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Bericht zu AtommüllKaum Licht am Ende des Tunnels

Der erste „Welt-Atommüll-Report“ warnt: Entsorgung, Lagerung und Finanzierung des nuklearen Abfalls sind praktisch nirgendwo gesichert.

Bedroht Mensch und Natur: Radioaktiver Müll Foto: ap/John Locher

Beim Nuklearunfall in Fukushima 2011 „kam die größte Gefahr nicht von den laufenden Reaktoren“, sagt der Atomexperte Mycle Schneider, „sondern vom stillgelegten Reaktor Nummer 4. Da lagerten nämlich 135 Tonnen abgebrannter Brennstäbe.“ Wäre dieses Gebäude zerstört worden und die hochradioaktiven Brennelemente in Brand geraten, wäre 40- bis 100-mal mehr Radioaktivität freigesetzt worden, Millionen von Menschen hätten fliehen müssen.

Wie sehr die Gefahr aus dem strahlenden Müll weltweit unterschätzt wird, ist die zentrale Aussage des ersten „Weltreports Nuklearer Abfall 2019“, der am Montag in Berlin präsentiert wurde. Eine Koalition aus den EU-Grünen, dem BUND, Bürgerinitiativen und Stiftungen haben zu diesem Komplex ein Gutachten bei Experten bestellt. Deren Fazit: „Behandlung, Transport, Lagerung und Endlagerung von Atommüll stellen eine signifikante und wachsende Herausforderung für alle nuklearen Länder dar.“

Denn auch 70 Jahre nach dem Einstieg in die Nukleartechnik betreibt „kein Land der Welt ein tiefes geologisches Endlager für Atommüll“, heißt es. Nur Finnland baut derzeit daran, Frankreich und Schweden haben immerhin Standorte, Deutschland will laut Gesetz 2031 einen haben. Der Bericht untersucht die Lage in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Ungarn, Tschechien, Schweden und den USA.

Insgesamt werde das Thema kaum öffentlich diskutiert, es fehlten gute Konzepte, einheitliche Standards, Daten über die gesundheitliche Belastung der Bevölkerung und gesicherte Finanzen für die Entsorgung. „Die Gesellschaft schläft“, sagte Marcos Buser, Schweizer Atommüll-Experte und einer der Autoren, „das geht aber bei diesem Risiko nicht.“

Keine Endlager in Sicht

Trotz vieler Fehlschläge, so der Bericht, halten die Regierungen an der Idee einer unterirdischen Lagerung fest. Über eine bewachte, oberirdische Anlage werde nicht nachgedacht. Weil ein Endlager nicht in Sicht sei, „verlagern sich die Risiken der Lagerung zunehmend auf Zwischenlager, die aber an ihre Kapazitätsgrenzen kommen“.

Die stark strahlenden und hochgiftigen Brennelemente im Wasser der Abklingbecken zu lassen, wie es in 80 Prozent der Fälle in Europa passiert, sei die unsicherste Methode, wenn das Wasser als Kühlung ausfalle. Über zentrale Zwischenlager debattiert aber offiziell niemand – so wenig wie über einen (bislang per Gesetz verbotenen) Export des Atommülls etwa in das Atomlager in Finnland. „Der Widerstand in diesen Gegenden gegen fremden Müll würde wachsen“, so Buser.

Schon jetzt sitzen die Länder auf einem Riesenberg von Atommüll, trägt der Bericht trotz vieler Schwierigkeiten bei der Datenlage zusammen. In Europa lagern demnach 60.000 Tonnen Atommüll, ein Viertel davon aus Frankreich, jeweils etwa 15 Prozent aus Deutschland und Großbritannien. Über ihre gesamte Lebenszeit würden die 142 Atomkraftwerke in Europa 6,6 Millionen Kubikmeter von schwach-, mittel- und hochradioaktivem Abfall produzieren, hieß es: ein Berg, 900 Meter hoch auf der Größe eine Fußballfelds.

