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Kritik an Nobelpreis für Peter HandkeAmnesie eines Autors

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Allerorts gibt es Empörung über die Prämierung Peter Handkes. Die Kritik an seiner Haltung zur Rolle Serbiens im Jugoslawienkrieg ist berechtigt.

Peter Handke in seinem Garten in Chaville bei Paris Foto: Francois Mori/ap

A n dem Tag, als die Nachricht von der Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke bekannt wurde, waren wir, die Gruppe „taz-Reisen in die Zivilgesellschaft“, gerade in Srebrenica. Wir hörten Azir zu, wie er als 13-jähriger Junge in Potocari bei Srebrenica in der Masse der mehr als 40.000 Menschen stand, die an diesem 11. Juli 1991 alle in die UN-Kasernen drängten.

Hinter ihnen kamen die serbischen Truppen. Die niederländischen UN-Soldaten weigerten sich, mehr als 6.000 Menschen auf ihr Gelände einzulassen. Die Serben, unter ihrem General Ratko Mladić, begannen die Männer von Frauen mit Kindern zu trennen. Die Menschen mussten durch Checkpoints gehen, die Männer links, die Frauen und Kinder rechts. Azir gelang es, bei den Frauen zu bleiben und dann zusammen mit seiner Mutter mit einem Lastwagen nach Tuzla „ins befreite Gebiet“ in Sicherheit gebracht zu werden. Er hatte Glück.

Andere halbwüchsige Jungen mussten wie sein ein Jahr älterer Bruder zusammen mit den Männern gehen. Wenig später wurden schon Hunderte Männer erschossen. Sein Bruder schloss sich der Kolonne von mehr als Zehntausend an, die nach Tuzla fliehen wollten. Er wurde bei den folgenden Massakern und Hinterhalten getötet. Die serbische Soldateska ermordete in den folgenden Tagen 8.377 Männer aus Srebrenica.

Die Serben nahmen „Rache an den Türken“, wie Mladić es ausdrückte, wegen der in der serbischen Mythologie angeblich verlorenen Schlacht von 1389 gegen die Osmanen in Kosovo Polje. Mladić’ „Feinde“, die „Türken“, das war 600 Jahre danach die slawisch-muslimische Bevölkerung von Srebrenica, ethnische Slawen wie die Serben, eine Zivilbevölkerung, die noch vor dem Krieg in Jugoslawien ein beschaulich-sicheres Leben mit ihren serbischen Nachbarn geführt hatte. Dann das Inferno.

Die Täter aber sind frei. Und werden freigesprochen. Auch durch den prominenten Schriftsteller. Für die Opfer wie Azir hat er kein Wort übrig.

Azir hatte damals Todesangst. Die Opfer von Srebrenica oder die Opfer aus den Konzentrationslagern in Prijedor und anderswo in Bosnien sind bis heute Gefangene ihrer Todeserfahrung. Sie sind traumatisiert.

Die Täter aber sind frei. Und werden freigesprochen. Auch durch den prominenten Schriftsteller. Für die Opfer wie Azir hat er kein Wort übrig. Peter Handke war ein Jahr später an diesem Ort des Schreckens. Er konnte alles wissen. An den Mauern von nahegelegenen Ställen waren noch die Blutflecken der Hingerichteten zu sehen. Dann fuhr er nach Pale, dem oberhalb Sarajevos gelegenen Kriegshauptquartier der serbischen Führung in Bosnien, um Radovan Karadžić, ihren politischen Führer, zu sprechen. Damals schon bereitete das UN-Tribunal gegen Kriegsverbrechen in Jugoslawien in Den Haag die Anklage gegen Karadžić und Mladić vor. Das focht jedoch Handke nicht an, er plauderte freundlich mit dem Kriegsverbrecher.

Spätestens nach dem Besuch in Sarajevo hätte er spüren müssen, dass er falsch lag. Er traf den damaligen österreichischen Botschafter Valentin ­Inzko, der wie Handke selbst der slowenischen Minderheit in Kärnten angehört und persönlich mit ihm verbandelt ist. Schließlich „ging er ein Jahr mit meiner Schwester“, sagt Inzko heute, immer noch als Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Sarajevo ansässig und Kenner der Lage in Bosnien. Was er damals mit Handke beredet hat, bleibt zwar etwas nebulös.

