon von der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkannt. Ziehms stärkstes Argument: Es kann nicht sein, dass sich aus Tierschutzgesetz und Grundgesetz (Staatsziel Tierschutz) Pflichten zugunsten der Tiere ergeben, die dann aber nicht durchgesetzt werden können. Tiere müssten deshalb als klagefähige „nichthumane Rechtspersonen“ anerkannt werden.

Würden die Richter erstmals Grundrechte für Tiere anerkennen, hätte das weitreichende Folgen

Peta will dabei allerdings nicht auf den Gesetzgeber warten, sondern geht davon aus, dass Tiere heute schon Rechte haben und klagen können. Dies müsse vom Bundesverfassungsgericht nur noch festgestellt werden.

In der konkreten Klage beruft sich Peta auf ein „Recht auf Schmerzfreiheit“. Dieses könne aus dem im Grundgesetz enthaltenen Grundrecht auf „körperliche Unversehrtheit“ abgeleitet werden. Folgenreichere Tiergrundrechte wie ein „Recht auf Leben“ oder ein „Recht auf Freiheit“ sind für die Frage der Ferkelkastration nicht erforderlich. Den Verfassungsrichtern dürfte aber klar sein, worauf sie sich einlassen, wenn sie erstmals Tiergrundrechte anerkennen.

Klagerecht für Tierschutzvereine

Außerdem stellen sich bei der Peta-Klage schon ganz praktische Probleme. Keines der klagenden Schweine wird namentlich benannt. Peta erklärt nur, die Ferkel seien „bestimmbar“, weil die Behörden wissen, wo Schweine gezüchtet werden.

Vertreten werden die Ferkel von Harald Ullmann, dem zweiten Peta-Vorsitzenden. Es ist allerdings unklar, wie diese Vertretung zustande kam. Weder haben die Schweine Peta eine Vollmacht gegeben, noch gibt es (wie bei Kindern) eine gesetzlich geregelte Vertretung. Peta kann sich nur auf den Satzungszweck „Tierschutz“ berufen.

Faktisch geht es Peta also weniger um ein Klagerecht von konkreten Tieren, sondern eher um eine Art verfassungsrechtliches Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine. Ob sich das Bundesverfassungsgericht für dessen Einführung zuständig fühlt, wird sich zeigen.

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14 Kommentare

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  • wenn tiere sich rächen könnten hätten sie rechte



    ihre rechtlosigkeit ist eine folge ihrer wehrlosigkeit die schlechte menschens dazu verführt ihre macht zu missbrauchen



    daran dass tiere einen willen haben und diesen auch in verständlicher weise zum ausdruck bringen können besteht kein zweifel.



    sie können sogar an abstimmungen teilnehmen und sei es auch nur mit den füssen.







    sobald tierquäler*innen die gesellschaftliche ächtung erfahren die sie verdienen ,sobald es sich rächt tiere zu quälen wird die tierquälerei aufhören.

  • 0G
    08088 (Profil gelöscht)

    Tiere sind nun einmal keine Grundrechtsträger und sind auch nicht klageberechtigt. Umgekehrt kann ich auch nicht Nachbars Hund verklagen, weil er immer bellt. Ich muss mich an Herrchen als passivlegitimierten wenden.

  • Jedes Lebewesen welches Schmerz empfinden kann hat ein Interesse daran diesen nicht zu empfinden. Dass wir dieses Interesse nichtmenschlichen Tieren nicht zugestehen folgt dem selben Prinzip wie Sexismus, Rassismus und Antisemitismus.

    Wir grenzen uns durch eine für das Interesse unbedeutende Eigenschaft ab (Geschlecht, Phänotyp, Religion oder Art (Mensch vs. Schwein)) und stehen Wesen die nicht zu unserer Gruppe gehören diese Interessen nicht zu.

    Dass so eine Klage dann auf Formalitäten reduziert wird und die Interessen nicht eingeklagt werden können ist grausam und zynisch.

    Die "Holocaust auf ihrem Teller" Kampagne geht auf verschiedene jüdische Intellektuelle zurück, z.B. Adorno oder Isaac Bashevis Singer und seiner Aussage "Für Tiere sind alle Menschen Nazis“.

    Diese Kampagne hat natürlich verschiedene Seiten. Einerseits verletzt sie ggf. Überlebende und Nachfahren (weil sie nicht verstanden wird). oder sie wird als Abwertung interpretiert. Auf der anderen Seite steht das Leid von Milliarden von Tieren die von uns gequält werden und die in Teilen gleiche oder ähnliche Interessen wie Menschen haben dieses Leid nicht zu empfinden.

    Wir, die uns als Gruppe Mensch abgegrenzt haben erkennen dies nicht an, genau wie Sexist*innen, Rassist*innen und Antisemit*innen.

    Wo die Grenze zwischen angemessenen und unangemessenen Handlungen im Einsatz gegen dieses Unrecht verläuft ist meiner Meinung nach deutlich komplexer als hier und anderswo gerne dargestellt.

  • Kann damit nichts mit anfangen: Natürlichhaben Tiere (für mich) keine Rechte. Das ist ein ein menschliches Konstrukt. Das heißt aber nicht, dass man Tiere (oder auch Pflanzen) nicht achtsam behandel sollte. Wenn die Petra-Anwältin sagt, "Tiere müssten deshalb als klagefähige „nichthumane Rechtspersonen“ anerkannt werden", das weiß sie doch selbst: Tier sind nicht klagefähig!!! Die Petra-Anwältin allerdings schon. Das riecht schonnach Eigeninteresse....