Die wahren Kosten der angeblich billigen Atomkraft, so moniert der Bericht außerdem, würden nicht ehrlich berechnet: „Die Regierungen versagen bei einer ehrlichen Schätzung der Kosten von Abbau der Kraftwerke und der Lagerung und Entsorgung des Mülls.“ Am Ende bleibe wie etwa bei der Sanierung des Atomlagers Asse II der Staat auf den Kosten sitzen. Für die Endlagerfrage stellten alle Staaten zu wenig Geld in Rechnung – auch Deutschland, wo von den Energiekonzernen immerhin 24 Milliarden in einen Fonds für die Entsorgung eingezahlt wurden.

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7 Kommentare

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  • Lieber Bernhard Pötter,



    bitte korrigiere die Zahlen zu der Höhe des Atommüllbergs auf dem Fußballfeld, denn es ist unklar welche Größe du genommen hast: ein Fußballfeld muss mindestens 90 m x 45 m haben und darf höchstens 120 m x 90 m groß sein. Ausgehend von diesen Fußballfeldmaßen habe ich errechnet, dass bei 600 Milliarden und 600 Millionen Kubikmetern Atommüll (=6,6 Milliarden m3) die Höhe des Atommülls beim 90 m x 45 m großen Fußballfeld 1629600 Meter hoch wäre - also über 1629 Kilometer hoch!



    Beim größtmöglichen Fußballfeld wäre der Berg immerhin noch über 611 km hoch. So weit kann kein Auge sehen!



    Fatal wenn sich die Leute nach deinen Berechnungen einbilden, dass 900 Meter Höhe ja absehbar wäre!



    Also wen wunderts bei den Ausmassen, dass noch kein Atomklo für die Ewigkeit gefunden wurde?

  • Mit bangem Interesse gelesen. Danke.

    Am Anfang war es die Politik, die Energieindustrie gegen deren Willen Atomenergie aufzwang, blockübergreifend mit Abermilliarden Subventionen und Versprechen lockte, nun sei das Weltenergieproblem global zum Nulltarif gelöst, im Grunde aber, weil sie sich die Länder Optionen verdeckter Atombombenbaus über sog friedliche Nutzung der Atomenergie sichern wollten, angesichts atomarer Aufrüstung der anfänglich 5 Atommächte, USA, USSR, England, Frankreich, China, entgegen deren Atomsperrvertrag Versprechen 1968, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen..

    Die andauernd globale Ignoranz gegenüber globalem AKW Ausstiegs- , Atommüll Entsorgungs- Problem, - Russland ist nach Krim Annexion 2014 aus internationaler Finanzierung Sarkophags 1986 havarierten AKW Block 4 Tschernobyl ausgestiegen - , entfaltet eine unheilschwangere Dynamik, wie zu Beginn 20. Jahrhunderts bei der Ausstiegsproblematik aus dem Kolonialismus europäischer Mächte, einschließlich russischem Zarenreich, Osmanischem Reich, angesichts explodierend kolossal kolonialer Kosten, nicht zuletzt der Bevölkerungsexplosion in den Kolonien geschuldet.

    Statt nun aber ein internationales Konzept zum geordnet friedlichen Ausstieg, samt Ausgleichs- , Entschädigungsmechanismus zu entwickeln, gingen die Kolonialmächte den Weg kleinsten Widerstandes in fanatisch patriotisch aufgeladene Weltkriege 1914-1945 mit Folgen einer Urkatastrophe 20. Jahrhunderts mit über Hundert Millionen Toten ungezählten Versehrten in allen beteiligten Ländern, samt Kolonien, Verelendung, Vertreibung, Pogromen, Holocaust, Flucht, ungeordneter Migration die bis heute anhält, ohne dass die UNO seit ihrer Gründung 1946 einen neuen Begriff von Staatszugehörigkeit für Refugees, gegenwärtig 70 Millionen innerhalb, außerhalb ihrer Heimatländer (UNHCR Bericht 2018), mit Sitz und Stimme in der UNO geschaffen hat.