Sicher ist, dass Handke an diesem Tag auch mit dem Sarajevoer Serben Jovan Divjak zusammentraf, dem Vizekommandeur der bosnischen Armee, an vorderster Stelle ein Verteidiger des multinationalen Sarajevos gegen die „Faschisten da oben“, wie Divjak sich damals ausdrückte. Das Gespräch war nicht freundschaftlich, denn Divjak zeigte ihm seine Faust, als Handke für die Position Karadžić’ Sympathie erkennen ließ.

Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke nicht beschreibt

Saša Stanišić

„Er hat sich noch Notizen gemacht“, sagt heute der bosnische Serbe Jovan Divjak, eine Ikone der Zivilgesellschaft. Die Notizen hat Handke wohl nicht verwendet, als er sein Buch „Gerechtigkeit für Serbien“ schrieb, das 1996 erschienen ist. Dass er nach Sarajevo noch in Višegrad war und sich dort in einer Badehose mit Alkohol und „Freunden“ an der Drina ablichten ließ, an der Stelle, wo 1992 Hunderte von Menschen gefesselt und lebend von der berühmten Brücke in die Fluten der Drina geworfen wurden, war ihm keine Zeile wert.

Višegrad ist einer der vielen Orte blutiger Exzesse gegen Nichtserben. Bakira Hasečić, die Vorsitzende einer Organisation von Vergewaltigungsopfern, die zwei Jahre lang in dem berüchtigten Vergewaltigungslager der Stadt festgehalten worden war, kann die Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke ebenso wenig fassen wie die Frauen von Srebrenica in ihren ersten Reaktionen.

Vielleicht hat Handkes Besuch in Višegrad den bosnischen Schriftsteller Saša Stanišić insbesondere herausgefordert. Seine Familie stammt aus dieser Stadt. Bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises 2019 im Frankfurter Römer erklärte er am Montag: „Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt.“ Ähnlich kritisch äußerten sich der in den USA lebende Schriftsteller Aleksandar Hemon oder der serbische Schriftsteller Bora Ćosić, Teil der liberalen Belgrader Szene, die das Milošević-System bekämpft haben und über die Preisverleihung entsetzt sind.

Handkes Angriffe auf die damaligen Kriegsreporter, unter ihnen der Amerikaner und Pulitzerpreisträger Roy Gutman und der Brite Ed ­Vulliamy, die 1992 unter Lebensgefahr die Existenz von Konzentrationslagern in der Stadt Prijedor nachgewiesen hatten, wirft ein Licht auf ihn selbst zurück. Kriegsreporter waren für ihn „einseitig“ – obwohl sie auf allen Seiten recherchiert haben, im Gegensatz zu ihm, obwohl er doch 1996 in Srebrenica leicht hätte die Wahrheit entdecken können. ­„Ästhetik und Ethik lassen sich nicht trennen“, sagt Darko Cvijetić, serbischer Schauspieler und Dichter aus Prijedor.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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31 Kommentare

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  • Wie war das noch mit dem Hufeisenplan? Das war eine glatte Lüge, und diente zur Rechtfertigung für einen Völkerrechtswidrigen Angriff!!!!!!

  • Bei der verteufelung eines Autors, der nur das aussprach, was man anderen wohl eher als Amnesie bezeichnen könnte.



    Aber Herr Rathfelder ist ja kein unbekannter. Eine kurze Recherche ergab, dass Rathfelder 1998 vom österreichischen Presserat eine Rüge wegen falscher Berichterstattung erhalten hat: er hat damals ein Massaker erfunden, das so nie stattgefunden hat.

    Also: Die im Kommentar zu Handke verwendete Überschrift “Amnesie eines Autors” trifft zu, auf den Autor Rathfelder.

  • den Wahnsinn benannt:



    "Ästhetik und Ethik lassen sich nicht trennen“

    den Wahnsinn gebannt:



    "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein"

