: Ein Sieger, der wohl ein Verlierer bleibt
Was wird aus dem grünen Abgeordneten Werner Schulz, wenn er vom Bundesverfassungsgericht Recht bekommt?
BERLIN taz ■ Zugegeben, die Frage ist für die Zukunft der rot-grünen Regierung nicht gerade von zentraler Bedeutung, aber gestellt werden sollte sie einfach mal: Was passiert eigentlich mit Werner Schulz, wenn er vor dem Bundesverfassungsgericht Recht bekommt? Wenn er, um in der wichtigsten Kategorie der heutigen Politik zu denken, Karlsruhe als Sieger verlässt?
Dann sitzt er vermutlich erst einmal ein Jahr länger als grüner Abgeordneter im Bundestag. Es wird spannend sein zu beobachten, ob Schulz in seiner Fraktion weiter so isoliert bleibt wie in den letzten Wochen. Nach seiner fulminanten Rede im Bundestag am 1. Juli, dem Tag, an dem Schröder die Vertrauensfrage verlor, hatten viele grüne Abgeordnetenkollegen mit Schulz, dem Außenseiter, endgültig abgerechnet. Wütend beschimpft hatten sie ihn, nicht nur, weil er dem Kanzler eine „fingierte, eine unechte Vertrauensfrage“ vorwarf, sondern vor allem, weil er das ganze Verfahren als „ein Stück Volkskammer“ bezeichnete. Der Ausbruch vieler Grüner war die Wut der ertappten Sünder.
Aber würde das Bundesverfassungsgericht bestätigen, dass Schulz grundlegende Rechte von Abgeordneten verteidigt hätte: Könnten die Grünen, die sich so viel auf ihr Demokratieverständnis einbilden, dann ausgerechnet einen Helden der Demokratie in die Ecke stellen? Die Antwort lautet: Vermutlich ja. Nicht nur in der grünen Bundestagsfraktion ist Schulz mittlerweile isoliert. Auch bei der Aufstellung der Listen für die Neuwahl 2005 haben die Grünen in Berlin gezeigt, dass ihnen Schulz als letzter ostdeutscher Bürgerrechtler und aufrechter Kämpfer gegen Hartz IV für einen vorderen Platz nicht mehr gut genug ist. Beim Parteitag Mitte Juni verlor er die Abstimmungen um die aussichtsreichen Plätze zwei und vier und gab anschließend entnervt auf. Als Direktkandidat in Berlin-Pankow hat er keine Chance.
Wenn es jetzt nicht zu Neuwahlen käme und die Listen für eine Wahl im Herbst 2006 neu gewählt werden müssten, würden die Berliner Grünen wahrscheinlich nicht anders entscheiden. Der Sieger Werner Schulz könnte also ein Verlierer bleiben – trotz seines neuen moralischen Kapitals aus Karlsruhe. JENS KÖNIG
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