  • Naja, wenn ich sehe wer die Auftraggeber sind, wundert mich das Ergebnis gar nicht.



    Gänzlich fehlt der Aspekt Wiederaufarbeitung, Recycling, und neue Reaktoren wie Russlands BN, die Atom“müll“ verwerten können.

    Und wenn man den „Riesenberg“ einfach mal klassifiziert (der meiste Teil ist schwachradioaktiv und braucht weder Abschirmung noch Kühlung, lediglich 10% ist hochradioaktiv) schrumpft er auf das Fußballfeld zusammen. Ein paar Meter hoch. Von ganz Europa seit 60 Jahren.

    Leute, Leute... Wer „Mycle Schneider“ liest, weiss was einen erwartet.

  • Was für ein Trauerspiel.

    Dass nach 200 Jahren in dem Atommüll aus Kernkraftwerken die Gammastrahler zerfallen sind, geschenkt. Dass nach 1500 Jahren auch die Betastrahler weg sind egal. Der übrige "Müll" ist einfaches Uran und ein bisschen Plutonium das man in der Hand halten kann. Nur nicht essen, das wäre tödlich.

    Davon produziert Deutschland 450t im Jahr. Mal im Vergleich: In Herfa-Neurode werden jedes Jahr 300.000 t hochgiftiger chemischer Abfall endgelagert. Dioxine, Quecksilber, Arsen und andere schöne Sachen - scheint auch nicht so teuer zu sein. Vielleicht sollten sich die Umweltschutzgruppen erst einmal darum kümmern. Das Zeug bleibt nämlich für IMMER gefährlich.

    Oder hier: Die deutschen Kohlekraftwerke verbrennen ca. 170 Mio t Kohle im Jahr. Kohleasche enthält mindestersten 10 ppm Uran und 30 ppm Thorium: Jedes Jahr werden also ca. 1700 t radioaktive Schwermetalle in die Umwelt freigesetzt (Soviel zur Knappheit von Uran). Nicht in Fässern wie beim Atommüll, sondern verteilt auf offenen Halden oder als Beimischung zum Beton.

    Das Deutschland einen CO2 Ausstoß von 9 t pro Kopf hat - Frankreich und Schweden von 4 t - was glauben Sie bitte woran das liegt? Die haben von 1975 - 1995 ihre Primärenergieerzeugung zu 50 % auf Kernenergie umgestellt. Wenn es eine Möglichkeit gibt den Klimawandel abzumildern - hier ist sie.

    Wir können jetzt handeln oder auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien vertrauen - in einer Welt in der der Energiebedarf im letzten Jahr um 250 Mio Tonnen Öl Equivalent gestiegen ist, während der Zubau an Erneuerbaren Energien bei 100 Mio Tonnen Öl Equivalent lag. Und die Weltbevölkerung weiter wächst und energiehungrig wird.

    Kernkraft oder Klimawandel. Das eine oder das andere. Die Gesellschaft kann es sich aussuchen.

    • @Benediikt Brandes:

      Der übrige "Müll" ist einfaches Uran und ein bisschen Plutonium das man in der Hand halten kann



      #



      Na dann, ist das Problem ja gelöst. Gut in Dosen einpacken und alles bei DIR in den Keller, was an Plutonium in DE so anfällt. Mit der Abwärme kannst du dann "billig" heizen. (Musst nur auf die kritischen Massen aufpassen, sonst wird es sehr warm)



      .



      Da DU weißt "das man das nicht essen darf" das auch an diene Nachkommen weitergeben wirst, ist das Problem gelöst.



      Der "Energiebedarf" der Welt ist zu hoch. DA steckt der Schlüssel! Der Gedanke "Energie kommt aus der Steckdose & die kann unentwegt "ver-, gebraucht" ohne zu denken ist das Problem.