  • Der Artikel enthält leider sehr viele Unwahrheiten, die immer und immer wieder wiederholt werden. Nie hat Handke Kriegsverbrechen oder Srebenica geleugnet, ein "das hätte er wissen können" ist eine pure, leider ziemlich infame Unterstellung, dass sich Handke dumm stellen würde oder Verbrechen ausblenden bzw leugnen würde. Schon in "winterlicher Reise" hat Handke ganz klar von den Verbrechen und Srebenica gesprochen. Gerade das Beispiel mit dem Journalisten Ed Vulliamy ist das Musterbeispiel für Medien bzw Kriegspropaganda geworden. Weiss dass der Autor nicht? Das Foto des angeblichen Kzs im Lager Tjonopolje ist ein von den Medien selbst inszeniertes, die Menschen wurden extra vor einen Stacheldraht gestellt, um das KZ Motiv zu inszenieren, siehe die Arbeiten des seriösen Journalisten Deichmann zu diesem Bild. So wurde nicht nur der Holocaust instrumentalsiert, sondern auch das moralische Alibi für die Bombardierung Restjugoslawiens gelegt. Bevor alle auf Handke, den Verteidiger eines multethnischen Jugoslawien, einprügeln, sollten die Medien zunächst einmal ihre Mitwirkung an diesem schrecklichen Krieg hinterfragen.

    • @Diskursiv:

      In Deutschland liebt man halt die Geschichte von Konzentrationslagern, ist es doch der Grund gewesen, um gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Nicht ohne Grund hat Joschka Fischer den Vergleich zu Auschwitz gesucht. Es hat sich seit dem 2. Weltkrieg leider nichts geändert. Die alten Feind-/Freundbilder werden weiter aufrecht erhalten. Es lebt sich mit solch einseitigen Berichten auch deutlich angenehmer für Herr Rathfelder. Ich kann mich nicht erinnern, wann er jemals etwas positives über Serben schrieb. Ab und zu mal etwas über Kroaten. Stattdessen plädiert er auch mal ganz gern offen für ein Großalbanien.

  • Die Halbwahrheiten, die in DE über Handke verbreitet werden, kann ich mir nur dadurch erklären, dass alle Umstände, die zur Zerschlagung Jugoslawiens führten, nicht näher und differenzierter diskutiert werden sollen.



    Man könnte auch einmal darüber nachdenken, warum die alten Freund- oder Feindschaften, vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik sich auf dem Balkan nie wesentlich verändert haben.



    Seltsamerweise sind stets diejenigen die Bösen, die sich den hegemonialen Interessen der NATO-Länder nicht unterordnen wollen. Da denke ich auch an das alte Feindbild Russland. Da die Nazis das gleiche Feindbild hatten, käme jedoch niemand auf die Idee, die kalten Krieger von heute als Nazis zu bezeichnen. Bei Handke ist das aber anders.

    Handke hat das Pech, zur Zeit des völkerrechtswidrigen Krieges der NATO gegen Serbien auf Seiten seiner Freunde in Serbien gestanden zu haben. Und dass man mit Freunden leidet, insbesondere bei Kenntnis der gesamten Umstände, war das der Kriegspropaganda ein Dorn im Auge. Man ging so weit, Handke für Greueltaten der Serben in die Verantwortung zu nehmen. So etwas nennt man Rufmord.

    • @Rolf B.:

      Das sehe ich auch so. Bezeichnend für diese Kontinuität ist auch, dass viele hier zwar wissen wer der "Schlächter von Belgrad" war aber von Ernst Weinmann dem "Henker von Belgrad" noch nie was gehört haben.

      • @Sandor Krasna:

        Ich denke bezüglich der Zerschlagung Jugoslawiens auch an die schnelle Anerkennung Kroatiens, den ehemaligen faschistischen "Partnern" des Naziregimes. Waren da alte Freundschaften mit im Spiel?

        Und natürlich denke ich auch an die Gräueltaten gegenüber den Serben, die hier in DE niemand großartig zur Kenntnis genommen hat.

        Die Zerschlagung Jugoslawiens wäre ohne deutschen Einfluss so nicht möglich gewesen.

  • Peter Handke ist Schriftsteller und dafür wurde er ausgezeichnet. Meiner Meinung nach zurecht. Es ist auch gut, dass seine Haltung in anderen Fragen kritisiert wird - dies tut seinem literarischen Verdienstenen keinen Abbruch. Damit kann ich gut leben.

  • Handke ist weltberühmt.



    Der ominöse Herr Stanisic dagegen war wohl nicht nur mir bis dato unbekannt.

