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Pressefreiheit in RusslandEs gibt keine Sicherheit

Repressionen gegen Journalist*innen sind in Russland Normalität. Auf der Medienkonferenz der OSZE will das aber niemand hören.

Nach kritischen Berichten über Polizei und Geheimdienst verhaftet: Journalist Iwan Golunow Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa

Moskau taz | Diana Katschalowa versucht es mit einem Witz. „Vielleicht sollte man die Duma dazu bringen, ein Gesetz anzunehmen, Gesetze zu befolgen“, sagt die St. Petersburger Journalistin. Witze waren zu Sowjetzeiten ein Ventil für die Menschen, den beschwerlichen Alltag zu ertragen.

Katschalowa schreibt für die Nowaja Gaseta, die kreml-kritische Zeitung, deren Mitarbeiter*innen immer wieder bedroht werden, überfallen, manche umgebracht wurden. Aufgeklärt sind die wenigsten Taten, bis heute. Obwohl es doch so viele, so wunderbar geschriebene Gesetze gebe, wie viele – Journalist*innen, Anwält*innen, Funktionär*innen – hier, im Hotel Ukraina, einem der Stalin’schen Kolosse im Zuckerbäckerstil direkt an der Moskwa, oft betonen.

Wenn die Gesetze aber an der willkürlichen Justiz und der Tatenlosigkeit der Ermittlungsbehörden scheitern, bleiben sie leere Worte. Katschalowas Witz bringt die Absurdität des Systems Putin, dem sich freilich nicht nur Journalist*innen im Land täglich stellen, auf den Punkt. Die Frauen und Männer im Saal lachen ein verhaltenes Lachen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat mit seinen russischen Gastgebern zu einer Konferenz geladen, die sich der „Medienfreiheit und der Sicherheit von Journalisten in Russland und den übrigen 56 OSZE-Teilnehmerstaaten“ widmen soll.

„Jeder hat seine eigene Wahrheit“

Eine durchaus bemerkenswerte Angelegenheit, sitzen doch hier Journalist*innen unabhängiger Zeitungen neben Journalist*innen von staatlichen Fernsehsendern. Solchen, die sagen: „In Russland dürfen Journalisten getötet werden, ohne dass sich jemand dafür verantworten muss“, neben solchen, die sich beklagen, „Propagandist“ genannt zu werden.

Journalist*innen werden bedroht, überfallen, manche ermordet

Es ist eine Veranstaltung, die zeigen soll, wie gut es um die Pressefreiheit in Russland steht: Seht her, welchen Pluralismus wir haben, hier darf jede*r seine Meinung sagen, darf den Staat offen und scharf kritisieren! Und eine, bei der offensichtlich wird, dass diese Pressefreiheit nicht uneingeschränkt gilt.

Wenn Sergej Lawrow, Russlands Außenminister, der jede Kritik an Druck und Repression in seinem Land mit Vorwürfen an die EU und die Ukraine zu umgehen weiß, sagt: „Jeder hat seine eigene Wahrheit. Mit anders bewerteten Auffassungen darf man die Bevölkerung nicht traumatisieren. Wir verteidigen die russische Tradition und die russische Kultur.“

Auf dem Index der Pressefreiheit, den Reporter ohne Grenzen jedes Jahr erstellt, liegt Russland in diesem Jahr auf Platz 149. Seit Jahren hat das Land die Position kaum verbessert. Lawrow sieht die Organisation als Werkzeug der Pariser Regierung und ­beklagt sich über Diskriminierung russischer Medien, in der Ukraine genauso wie in Großbritannien und Frankreich.

Auch Anna Knischenko, Kriegsreporterin bei Russlands Auslandssender RT, der Russlands Sicht der Dinge verbreitet, zeigt sich geradezu entsetzt, warum die RT-Journalist*innen in so vielen Ländern so unbeliebt seien. „Die einfachste Erklärung: Wir sind doch an allem schuld“, sagt Lawrow. Es ist Russlands gewöhnliche Inszenierung als Opfer.

„Wir“ gegen „sie“

„Unsere, nicht unsere, eigene, fremde – das ist doch traurig“, sagt der Moderator Sergei Briljow, stellvertretender Generaldirektor des Staatssenders Rossija und Stichwortgeber Putins bei vielen seiner Auftritte. Doch genau diese Unterschiede ziehen sich durch die gesamte Veranstaltung.

Ein ständiges „wir“ und „sie“. Wir, Russland, das immer in Habachtstellung ist, und sie, der Westen, der immer etwas auszusetzen hat. Wir, die Staatsjournalist*innen, denen Propaganda vorgeworfen werde, und sie, die Unabhängigen, die doch kaum Reichweite hätten. Wir, die Überregionalen, die die Welt erklären, und sie, die Regionalen für die alltäglichen Kleinigkeiten. Und über allen steht das Gesetz, das durchdachte und gut ausformulierte. Das manchmal angewandt wird, manchmal nicht. Sicherheit gibt es in Russland nicht. Weder für das „wir“ noch fürs „sie“.

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