      Denk mal so "konsequent" wie über den Rest über dein Auto nach. Da wird 90% der benötigten Energie dazu genutzt die Verpackung zu bewegen & max. 10% für die Nutzlast aufgewandt!



      .



      Das ist genau so wie deine "Plutonium" unnötige Verschwendung weil die Nutzer nicht denken wollen!



      .



      Grusslos Sikasuu

    • @Benediikt Brandes:

      4,96t CO2 emissionen von Frankreich auf 4 zu runden finde ich ein bisschen grob....

      Wichtig ist auch zu sehen wo CO2 Produziert wird. In Deutschland:



      Energie 38,5%|Verkehr 21%|Gewerbe 17%|Wärme 16%.

      Wie groß wäre dann der Anteil von Atomstrom und wie groß wäre dort die Einsparung an CO2 etc. etc.

      Das Problem mit der Uranknappheit ist eben das so viel Rohstoff gebraucht wird um eine geringe Menge an Uran zu erhalten, dass dann auch noch aufbereitet werden muss was auch klimafolgen hat und nebenbei wollen wir auch nicht die Welt umgraben für das bisschen Uran mit den Negativen folgen.

      Dazu kommt das erneuerbare Energien bereits halb so Teuer sind wie Kernkraft. Also bitte in die Zukunft investieren konservativ ist etwas für die Konserve.

      • @Upgrade:

        1. CO2/Kopf kommt auf die Quelle und Berechnung an. Ich schrieb zB 9 t/Kopk für DE. Sie finden aber auch Quellen wo DE bei 11 liegt.

        2. Frankreich und andere Länder heizen mit Strom, dies ist übrigens der Grund warum Frankreich einen höheren Stromverbrauch im Winter als Deutschland hat. Russland nutz Fernwärme erzeugt von Kernkraftwerken, genauso wie wir es mit Gas und Kohlekraftwerken tun.

        Wärmesektor ist also möglich auf Strom umzustellen - wollen wir ja auch durch Erneuerbare machen.

        Der Verkehrssektor soll ja auch auf Strom umgestellt werde, Batterie und Wasserstoff - also auch möglich.

        3. Mit Verlaub, bitte schauen Sie sich einmal die Zahlen an: 50.000 t/Jahr Uran werden momentan gefördert. Eisenerz: 2800.000.000 t/Jahr. Kohle: 7000.000.000 t/Jahr.

        4. Wir nutzen momentan nur 0.8% des Urans. Nur Uran 235 lässt sich einfach spalten. Uran ist einfach zu billig. Brüter Reaktoren (Russland und China haben je einen) können auch Uran 238 verwenden, was den Atommüll massenbezogen auf ein hundertstel reduziert und die Reserven gleichzeitig verhundertfacht.

        4. Erneuerbarer Energien sind NICHT günstig. Und erst Recht nicht wenn man den nötigen Speicherbedarf mit einbezieht. Allein um eine Nacht in Deutschland ohne Wind zu überbrücken bräuchte man 10 h * 50 GW = 500 GWh Speicherkapazität. Batterieherstellung 2019: ca 160 GWh, weltweit. Wenn Sie Strom in Gas speichern wollen können Sie mit Verlusten von mindestens 50 % rechnen.

        Ich verstehe ja dass man sich einredet das Erneuerbare Energien günstiger wären. Das wäre klasse. Nur ist dies nicht der Fall. Eine globale Perspektive:

        Inventionen in Erneuerbare Energien 2018, weltweit: 300 Mrd. $. Fossile Brennstoffe: 140 Mrd. $

        Trotz dessen decken wir noch nicht einmal die zusätzliche Nachfrage an Energie durch Erneuerbare Energien.

        Entweder wir laufen der Utopie noch weiter 20 Jahre hinterher und stellen fest das der CO2 Ausstoß weiter steigt oder wir lösen das Problem heute.