  • 9G
    93042 (Profil gelöscht)

    Warum Peter Handke so unversöhnlich auf Seiten der Serben und Milosevic stand, verstehe ich bis heute nicht. Erkläre mir das möglicherweise mit der Haltung, dass er auch da - wie es seine schätzenswerte Art ist - wo alle (Journalisten und Meinungsmacher) in der gleichen "politisch korrekten" Spur herumtrampeln, den Gegenweg nimmt. Vermutlich nicht einmal geplant, sondern eher aus der Intuition heraus, dass die Wahrheit - wenn es überhaupt eine solche gibt - auch hier mehr als nur ein Gesicht hat. Das relativiert die mutmaßlichen Verbrechen Milosevics nicht. Das hat aber auch nicht dazu beigetragen diese Verbrechen zu intensivieren. Handke ist ein sehr eigener Mann mit sehr eigenem, sehr ehrlichem - mitunter auch selbst verletzendem - Umgang mit sich und seiner Umwelt. - Wenn man aus einer vertriebenen Familie kommt wie Stanisic gibt es mit Sicherheit verständliche Aspekte für seine Reaktion. Aber wo Handke als Schriftsteller sehr sehr viel mehr ist, als ein Irrender in Sachen Serben, ist Stanisic - zumindest subjektiv - als Schriftsteller eventuell weniger, als die Jury im Jahr 2019 hinter ihm vermutet. Wer in der Öffentlichkeit so laut schreit, hat unter Umständen mehr Gründe, als den einen, endlich Rache zu nehmen, an denen, die er für sein Vertreibungsleid als Kind bis heute subjektiv Rechtens verantwortlich macht. Ich kann aber nicht sehen, wo Peter Handke damals aktiv am Stanisic-Leid beteiligt gewesen wäre. Es entsteht der Eindruck, als schlüge da einer in verzweifelter Wut den Sack, weil er der (schrecklichen)Esel nicht mehr habhaft werden kann. Es bleibt ein fader Geschmack. Handke und Stanisic sind Handwerkskollegen. Und vielleicht gibt es beim Jüngeren ja auch die intuitive Ahnung, dass es bei Ihm zum Nobel-Preis nicht langen könnte. Ich prognostiziere, dass das Ganze Stanisic auf Dauer mehr beschädigt als Handke.

    • @93042 (Profil gelöscht):

      Hier ein interessanter Artikel über den Prozess gegen Karacic und möglicherweise doch nicht so ganz eindeutige Rolle Milosevic als "Schlächter von Belgrad", zumindest was die Rolle Milosevic betrifft, scheint es nach Auffassung Den Haags schon noch ein paar hellere Graustufen zu geben.

      • 9G
        93042 (Profil gelöscht)
        @Sandor Krasna:

        Wo ist der Artikel zu finden?

        • @Sandor Krasna:

          Naja, "Telepolis" hat ja inzwischen leider eine einschlägige Reputation als Schleuder für auf links gedrehte Relativierungen autoritärer Systeme, nicht umsonst schreiben da bis heute RT-Reporter wie Ulrich Heyden. Bei Werbung für die Krim-Wirtschaftslobby musste Rötzer sogar nachträglich den Hinweis einfügen, dass die "Recherchereise" vom russischen Staat bezahlt war. Egal worum es geht, solange die jeweilige Verschwörungstheorie nur einen antiamerikanischen Touch hat, johlt das Forum. Insofern ist da ein Handke ganz gut aufgehoben.

          • @robs67:

            Telepolis macht in dem Link nichts anderes als aus dem Den Haag- Urteil zu Karacic zu zitieren. Statt der Quelle jede Legitimation abzusprechen, wäre es für eine Diskussion zuträglicher nachzuweisen wo Zitate falsch wieder gegeben wurden und wo gar falsch zitiert wurde.

            Das gleiche Verfahren böte sich auch in der Bewertung der angeblichen Pro-Genozid-Haltung Handkes an. Nur da gibt es noch nicht einmal ein Zitat.

  • 0G
    08630 (Profil gelöscht)

    Ich bin gespannt, in welcher Weise Herr Handke den Nobelpreis nutzt. Er selbst hatte für die Abschaffung des Nobelpreises plädiert. Sich darüber aufzuregen, dass Herr Handke einen Nobelpreis bekommt, mit all den gleichen Argumenten, die schon ins Feld vor Jahren gegen Herrn Handke geführt worden sind, täuscht doch darüber hinweg, dass der Nobelpreis bis auf wenige Ausnahmen den ans System angepassten verliehen worden ist.



    Im Fall Handke kann ich nur dazu sagen, den Esel meint man, und den Sack trifft man. Schade. Wieder eine Chance vergeben, die Perversität des Nobelpreises, sich vor Augen zu führen, dass aus dem Profit eines Dynamitfabrikanten nichts Gute entstehen kann.