    • @mlevi:

      "Die Petra-Anwältin allerdings schon. Das riecht schonnach Eigeninteresse...."

      Ich denke nicht dass es hier um Eigeninteresse geht, Anwält*innen können viel leichter Geld verdienen.

      Aber selbst wenn das so wäre, warum sollte nicht mit dem Tun von Guten Dingen Geld verdient werden? Das mit dem Tun von schlechten Dingen Geld verdient wird nehmen wir einfach hin.

      ABER: das größte und offensichtliche Eigeninteresse ist doch unseres nichtmenschliche Tiere auszubeuten um damit Geld zu verdienen und tierische Produkte zu konsumieren.

    • @mlevi:

      Natürlich haben Tiere auch Rechte. Einerseits unterliegen sie einem gewissen Schutz:

      "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. §1 TierSchG

      Wobei wirtschaftliches Interessen allerdings als vernünftiger Grund gelten.

      Natürlich haben Tiere selbst Gesetze, die Rangordnung etc. kann man durchaus als ein solches Konstrukt interpretieren. Von verschiedenen Tieren wissen wir auch dass sie moralisches Verhalten aufweisen:



      www.ted.com/talks/...morals?language=de

      Abgesehn davon ist die rechtliche und moralische Berücksichtigung nicht an die eigene Fähigkeit gebunden selbst moralisch handeln zu können. Das trifft für ein Kind genauso zu wie für ein nichtmenschliches Tier.

      Wenn Aktiongenossenschaften nichthumane Rechtspersonen sein können dann ist es durchaus extrem Grausam und Zynisch dies nichtmenschlichen Tieren nicht zuzugestehen.

      Wir leben nicht mehr im Drittenreich, aber dies zählt zu unseren Verbrechen gegen andere Lebewesen bei dem wir alle Wegschauen und Mittäter*innen sind.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ungeachtet dessen, dass die Behandlung von Tieren in der Fleischproduktion unter aller Würde ist und deutlich und massiv geändert werden muss, kann ich diesem Vermenschlichungs-Versuch von PETA nichts abgewinnen.

    Davon abgesehen hat dieser Verein seit "Der Holocaust auf ihrem Teller"



    jede Seriosität und Menschlichkeit verloren.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Was heißt hier Vermenschlichung.



      Es sind ähnlich wie Menschen fühlende Geschöpfe mit einem wissenschaftlich gemessen Intelligentsquotinten wie dreijährige Menschen.



      Würden Sie Dreijährige töten?



      Falls das Zitat, welches Sie darstellen, wirklich so im Wortlaut von Peta gesagt wurde, ist es im Vergleich zu Dreijährigen nicht ganz so weit hergeholt.



      Die Massenvernichtung von fühlenden Wesen für einen kurzen egoistischen Gaumenkitzel, den kein Mensch zum Leben braucht, ist nicht schönzureden.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Traverso:

        Es ist das übliche.

        Tierschutz geht mit Menschenverachtung einher.

        Eine Debatte ist so sinnvoll wie mit den Zeugen Jehovas.

        Kurz gesagt: Vier Beine gut, zwei Beine schlecht.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Es ist das übliche, daß Tiervertilger nicht einsehen möchten, daß auch Nutztiere fühlende Wesen sind. Beim Hauskätzchen, Hudilein und all die anderen lieben Haustiere klappts doch auch bei der Einsicht.



          Ihr Vergleich mit Zeugen Jehovas ist schlichtweg dumm. Demnach wäre jede Moral den Sekten vorbehalten. Den Unfug glauben Sie doch allen Ernstes nicht.



          Tierschutz geht mit Menschenverachtung her ? Wo haben Sie denn das her ?



          Wer Empathie zu Menschen empfindet kann auch viel leichter Empathie zu Tieren empfinden. Denken Sie ans Hauskätzchen.

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @Traverso:

            Moralisch aufgeladen bis in die Haarspitzen.

            Nur damit Sie es wissen, ich bin kein "Tiervertilger."

            Allerdings habe ich jede Debatte mit Tierschützern in unguter Erinnerung.

            Meistens war ich am Schluss der Tierfeind, dem man alles erdenklich schlechte wünscht.

            Und wer den Holocaust so missbraucht, ist einfach kein zivilisierter Gesprächspartner.

            • @88181 (Profil gelöscht):

              Wenn Sie Moral verwerflich finden, dann tut mir das wirklich Leid für Sie.



              Das mit dem Holocaust haben Sie ins Spiel gebracht. Also legen Sie mir das bitte nicht in den Mund. Das ist ganz sicher nicht meine Sprache.



              Beenden wir die Diskussion.



              Ihnen alles Gute.

      • @Traverso:

        Danke für Ihre wahren Sätze!

        Kompakter Literaturtipp: "Das Leben der Tiere" von Nobelpreisträger J. M. Coetzee

  • Ich bin sehr gespannt, wie diese "Vollmacht" aussieht. Das ganze erinnert an die Klage des Affen Naruto. Diese war bekanntlich auch krachend gescheitert.