  • Ich hätte gerne mal das Zitat von Handke, auf das hier alle verweisen.



    Wann und wo hat er Srebrenica geleugnet? Wann und wo hat er geschrieben, das Genozide eine tolle Sache sind?



    Wenn Saša Stanišić in seinen Büchern, die die Balkankriege thematisieren, nicht über den NATO-Angriffskrieg gegen Serbien schreibt, ist er dann ein Apologet von Angriffskriegen und eines "Deutschen" Buchpreises nicht würdig?

    • @Sandor Krasna:

      Den ersten Beitrag, den ich hierzu gelesen habe, stand gut recherchiert im "The Intercept": theintercept.com/2...enocide-apologist/



      Es ist nicht nötig, einen Genozid zu verherrlichen, um keines Nobelpreises würdig zu sein. Es reicht schon, den Opfern gegenüber instinktlos zu sein.

    • @Sandor Krasna:

      Ich denke, den meisten Kritikern der Entscheidung des Nobelkomitees geht es nicht darum, dass er einen Genozid verharmlost bzw. relativiert hat oder dass er beispielsweise in einem Artikel für die französische Zeitung Liberation serbische Konzentrationslager geleugnet hat. Dazu gibt es einen umfangreichen Artikel auf "The Intercept" mit Links u.a. zu o.g. Artikel von Handke von 1996 in Liberation.

      www.liberation.fr/...-yougoslavie_38687

      theintercept.com/2...enocide-apologist/

      • @Holger S.:

        Ich zitiere aus deinem Link:

        Handke:



        “True, there were intolerable camps between 1992 and 1995 on the territories of the Yugoslav republics, especially in Bosnia,” he wrote. “But let’s stop automatically connecting these camps to the Serbs in Bosnia. There were also Croat camps and Muslim camps, and the crimes committed here and there are and will be judged at the Hague.”

        Und in dem verlinkten Liberation-Artikel spricht Handke mehrfach von Srebrenica.

        Du schreibst: "Ich denke, den meisten Kritikern der Entscheidung des Nobelkomitees geht es nicht darum, dass er einen Genozid verharmlost bzw. relativiert hat oder dass er beispielsweise in einem Artikel für die französische Zeitung Liberation serbische Konzentrationslager geleugnet hat. "

        Ja, um was geht es denn dann den Kritikern am Literaturnobelpreis für Handke? Und warum wird dann dieses angebliche Leugnen immer wieder angeführt?

  • Ich lese die vielen interessanten Kommentare zu Handkes Nobelpreis - es sieht so aus, als ob ihm die Verleihung des Preises schadet.

    Künstlerisch gesehen hat sein Werk einige Qualität - aber es ist für die meisten (auch für mich) kaum lesbar, es ist alles in allem zu langweilig.

    Dazu kommt nun, dass wir an die politischen Entgleisungen erinnert werden, wie sie Rathfelder hier kompetent aufführt.

    Handkes Reaktionen verstärken den Eindruck, dass wir es mit einer unangenehmen Person zu tun haben.

    Das alles wirft einen Schatten auf sein Werk.

    In manchen Fällen schadet der düstere politische Schatten dem Autor nicht - als Beispiele nenne ich Shakespeare, Kleist, Fontane, Dostojewskij, Sartre, Naipaul und Brecht. Man kann sie alle für gewisse politische Unerträglichkeiten in die Pfanne hauen - aber ihre künstlerische Qualität und der Respekt vor der großen Persönlichkeit retten sie.

    Bei Handke gelingt mir die ästhetische und menschliche Ehrenrettung nicht. Was enthält sein Werk, das es über die üblen Entgleisungen glaubwürdig erheben könnte?

    Das möchte ich die Verteidiger Handkes fragen.

  • Deutschland hatte seinen "SS-Günni" Grass und Österreich hat nun den Serbischen Ritter als Nobelpreisträger.



    Der Preis interessiert doch sowieso keinen mehr..

    • 9G
      93042 (Profil gelöscht)
      @Maschor:

      "SS-Günni" Grass+Serbischer Ritter?... Da möchte man, doch hoffen, dass Sie sich - ähnlich mutig wie die beiden Zitierten -mit der eigenen familiären der Vergangenheit im Faschismus auseinandergesetzt haben.



      Interessant bei Ihnen (als auch beim pöbelnden Handke): Wo ist das Projektive? Wo grast der (eigene) Esel, den Sie mit den Schlägen auf den verachteten Handke(und Grass-)-Sack stellvertretend erreichen wollen? Wissenschaftliche Intellektuelle (wie zum Beispiel der Psychologe und Psychiater Arno Gruen), haben über das Phänomen der Projektion und der Externalisierung (auch im Jugoslawien-Konflikt!)lesenswerte Bücher geschrieben, Vielleicht sollten Sie einer solche Lektüre sinnvoller Weise den Vorzug vor der medialen Einseitigkeit in der momentanen Handke-Berichterstattung geben. Die Wahrheit hat viele Gesichter - sinngemäß eine der zentralen Haltungen von Peter Handke. Und genau wegen dieser Haltung schätzen Ihn bis heute durchaus sehr sehr viele Menschen. Voraussetzung: Man hat gelernt (auch die eigenen) Widersprüche auszuhalten. Diesen Weg ist Handke anscheinend gegangen und geht ihn bis heute. Eine Haltung, die der Menschheit vermutlich sehr viel mehr kriegerische Auseinandersetzungen ersparen würde, als das die unzähligen und "hochgradig" besetzten Friedensinitiativen der Profi-Politiker bisher vermochten.

    • @Maschor:

      Dem kann ich nicht zustimmen. Ich zum Beispiel fände es sehr angebracht, endlich einmal etwas über Olga Tokarczuk zu lesen, statt ständig über diesen unsäglichen Handke. Sein Preis war offenbar durch politische Ahnung- und Instinktlosigkeit bedingt, aber immerhin nicht durch Korruption und Vetternwirtschaft. Es ist kaum anzunehmen, dass die Jury beabsichtigt hatte, den Preis nach der vorausgehenden Affaire nochmals derart zu beschädigen. Aber es ist sehr schade, dass die Bedeutung von Olga Tokarczuk dadurch kollateral durch mediale Ignoranz beschädigt wird. Das hat sie sicher nicht verdient.

  • Wenn man sich die zahlreichen Handke-Interviews aus dem letzten Jahrzehnt durchliest, stellt sich der merkwürdiger Eindruck eines selbstverliebten grumpy old man ein. Sätze wie "Ich sag immer: Polizisten sind so wie die Frauen. Wenn man sie braucht, sind sie nicht da, wenn man sie nicht braucht, sind sie da“ (www.freitag.de/aut...e-keine-schublade), seine Gewaltfantasien (den hätte ich gerne verprügelt, den habe ich geohrfeigt), zeichnen das Bild eines unsympathischen, aus der Zeit gefallenen Mannes. Seine Leugnung des Massenmordes durch serbische Militärs ist sicherlich nicht nur dem Altersstarrsinn geschuldet. So einer darf nicht den zumindest medial wichtigsten Literaturpreis erhalten. Autor und Werk müssen keine Einheit bilden, aber Täter zu Opfern zu machen, überspannt den Bogen des Erträglichen. Irgendwo las ich, dass man mit gleicher Haltung auch ein schönes Landschaftsbild von Hitler in die Wohnung hängen könnte.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Tazacorte:

      Sehr gut 👍



      Und ausserdem ist sein Werk wirklich schrecklich langweilig.

  • Danke.

    unterm—-



    Keineswegs immer mit Ihnen “aus einem Dorf.“



    &



    Als Richter involviert & - leider dabei - auch deutschen Propagandlügen aufgesessen.



    Aber. Sie haben hier recht. Handke - wußte/weiß - es besser.

    & - wie dennoch anders - grad & bodenlos a Blaues Sofa - Geschwurbelt.



    “… sein Buch „Gerechtigkeit für Serbien“ … das 1996 erschienen.“



    Ist Teil seines Werkes •

    • @Lowandorder:

      Was um alles in der Welt ist in diesem Kommentar-Thread los? Ist das eine Invasion von Algorithmen? Oder bin ich heute Abend einfach begriffsstutzig?

      • @Jakob Bauer:

        Junger Mann. Machens sich mal keinen Kopp.

        Langen Tach gehabt - wa? 👻



        Schreibens aber doch sonst hier ganz vernünftiges Zeugs - hm.

        kurz - Das wird schon wieder. Brief&Siegel drauf - & 💤 💤 💤